Abhandlungen.
Der Hausaltar des Königs Andreas III.
von Ungarn (1290 — 1301).
Lichtdruckdoppeltafel (Tafel VI).
m historischen Museum zu Bern wird
unter anderen kostbaren Beständen
eine mit Ringen verbundene Doppel-
tafel (Diptychon! verwahrt, welche
nach der seitherigen Annahme zu
jenen Beutestücken gerechnet wurde,
I-i, die nach der Niederlage Karl's des
Kühnen in der Schlacht von Granson
(1476) den Schweizern zufielen. Durch
die Arbeit1) meines Freundes Jak.
Stammler, Pfarrers der katho-
lischen Gemeinde zu Bern, ist neuer-
dings die Aufmerksamkeit auf dieses
Kleinod gelenkt worden. Den ein-
gehenden Untersuchungen Stamm-
ler's ist es zugleich zu verdanken,
dafs gegen die seitherige, irrthüm-
liche Annahme der Ursprung, wie
die Vorgeschichte des kostbaren Stückes fest-
gestellt wurde. Die Bedeutung des Stückes für
die Geschichte des Kunsthandwerkes, wie für
die liturgische Kunst des Mittelalters erschien
mir derart, dafs ich glaubte, dasselbe unseren
Lesern vorführen zu sollen. Bezüglich der ge-
schichtlichen Einzelheiten folge ich dabei den
Ausführungen von Stammler; in der Wür-
digung des Kleinods nach der kunsthandwerk-
lichen Seite und den daraus abgeleiteten Schluß-
folgerungen hinsichtlich seines Ursprungs gebe
ich dagegen meinen eigenen Anschauungen
Ausdruck. Auch schien mir die Zuweisung an
König Andreas 111. um defswillen vorzuziehen,
weil er nachweislich der ursprüngliche Besitzer
') Der sog. Feldaltar Karls des Kühnen von Bur-
gund im historischen Museum zu Bern eine alt-vene-
zianische AHartafel (Diptychon) aus dem Nachlasse der
Königin Agnes von Ungarn und ihr Werth für Kunst
und Geschichte. Von Jakob Stammler, mit 1 Abb. in
Lichtdruck. Sep.-Abdr. aus dem „Berner Taschenbuch"
188 Bern,Nydegger undBaumgart 1888. 232 S. kl.8°.
gewesen, und im Zusammenhang damit die Zeit-
stellung des Hausaltars sofort gekennzeichnet
ist, während bei der Benennung nach der Königin
Agnes erst eine Rückdatirung nothwendig wird
und leicht Irrungen darum sich ergeben können.
Es ist freundlichem Entgegenkommen von ver-
schiedenen Seiten zu danken, dafs hier eine
Abbildung in fast halber Gröfse geboten werden
kann, während die Originalausgabe eine viel
kleinere und ungenügende Wiedergabe enthält.
In erster Linie gilt nunmehr als erwiesen,
dafs die Doppeltafel nicht aus der Burgunder-
beute herrührt, sondern aus dem Kirchenschatze
des Klosters Königsfelden (Aargau), den die
Berner bei Einführung der Reformation sich
aneigneten. Dieses an der Stätte der Ermor-
dung des Königs Albrecht (f 1308) gegründete
Doppelkloster (Franziskaner und Klarissen) war
seinerseits in deren Besitz gelangt durch Schen-
kung der Königin-Wittwe Agnes, welche von
1316 an 48 Jahre in Zurückgezogenheit zu Kö-
nigsfelden bis zu ihrem Tode (1364) verbrachte.
Agnes, die Wittwe des Königs Andreas 111. von
Ungarn, galt für eine der reichsten Fürstinnen
ihrer Zeit. Unter dem grofsen Schatz von
Kleinodien, welchen sie der ihrer Familie so
theuren Stätte stiftungsweise zuwandte, befand
sich auch der fragliche Hausaltar. Wenn in den
Inventarien von Königsfelden von dem „goldenen
Tisch der Königin Agnes" die Redeist, so knüpft
sich diese mifsverständliche Bezeichnung offen-
bar an die Klappform des Stückes, das durch
die Feldertheilung im Innern an die Spiel-Bretter
oder Spiel-l'ische erinnerte, wie sie durch das
ganze Mittelalter gebräuchlich waren. Die Tafel
selbst weist durch ihre ganze Ausstattung wie
durch eine Reihe von Bezügen, welche in den
Bildern liegen, einestheils auf Zusammenhang
mit der ungarischen Königsfamilie, anderntheils
auf Venedig. König Andreas III. (1290—1301)
stand in derThat zur Lagunenstadt in den engsten
Beziehungen, so dafs er den Namen „der Vene-
zianer" führte. Seine Mutter 4'ommasina ent-
stammte nämlich dem reichen Geschlechte der
Der Hausaltar des Königs Andreas III.
von Ungarn (1290 — 1301).
Lichtdruckdoppeltafel (Tafel VI).
m historischen Museum zu Bern wird
unter anderen kostbaren Beständen
eine mit Ringen verbundene Doppel-
tafel (Diptychon! verwahrt, welche
nach der seitherigen Annahme zu
jenen Beutestücken gerechnet wurde,
I-i, die nach der Niederlage Karl's des
Kühnen in der Schlacht von Granson
(1476) den Schweizern zufielen. Durch
die Arbeit1) meines Freundes Jak.
Stammler, Pfarrers der katho-
lischen Gemeinde zu Bern, ist neuer-
dings die Aufmerksamkeit auf dieses
Kleinod gelenkt worden. Den ein-
gehenden Untersuchungen Stamm-
ler's ist es zugleich zu verdanken,
dafs gegen die seitherige, irrthüm-
liche Annahme der Ursprung, wie
die Vorgeschichte des kostbaren Stückes fest-
gestellt wurde. Die Bedeutung des Stückes für
die Geschichte des Kunsthandwerkes, wie für
die liturgische Kunst des Mittelalters erschien
mir derart, dafs ich glaubte, dasselbe unseren
Lesern vorführen zu sollen. Bezüglich der ge-
schichtlichen Einzelheiten folge ich dabei den
Ausführungen von Stammler; in der Wür-
digung des Kleinods nach der kunsthandwerk-
lichen Seite und den daraus abgeleiteten Schluß-
folgerungen hinsichtlich seines Ursprungs gebe
ich dagegen meinen eigenen Anschauungen
Ausdruck. Auch schien mir die Zuweisung an
König Andreas 111. um defswillen vorzuziehen,
weil er nachweislich der ursprüngliche Besitzer
') Der sog. Feldaltar Karls des Kühnen von Bur-
gund im historischen Museum zu Bern eine alt-vene-
zianische AHartafel (Diptychon) aus dem Nachlasse der
Königin Agnes von Ungarn und ihr Werth für Kunst
und Geschichte. Von Jakob Stammler, mit 1 Abb. in
Lichtdruck. Sep.-Abdr. aus dem „Berner Taschenbuch"
188 Bern,Nydegger undBaumgart 1888. 232 S. kl.8°.
gewesen, und im Zusammenhang damit die Zeit-
stellung des Hausaltars sofort gekennzeichnet
ist, während bei der Benennung nach der Königin
Agnes erst eine Rückdatirung nothwendig wird
und leicht Irrungen darum sich ergeben können.
Es ist freundlichem Entgegenkommen von ver-
schiedenen Seiten zu danken, dafs hier eine
Abbildung in fast halber Gröfse geboten werden
kann, während die Originalausgabe eine viel
kleinere und ungenügende Wiedergabe enthält.
In erster Linie gilt nunmehr als erwiesen,
dafs die Doppeltafel nicht aus der Burgunder-
beute herrührt, sondern aus dem Kirchenschatze
des Klosters Königsfelden (Aargau), den die
Berner bei Einführung der Reformation sich
aneigneten. Dieses an der Stätte der Ermor-
dung des Königs Albrecht (f 1308) gegründete
Doppelkloster (Franziskaner und Klarissen) war
seinerseits in deren Besitz gelangt durch Schen-
kung der Königin-Wittwe Agnes, welche von
1316 an 48 Jahre in Zurückgezogenheit zu Kö-
nigsfelden bis zu ihrem Tode (1364) verbrachte.
Agnes, die Wittwe des Königs Andreas 111. von
Ungarn, galt für eine der reichsten Fürstinnen
ihrer Zeit. Unter dem grofsen Schatz von
Kleinodien, welchen sie der ihrer Familie so
theuren Stätte stiftungsweise zuwandte, befand
sich auch der fragliche Hausaltar. Wenn in den
Inventarien von Königsfelden von dem „goldenen
Tisch der Königin Agnes" die Redeist, so knüpft
sich diese mifsverständliche Bezeichnung offen-
bar an die Klappform des Stückes, das durch
die Feldertheilung im Innern an die Spiel-Bretter
oder Spiel-l'ische erinnerte, wie sie durch das
ganze Mittelalter gebräuchlich waren. Die Tafel
selbst weist durch ihre ganze Ausstattung wie
durch eine Reihe von Bezügen, welche in den
Bildern liegen, einestheils auf Zusammenhang
mit der ungarischen Königsfamilie, anderntheils
auf Venedig. König Andreas III. (1290—1301)
stand in derThat zur Lagunenstadt in den engsten
Beziehungen, so dafs er den Namen „der Vene-
zianer" führte. Seine Mutter 4'ommasina ent-
stammte nämlich dem reichen Geschlechte der