93
1888.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.
94
Fügen wir hinzu, dafs der Holzkern der
Tafeln von aufsen mit rautenförmigen Silber-
blechen benagelt ist, in welche kreuzförmige
Muster mit eingerollten Enden in zierlicher
Weise eingeschlagen sind. Mit den so gestanzten
Silberblechen sind auch die Ränder der Innen-
seite bezogen. Die spielende Ornamentik dieser
Bekleidung stimmt mit den sonstigen Einzelheiten
nach ihrer technischen und stilistischen Be-
schaffenheit durchaus überein.
Dafs Schlufsergebnifs über Zeit und Herkunft
des kostbaren Werkes läfst sich dahin zusammen-
fassen, dafs es dem letzten Yiertel des 13. Jahrhun-
derts angehört und aller Wahrscheinlichkeit nach
in Venedig unter der Einwirkung jener Kunst-
anschauungen entstanden ist, welche durch die
engen Beziehungen zu den grichischen Kultur-
stätten begründet und durch hocherfahrene grie-
chische Künstler, Maler und Goldschmiede da-
selbst gepflegt wurden. Sind in der Reihe
der Heiligenbilder die Namen von Schutz- und
Lieblings-Heiligen der ungarischen Königsfamilie
wie der venezianischen und römischen Kirche
einbezogen, so macht sich darin der Wille des
Auftraggebers geltend, während im Ganzen
nur die' Ausdrucksweise griechischer Kunst
zur Geltung kommt. Der Ort der Herstellung
hat die Ausbildung des Kunstwerks zwar mehr-
fach beeinflufst, trotzdem wird man es weniger
als Erzeugnifs venezianischer Kunst, wohl aber
als das Werk griechischer Künstler in Venedig
zu bezeichnen haben.
Mainz.
Dr. Friedrich Schneider.
Verschollene Hirsvogelkrüge.
Mit Lichtdruck (Tafel VII).
nter den kunstgewerblichen Erzeug-
nissen früherer Jahrhunderte, welche
eine rückfluthende Bewegung auf
dem englischen Kunstmarkte während der letzten
10 Jahre im Anschlüsse an die Weltauktionen
Hamilton und Fountaine der deutschen Heimath
wieder zugeführt hat, ist insbesondere eine
Reihe buntglasirter Thonkrüge zu nennen, deren
einige fraglos auf den Namen Augustin Hirsvogel
angesprochen werden müssen und somit für die
Beurtheilung der Arbeiten seiner Nürnberger
Werkstätte wesentlich neue Richtpunkte dar-
bieten.
Wegen ihrer fremdartigen, an die damals
schon geschätzten Arbeiten der Robbias und
Bernard Palissys erinnernden Ausbildung und
Farbenpracht scheinen grade diese Töpferei-
erzeugnisse bei den brittischen Eroberungs-
zügen in der unbeachteten Kunstverlassenschaft
unserer Altvorderen zu Anfang dieses Jahr-
hunderts mit Vorliebe aufgekauft und dem Stein-
zeuge von Siegburg, Raeren und Nassau vor-
gezogen worden zu sein. Es hängt dies nicht
unwahrscheinlich mit dem durch die Wedge-
wood- und Mintonindustrie grade um die Wende
des Jahrhunderts besonders gepflegten Formen-
und Farbensinn des Engländers zusammen,
welche ihnen die glasirten Thongefäfse vor-
nehmlich Nümbergischen Ursprungs als Denk-
mäler einer damals in Deutschland gänzlich
untergegangenen Technik besonders begehrens-
werth erscheinen liefsen. Und wahrlich nicht
mit Unrecht. Denn diese, nach Art der etruski-
schen Vasen in verschiedenen über einander
geordneten Zierfeldern abgetheilten aber un-
gleich wirksamer als letztere statt konturirter
plastische Darstellungen aufweisenden und in
einem metallischen Farbenglanze schimmernden
Gefäfse mufsten bei ihrer Wiederauferstehung
am Morgen einer neuen Kulturperiode fast den-
selben eigenartigen bildnerischen Reiz ausüben,
wie in der ersteh Hälfte des sechszehnten Jahr-
hunderts, wo sich an ihnen der Name des
Meisters so ausdrücklich verewigte, dafs sein
Zeitgenosse, der Schreibmeister Johann Neu-
dörffer unter bewundernder Aufzählung der ver-
schiedenen Künste und Techniken, die jener
gepflegt, besondes hervorhebt, wie er von Ve-
nedig „viel Kunst in Hafners Werken" mit-
gebracht und „also welsche Oefen, Krug und
Bilder auf antiquitetische Art" gemacht habe,
als wären sie von Metall gössen". Da eben diese
Anführung des Chronisten die nächste Recht-
fertigung darbietet, wenigstens zwei der von
England zurückgekehrten Krüge als Arbeiten
Hirsvogels zu bezeichnen, so kann nicht un-
erörtert bleiben, dafs diese Stelle in der jüngst
erschienenen Monographie Augustin Hirsvogels
1888.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.
94
Fügen wir hinzu, dafs der Holzkern der
Tafeln von aufsen mit rautenförmigen Silber-
blechen benagelt ist, in welche kreuzförmige
Muster mit eingerollten Enden in zierlicher
Weise eingeschlagen sind. Mit den so gestanzten
Silberblechen sind auch die Ränder der Innen-
seite bezogen. Die spielende Ornamentik dieser
Bekleidung stimmt mit den sonstigen Einzelheiten
nach ihrer technischen und stilistischen Be-
schaffenheit durchaus überein.
Dafs Schlufsergebnifs über Zeit und Herkunft
des kostbaren Werkes läfst sich dahin zusammen-
fassen, dafs es dem letzten Yiertel des 13. Jahrhun-
derts angehört und aller Wahrscheinlichkeit nach
in Venedig unter der Einwirkung jener Kunst-
anschauungen entstanden ist, welche durch die
engen Beziehungen zu den grichischen Kultur-
stätten begründet und durch hocherfahrene grie-
chische Künstler, Maler und Goldschmiede da-
selbst gepflegt wurden. Sind in der Reihe
der Heiligenbilder die Namen von Schutz- und
Lieblings-Heiligen der ungarischen Königsfamilie
wie der venezianischen und römischen Kirche
einbezogen, so macht sich darin der Wille des
Auftraggebers geltend, während im Ganzen
nur die' Ausdrucksweise griechischer Kunst
zur Geltung kommt. Der Ort der Herstellung
hat die Ausbildung des Kunstwerks zwar mehr-
fach beeinflufst, trotzdem wird man es weniger
als Erzeugnifs venezianischer Kunst, wohl aber
als das Werk griechischer Künstler in Venedig
zu bezeichnen haben.
Mainz.
Dr. Friedrich Schneider.
Verschollene Hirsvogelkrüge.
Mit Lichtdruck (Tafel VII).
nter den kunstgewerblichen Erzeug-
nissen früherer Jahrhunderte, welche
eine rückfluthende Bewegung auf
dem englischen Kunstmarkte während der letzten
10 Jahre im Anschlüsse an die Weltauktionen
Hamilton und Fountaine der deutschen Heimath
wieder zugeführt hat, ist insbesondere eine
Reihe buntglasirter Thonkrüge zu nennen, deren
einige fraglos auf den Namen Augustin Hirsvogel
angesprochen werden müssen und somit für die
Beurtheilung der Arbeiten seiner Nürnberger
Werkstätte wesentlich neue Richtpunkte dar-
bieten.
Wegen ihrer fremdartigen, an die damals
schon geschätzten Arbeiten der Robbias und
Bernard Palissys erinnernden Ausbildung und
Farbenpracht scheinen grade diese Töpferei-
erzeugnisse bei den brittischen Eroberungs-
zügen in der unbeachteten Kunstverlassenschaft
unserer Altvorderen zu Anfang dieses Jahr-
hunderts mit Vorliebe aufgekauft und dem Stein-
zeuge von Siegburg, Raeren und Nassau vor-
gezogen worden zu sein. Es hängt dies nicht
unwahrscheinlich mit dem durch die Wedge-
wood- und Mintonindustrie grade um die Wende
des Jahrhunderts besonders gepflegten Formen-
und Farbensinn des Engländers zusammen,
welche ihnen die glasirten Thongefäfse vor-
nehmlich Nümbergischen Ursprungs als Denk-
mäler einer damals in Deutschland gänzlich
untergegangenen Technik besonders begehrens-
werth erscheinen liefsen. Und wahrlich nicht
mit Unrecht. Denn diese, nach Art der etruski-
schen Vasen in verschiedenen über einander
geordneten Zierfeldern abgetheilten aber un-
gleich wirksamer als letztere statt konturirter
plastische Darstellungen aufweisenden und in
einem metallischen Farbenglanze schimmernden
Gefäfse mufsten bei ihrer Wiederauferstehung
am Morgen einer neuen Kulturperiode fast den-
selben eigenartigen bildnerischen Reiz ausüben,
wie in der ersteh Hälfte des sechszehnten Jahr-
hunderts, wo sich an ihnen der Name des
Meisters so ausdrücklich verewigte, dafs sein
Zeitgenosse, der Schreibmeister Johann Neu-
dörffer unter bewundernder Aufzählung der ver-
schiedenen Künste und Techniken, die jener
gepflegt, besondes hervorhebt, wie er von Ve-
nedig „viel Kunst in Hafners Werken" mit-
gebracht und „also welsche Oefen, Krug und
Bilder auf antiquitetische Art" gemacht habe,
als wären sie von Metall gössen". Da eben diese
Anführung des Chronisten die nächste Recht-
fertigung darbietet, wenigstens zwei der von
England zurückgekehrten Krüge als Arbeiten
Hirsvogels zu bezeichnen, so kann nicht un-
erörtert bleiben, dafs diese Stelle in der jüngst
erschienenen Monographie Augustin Hirsvogels