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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Schnütgen, Alexander: Besticktes Antependium, rheinisch, erste Hälfte XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0079

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123

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

124

Abhandlungen.

Besticktes Antependium, rheinisch
erste Hälfte XIV. Jahrhunderts.

Mit Lichtdruck (Tafel VIII).

(nter den vielen hervorragenden kirch-
lichen Kunststickereien der Vergan-
genheit, die auf der Ausstellung
in. Crefeld vom 11. Oktober bis
24. November 1887 vereinigt waren, ragte
durch edle Zeichnung und vornehme Technik
ganz besonders hervor das Antependium aus
Kloster Kamp bei Aldekerk. Bock hatte
dasselbe in seiner Geschichte der liturgischen
Gewänder III. Bd. S. 65 durch eine kurze Be-
schreibung und auf Tafel IX durch eine etwas
mangelhafte Abbildung des Mittelfeldes in die
Kunstgeschichte eingeführt. Im Uebrigen scheint
es, an einem kleinen entlegenen Orte aufbewahrt,
unbekannt geblieben zu sein, bis die Crefelder
Ausstellung es einem grofsen Kreise von Inter-
essenten vorstellte. Damit diese Vorstellung eine
mehr als vorübergehende Bedeutung habe, liefs
ich es durch den Hofphotographen Anselm
Schmitz von Köln sowohl in seiner ganzen Aus-
dehnung, wie in einigen seiner Figuren (21 cm
hoch) abbilden. Dieser Abbildung ist die hier
beigelegte, trotz des kleinen Mafsstabes sehr
deutliche Tafel entnommen, an die ich eine
ästhetische, ikonographische und tech-
nische Beschreibung anknüpfe, in der Hoff-
nung, dafs es später gelingen wird, den kunst-
geschichtlich hochbedeutsamen und für die Nach-
ahmung höchst mustergültigen Gegenstand in
grofsen Dimensionen zu veröffentlichen, wie er
es verdient.

Es handelt sich um einen 85 cm hohen,
260 cm breiten (also zweifellos für den Hoch-
altar bestimmten) auf einem hölzernen Rahmen
aufgespannten Altarvorsatz von grünem
plüschartigem Sammet, der mit sieben spitz-
bogigen Arkaden bestickt, unter denen je zwei
ebenfalls gestickte schlanke Figürchen stehen.
DieseFigürchen haben eine Höhe von 27—28 cm;
die einzelnen Arkaturen eine Breite von 361/,; cm,
eine Scheitelhöhe von 44'/2 cm, bis zur Spitze der
sie bekrönenden Kreuzblume von 63 cm. Der
Charakter der überaus dünnen und durchsichtigen
dekorativen Architektur mit ihrem strengen früh-
gothischen Maiswerk weisen auf die erste

Hälfte des XIV. Jahrhunderts hin und die
überaus edel bewegten schlanken Figuren mit
ihren lieblichen Köpfen, zarten Fingern und
so anmuthig wie streng drapirten Gewändern
bestätigen aufs genaueste diese Zeitbestimmung,
indem sie noch die um diese Zeit auf dem Ge-
biete der Wand-, Miniatur- und Tafelmalerei
sehr produktive Kölnische Schule mit ihrem
wunderbaren Ernste und mit ihrer so lieblichen
Milde verrathen. Mit dieser Meisterschule fehlte
ja dem Kloster Kamp am allerwenigsten die
Verbindung, weil es in Köln eine Niederlassung
hatte, den sogen. Kamper-Hof in der Johannis-
strafse, der im Fortschritte der Civilisation
Schlachthaus geworden war und als solches vor
13 bis 14 Jahren praktischen Rücksichten geopfert
worden ist mit Einschlufs der bis dahin wohl-
erhaltenen Kapelle aus der Uebergangsperiode
(vergl. in Bock „Rheinlands Baudenkmale des
Mittelalters" die Beschreibung derselben von
A. Reichensperger).

Die Franse, die das Antependium jetzt unten
abschliefst, stammt erst aus dem Beginn des
XVII. Jahrhunderts, mit dem die Unsitte auf-
kam, die Altarbehänge nicht mehr in freiem
Faltenwurf von der Altarplatte herunterhängen,
sondern ganz flach und faltenlos auf einen
Rahmen gespannt vor dem Altartische sich aus-
breiten zu lassen. Die aus sich durchschneiden-
den Kreisen gebildete Mafswerkborte aber, die
gleich oberhalb der Franse beginnt, beruht auf
ursprünglicher Anlage. Sie wird von den Sockeln
der acht schmalen Pfeiler unterbrochen, die sich
auf der Kapitellhöhe zu Fialen ausbilden, um in
langgezogenen krabbenbesetzten Pyramidenriesen
zu den ebenso dekorativ behandelten Kreuz-
blumen sich zu entfalten. Noch wirkungsvoller
sind die mächtigen Kreuzblumen, die bis zu
derselben Höhe aus den breiten und daher ge-
brochenen Spitzbogen herauswachsen, die zur
Steigerung ihrer dekorativen Wirkung zu einer
Art von Eselsrücken sich ausbilden. Feines
dünnes nasengebildetes Mafswerk füllt sie nach
Innen, mächtige Giebelblumen garniren sie nach
Aufsen, und die Vierpafs - Galerie, die sich
dahinter und die Arkaturbrüstung, die sich dar-
über ausbreitet, geben der ganzen lettnernartigen
Anlage (die zugleich vorzügliches Muster für eine
leichte eiserne Chorschranke sein würde) einen
 
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