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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Thewalt, Karl Ferdinand: Verschollene Hirsvogelkrüge
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0064

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95

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 3.

96

von Carl Friedrich1) eine ganz neue, jede der-
artige Zueignung ausschliefsende Auslegung
erfahren hat. Die wörtliche Anwendung des an-
geführten Ausspruches Neudörffers, auf die bis-
heran unter dem Namen von Hirsvogel etwas
sehr unterschiedslos ausgegebenen, glasirten
Thonkrüge hat den Verfasser jener sonst sehr
erschöpfenden und verdienstvollen Arbeit über
den Nürnberger Künstler so weit geführt, dafs
er unter Hinweis auf eine Anzahl mitveröffent-
lichter Modellzeichnungen für Goldschmiede-
werke, Thonvasen, Oefen u. s. w. demselben auch
die vornehmsten unter seinem Namen bekannten
Gefäfse, weil sie von jenen Zeichnungen ab-
weichen, aberkannt hat. — Um zu diesem Er-
gebnifs zu gelangen, wird zunächst ausgeführt,
wie die Stilrichtung des Meisters, welche Neu-
dörffer antiquitetisch nennt, nur aus diesen Vasen-
entwürfen zu bestimmen sei, von denen leider
ein ausgeführtes Vorbild bis jetzt nicht nach-
gewiesen worden. Es sei daher wahrscheinlich,
dafs die in den Entwürfen enthaltenen phan-
tastischen Vasen, weil überhaupt für keinen
Gebrauchszweck verwendbar, auch gar nicht als
Hohlgefäfsegefertigt, sondern nur gezeichnet
worden seien und zwar als Ziermodelle für die
Ofenkacheln. Demnach sei die betreffende Stelle
Neudörffers sinngemäfs zu lesen: Hirsvogel
machte welsche Oefen mit Krügen und
Bildern auf antiquitetische Art Um sich
nach dieser unerhörten Vergewaltigung eines ganz
unzweideutigen, zeitgenössischen Citates mit den
ihm unbequemen, aber nun doch einmal vom Erd-
boden nicht wegzuläugnenden Hirsvogelgefäfsen
abzufinden, geht der Verfasser schliefslich dazu
über, diese letzteren einestheils auf einen
sächsischen Töpfer, Martin Moller in Annaberg,
anderentheils auf den berühmten Ofenfertiger in
Villingen Hans Kraut (1532—1587) abzubürden,
nur um von Nürnberg die betreffenden Fabri-
kate wegzudrängen, ob auch noch so beredte
Nürnbergsche Attributionen auf denselben dort-
hin verweisen. Sogar die Einführung des Zinn-
emails als vorkommender Malgrund für die
leuchtende Glasur der Hirsvogelgefäfse wird un-
geachtet der hierfür in Deutschland festgelegten
Monumente: des Christushauptes im Königl.

') Augustin Hirsvogel als Töpfer, seine Ge-
fäfsentwürfe, Oefen- und Glasgemälde von Carl Fried-
rich, Bibliothekar am bayrischen Gewerbemuseum zu
Nürnberg. Nürnberg, Hofbuchdruckerei von Bieling-
Dietz 1885.

Sächsischen Alterthumsverein aus dem 14. Jahr-
hundert und eines durch die kunsthistorischen
Ausstellungen in Köln (1876) und Düsseldorf
(1880) bekannt gewordenen Trinkgefäfses in
Form einer frei modellirten, auf der Brust mit
einem vortretenden farbigen Wappenschilde
nebst Helmzier geschmückten Eule, welche unter
der durchweg weifsen blaugemusterten Glasur die
Jahreszahl 1540 trägt, weit über die um 1553 an-
genommene Lebensgrenze Hirsvogels hinaus in
die letzte Hälfte des Jahrhunderts zurückgewiesen,
lediglich um der Beweisführung gegen die durch
das Zinnemail erleichterte mehrfarbige Aus-
führung der Arbeiten des Meisters zu dienen.
Und dieser ganze Aufwand von spekulativer,
historischer und technologischer Begründung,
um eine schlichte Chronistenstelle mit einer, den
thatsächlichen Ueberlieferungen widersprechen-
den, modernen Auffassung der Wirksamkeit des
Meisters in Einklang zu bringen, welche darin
gipfelt, dafs ein grünglasirter Kachelofen auf
der Nürnberger Burg — nebenbei in dekora-
tiver Beziehung der interesseloseste der dort
vorhandenen mit einer sich stets wiederholen-
den grofsen Vasenkachel und zwei ewig ange-
wandten Lisenen — wegen der Verwandtschaft
seiner Zierfelder mit den „antiquitetischen" Mo-
tiven der Zeichnungen und wegen seiner an
Metallgufs erinnernden scharfen Auspressung
auf Augustin Hirsvogel selbst zurückzuführen
sei, dafs der letztere selbstständige Gefäfse aber
nie gemacht habe und es eine Erniedrigung
seines Genies wäre, wenn man ihm die Erfin-
dung der buntglasirten deutschen Töpferwaare
zuschreibe. Es ist die höchste Zeit dieser rein
philologischen, der Universalität des Dürerschen
Zeitgenossen zu nahe tretenden Anschauung zu
widersprechen und den Bericht des Schreib-
meisters Neudörffers in ungekünstelter Weise
aus seinem damaligen Gesichtskreise zu uns reden
zu lassen; der vorerwähnte englische Import ver-
schollener Hirsvogelwerke bildet die günstigste
Veranlassung dazu. Was trieb denn wohl den
von den Wunderwerken der Glasmalerei, des
Zirkels und der Perspektive, der Wappenstein-
schneide-, Gamalir- und Kupferstecher-Kunst
Aug. Hirsvogels hochbegeisterten Biographen
dazu, so ganz besonders von der aus Italien
mitgebrachten Kunst in Hafners Werken von
dessen „welschen Oefen, Krügen und Bildern
auf antiquitetische Art und wie von Metall
gössen" Erwähnung zu thun, was anders, als
 
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