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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0235
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KLEINEKE AUFSÄTZE UND NOTIZEN. 231

zunächst auch eine weitere Kunde über die Verbindungen der Inselfriesen im Mittelalter erhellen; denn
auf den friesischen Inseln selbst, deren Einwohner bei ihrer ausschliesslichen Beschäftigung mit Acker-
bau und SchHffahrt eine einheimische Kunslthätigkeit nie geübt haben, wird der Ursprung des interessan-
ten Gusswerkes schwerlich zu suchen sein. A. v. Zahn.

2. Französische Miniaturen des XV. Jahrhunderts im Besitz des Herzogs von Aumale,
jetzt in England. — Bei weitem das Bedeutendste, welches dieser Herr seit dem Jahre 1854 erworben,
ist ein Gebetbuch von massigem Folio, auf starkem, aber sehr glattem Pergament in zwei Columnen in
sehr grosser Minuskel geschrieben, und mit sehr breitem Bande. Dasselbe ist, wie aus Wappen und
Bildniss erhellt, für den Herzog Jean de Berry, Bruder des Königs Carl V. von Frankreich, den eifrigsten
Beförderer der Miniaturmalerei, wofür er fürstliche Mittel aufwandte, ausgeführt worden, und (wie aus
der jedem Manuscript beigefügten Abschätzung abzunehmen) höchst wahrscheinlich dasjenige, welches in
einem im Jahre 1416, nach dem in diesem Jahre erfolgten Tode des Herzogs, verfassten Catalog, dessen
Urschrift auf Pergament in der Bibliothek der heiligen Genoveva in Paris befindlich ist, mit folgenden
Worten aufgeführt wird: „Tres grandes, tres belies et riches heitres, tres notablement illuminees et historiees
de grandes histoires de la main de Jaquevrarl, de Hodin et autres ouvriers de Monseigneur etc.," und von
dem es später heisst, dass es enthalten habe: „les heures de notre Dame, les sept psaumes, les heures de
la croix et du Saint Esprit, de la passion et du Saint Esprit encore, et l'ofßce des morts."*) Hiermit
stimmt nämlich sowohl die nicht allein alle sonst mir bekannten Manuscripte jenes Herzogs, sondern
alle mir aus jeuer Zeit vorgekommenen Manuscripte mit französischen Miniaturen übertreffende Schönheit
der ungewöhnlich grossen Miniaturen überein. als auch der Inhalt des Textes, den mir, auf meine Bitte,
S. K. II. der Herzog von Aumale eigenbändig mit der grösslen Genauigkeit gegeben hat.**) Es geht
aus diesem Verzeichniss hervor, dass in der Messe des heiligen Sacramenls, Bl. 188, ein Blatt fehlt.
Der Tod des Herzogs von Berry hat aber die Vollendung des künstlerischen Schmuckes, sowohl an Bil-
dern als an Bandverzierungen, unterbrochen, und bis auf das im Calender zum Monat. December gehörige
Bild, welches mir etwas früher zu sein scheint, ist derselbe erst in der zweiten Hälfte des XV. Jahrb.
durch einen Miniaturmaler aus der Schule, woraus das berühmte Gebetbuch der Anna von Bretagne her-
vorgegangen, beendigt worden. Die Forschungen des Herzogs, welche er mir freundlichst mitgelheilt,
geben darüber folgenden näheren Aulscbluss. Bonne de Berry, Tochter des Herzogs Jean de Berry,
hatte aus ihrer ersten Ehe mit Amadeus VII., Grafen von Savoyen, eine Tochter, Jeanne de Savoye,
welche im Jahre 1407 Johann Jacob Paleologus, Grafen von Aquasana, Sohn von Theodor Paleologus,
Marquis von Monierrat, heirathete. Da nun auf dem unteren Bande einer dieser späteren Miniaturen sieb
die Wappen von Montferral und Savoyen befinden, und ein Fürst und eine Fürstin auf dem Bande knieend
dargestellt sind, so erhellt, dass diese die Vollendung des künstlerischen Schmuckes des ihnen durch
Erbschaft zugekommenen Manuscripts veranlasst haben. Ja, es ist dem Herzog sogar gelungen, mit vieler
Wahrscheinlichkeit den Namen des Malers zu ermitteln, der diese späteren Miniaturen ausgeführt hat.
Lanzi erwähnt nämlich, dass ein französischer Maler Namens Nicolas Bobert vorkomme, welcher von
1473—1477 am herzoglichen Hofe von Savoyen beschäftigt worden sei. Dass jene Jeanne de Savoye
bereits 1460 gestorben, verschlägt hier nichts, da es rein zufällig sein kann, dass sich nur Erwähnungen
dieses Malers aus jener etwas späteren Zeit erhallen haben.

Nachdem ich so das betreffende Historische dieses kostbaren Denkmals, welches der Herzog in
Genua gekauft, besprochen, komme ich auf die künstlerische Beschreibung und Würdigung. Gleich zu

*) Bei Barrois (Bibliollieque protypographique) wird dieses Manuscript unter No. 586. p. 99 mir flüchtig be-
schrieben.

**) In meinem Buche, „Kunstwerke und Künstler in Paris", S. 339, bin ich irrig einer Vermuthung des Grafen
Auguste de Bastard gefolgt, welcher das Gebetbuch, Mss. latins, No. 919, in der kaiserlichen Bibliothek zu Paris für jenes
in dem alten Catalog in obiger Weise erwähnte halt. Namentlich passt der Ausdruck grandes histoires auf jenes, welches
nur kleinere Bilder enthält, ungleich weniger, als auf das obige, worin viele Bilder eine ganze Seite einnehmen. Wenn
der Text aber ungleich mehr, besonders kürzere Abschnitte, enthält, als in jenem Verzeichniss des alten Catalogs angegeben
worden, so ist dabei zu bedenken, dass bei der Aufnehmung eines Inventariums und bei einer Abschätzung man sich natür-
lich mit der Angabe der Hauptstücke, welche ausreichten, to identify the manuscript, begnügte. Auch die sehr hohe
Schätzung auf 4000 Livres tournois entspricht ungleich mehr dem Buch des Herzogs von A«MS*E, als jenem, an Kunst
ungleich weniger reichen im Louvre.
 
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