Leitfaden zur Kunde des heidnischen Alterthnms von Or. Ed. Freiherr v. Sacken.
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Leitfaden zur Kunde des heidnischen Alterthumes mit Beziehung auf die österreichischen
Länder von Or. Ed. Freiherr von Sacken, Custos des k. k. Münz- und Antikenkabinetes.
Mit 84 in den Text gedruckten Holzschnitten. 8". Wien 1865, Wilh. Braumüller.
Kunst und Alterthum sind als Objekte wissenschaftlicher Betrachtung mit Recht in unserer Zeit
mehr geschieden worden, indem man sich dort der ästhetischen Principien, hier der Principien einer
in sich zeitlich und ethnographisch abgeschlossenen Kulturwelt bewußt ward. Trotzdem stehen
diese Gebiete in engem Zusammenhang und nothwendigem Wechselverkehr. Je weiter wir in der
Kulturgeschichte eines Volkes zurückgehen, um so wichtiger werden uns jene sinnlich schaubaren und
greifbaren Zeugnisse der formenden, bildenden Thätigkeit, um so mehr tritt das freie Schaffen und
Aussprechen des Ideengehaltes eines Volkes und einer Zeit zurück in das Halbdunkel einer mehr
instinctiv gereiften, alles, auch das Bedürfnißmäßige, umkleidenden Formensprache, umsomehr wird
Sitte, Glaube und Kunst -ein Ungeschiedenes. Und umgekehrt wird die Wissenschaft des Alter-
thums im weiteren Fortschreiten der Kulturäußerungen eines Volkes auf die Trennung, auf das
Sichherausheben des individuell und frei schaffenden Kunstgeistes aus dem allgemeinen Niveau
des Könnens und Schassens Hinweisen müssen und die Rückwirkung wieder der reinen Kunstschöpfungen
auf die Formen des allgemeinen Kulturlebens hervorheben.
Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint es wohl gerechtfertigt, auf die obige Schrift eines be-
reits um die kunstgeschichtlichen Denkmäler zunächst seines engeren Vaterlandes so wohl verdienten
Mannes in einer Zeitschrift für Kunst aufmerksam zu machen; ist ja doch dieser „Leitfaden zur Kunde
des heidnischen Alterthumes" eine sehr geschickte, klar und anspruchslos geschriebene Gesammt-
darstellung der wichtigsten Erscheinungen unsers mitteleuropäischen Alterthums vor der Bildung
des Frankenreiches und der geistigen Umgestaltung durch die christliche Kirche. Dazu kommt, daß
die Darstellung begleitet ist von einer Anzahl bildlicher Illustrationen, die wir als gut gewählt
und trefflich ausgeführt bezeichnen müssen. Dieselben haben noch zu einem guten Theil den
besonderen Werth, daß sie nicht anderen Werken, entnommen, sondern nach Gegenständen österrei-
chischen Fundortes aus dortigen Sammlungen ausgesührt sind. Dies führt uns zurück auf einen
durch die ganze Schrift durchgehenden speciellen und praktischen Gesichtspunkt, der aber derselben
auch wieder für Fernerstehende ein besonderes Interesse gewährt, und dem wir vielleicht hie und da
noch mehr Rechnung getragen zu sehen wünschten. Es galt nämlich von Wien aus, im Sinne jener
so anerkennenswerthen, seit einer Reihe von Jahren thätigen, von der Regierung geförderten
Bestrebungen zur Erhaltung der Denkmale des österreichischen Kaiserstaates, allen den lokalen
Kreisen und den einzelnen dabei Jnteressirten einen Leitfaden zur methodischen Aufsuchung, Bewahrung,
Beschreibung und Verwerthung alterthümlicher Funde zu geben. Für den Auswärtigen ist dadurch
neben dem allgemein Bekannten eine dankenswerthe Uebersicht besonders der Fundstätten gewährt.
Folgen wir dem Verfasser kurz aus dem weiten, von ihm zurückgelegten Wege, zu einigen
Bemerkungen uns dabei Raum lassend. Der Verfasser hat im Anschluß an die von den dänischen
Alterthumsforschern zuerst ausgewiesenen und im Großen und Ganzen mit Recht festgehaltenen
Unterschiede der Kulturepochen des mittleren und nördlichen Europa's das Steinalter, das Bronze-
alter und das Eisenalter nacheinander behandelt, dabei aber auf das vielfache Nebeneinander dieser
Stufen in den südlichen und nördlichen Gegenden, sowie auf die nachweisbaren Zwischenstufen zwischen
denselben hingewiesen, so daß die zwei ersten Epochen sichtlich wieder in zwei Abstufungen zerfallen.
Im Großen und Ganzen bleiben aber diese drei Kulturschichten vollständig gesichert und sie ent-
sprechen ethnographisch Epochen einer, im Norden wenigstens finnisch-tfchudischen, im Südwesten
wohl iberischen Urbevölkerung, einer Uebermacht des. keltischen Stammes und endlich der Zeit ger-
manischer Herrschaft. Damit verbindet sich aber, was besonders wichtig ist für die Länder im
Donaugebiet und ihre nächsten nördlichen Nachbarn, ein vom Süden kommender Einfluß, und zwar
in dem Bronzezeitalter der durch Handel und Wandel vermittelte Einfluß der griechischen und etrus-
kischen Kunst und Kultur, in dem Eisenalter der gewaltige Einfluß der römischen Heere und Coloni
satoren. Für das Steinzeitalter (S. 18 — 82) hat Oesterreich noch überraschend wenig Funde ans
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Leitfaden zur Kunde des heidnischen Alterthumes mit Beziehung auf die österreichischen
Länder von Or. Ed. Freiherr von Sacken, Custos des k. k. Münz- und Antikenkabinetes.
Mit 84 in den Text gedruckten Holzschnitten. 8". Wien 1865, Wilh. Braumüller.
Kunst und Alterthum sind als Objekte wissenschaftlicher Betrachtung mit Recht in unserer Zeit
mehr geschieden worden, indem man sich dort der ästhetischen Principien, hier der Principien einer
in sich zeitlich und ethnographisch abgeschlossenen Kulturwelt bewußt ward. Trotzdem stehen
diese Gebiete in engem Zusammenhang und nothwendigem Wechselverkehr. Je weiter wir in der
Kulturgeschichte eines Volkes zurückgehen, um so wichtiger werden uns jene sinnlich schaubaren und
greifbaren Zeugnisse der formenden, bildenden Thätigkeit, um so mehr tritt das freie Schaffen und
Aussprechen des Ideengehaltes eines Volkes und einer Zeit zurück in das Halbdunkel einer mehr
instinctiv gereiften, alles, auch das Bedürfnißmäßige, umkleidenden Formensprache, umsomehr wird
Sitte, Glaube und Kunst -ein Ungeschiedenes. Und umgekehrt wird die Wissenschaft des Alter-
thums im weiteren Fortschreiten der Kulturäußerungen eines Volkes auf die Trennung, auf das
Sichherausheben des individuell und frei schaffenden Kunstgeistes aus dem allgemeinen Niveau
des Könnens und Schassens Hinweisen müssen und die Rückwirkung wieder der reinen Kunstschöpfungen
auf die Formen des allgemeinen Kulturlebens hervorheben.
Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint es wohl gerechtfertigt, auf die obige Schrift eines be-
reits um die kunstgeschichtlichen Denkmäler zunächst seines engeren Vaterlandes so wohl verdienten
Mannes in einer Zeitschrift für Kunst aufmerksam zu machen; ist ja doch dieser „Leitfaden zur Kunde
des heidnischen Alterthumes" eine sehr geschickte, klar und anspruchslos geschriebene Gesammt-
darstellung der wichtigsten Erscheinungen unsers mitteleuropäischen Alterthums vor der Bildung
des Frankenreiches und der geistigen Umgestaltung durch die christliche Kirche. Dazu kommt, daß
die Darstellung begleitet ist von einer Anzahl bildlicher Illustrationen, die wir als gut gewählt
und trefflich ausgeführt bezeichnen müssen. Dieselben haben noch zu einem guten Theil den
besonderen Werth, daß sie nicht anderen Werken, entnommen, sondern nach Gegenständen österrei-
chischen Fundortes aus dortigen Sammlungen ausgesührt sind. Dies führt uns zurück auf einen
durch die ganze Schrift durchgehenden speciellen und praktischen Gesichtspunkt, der aber derselben
auch wieder für Fernerstehende ein besonderes Interesse gewährt, und dem wir vielleicht hie und da
noch mehr Rechnung getragen zu sehen wünschten. Es galt nämlich von Wien aus, im Sinne jener
so anerkennenswerthen, seit einer Reihe von Jahren thätigen, von der Regierung geförderten
Bestrebungen zur Erhaltung der Denkmale des österreichischen Kaiserstaates, allen den lokalen
Kreisen und den einzelnen dabei Jnteressirten einen Leitfaden zur methodischen Aufsuchung, Bewahrung,
Beschreibung und Verwerthung alterthümlicher Funde zu geben. Für den Auswärtigen ist dadurch
neben dem allgemein Bekannten eine dankenswerthe Uebersicht besonders der Fundstätten gewährt.
Folgen wir dem Verfasser kurz aus dem weiten, von ihm zurückgelegten Wege, zu einigen
Bemerkungen uns dabei Raum lassend. Der Verfasser hat im Anschluß an die von den dänischen
Alterthumsforschern zuerst ausgewiesenen und im Großen und Ganzen mit Recht festgehaltenen
Unterschiede der Kulturepochen des mittleren und nördlichen Europa's das Steinalter, das Bronze-
alter und das Eisenalter nacheinander behandelt, dabei aber auf das vielfache Nebeneinander dieser
Stufen in den südlichen und nördlichen Gegenden, sowie auf die nachweisbaren Zwischenstufen zwischen
denselben hingewiesen, so daß die zwei ersten Epochen sichtlich wieder in zwei Abstufungen zerfallen.
Im Großen und Ganzen bleiben aber diese drei Kulturschichten vollständig gesichert und sie ent-
sprechen ethnographisch Epochen einer, im Norden wenigstens finnisch-tfchudischen, im Südwesten
wohl iberischen Urbevölkerung, einer Uebermacht des. keltischen Stammes und endlich der Zeit ger-
manischer Herrschaft. Damit verbindet sich aber, was besonders wichtig ist für die Länder im
Donaugebiet und ihre nächsten nördlichen Nachbarn, ein vom Süden kommender Einfluß, und zwar
in dem Bronzezeitalter der durch Handel und Wandel vermittelte Einfluß der griechischen und etrus-
kischen Kunst und Kultur, in dem Eisenalter der gewaltige Einfluß der römischen Heere und Coloni
satoren. Für das Steinzeitalter (S. 18 — 82) hat Oesterreich noch überraschend wenig Funde ans
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