Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Reliquienschreinchen mit filigran- und steinverzierter Metallumkleidung, französisch um 1200
DOI Artikel:
Kleinere Beiträge und Nachrichten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0089

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
141

1888. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

142

Umrandung waren zunächst auf die sechs Tafeln
in einer das Auge befriedigenden Disposition
zu vertheilen und um sie herum hatten sich
alsdann die einzelnen Rankenzüge zu entfalten,
jenen eine Art von Mittelpunkt bietend und
sich selbst zu gefälligen Arabesken ausspinnend.
Die Stellen, an denen diese abzweigen, bedeckt
und markirt ein Querband; eine Perle bildet
den Ausläufer jedes Zweiges. Steine, Bänder
und Perlen, endlich die Köpfe der Nägel, mit
denen die Platten auf dem Holzkerne befestigt
sind, vereinigen sich zu die Ranken unter-
brechenden und belebenden Punkten.

Mit ganz einfachen Mitteln ist hier also
eine vorzügliche Wirkung erreicht, so vorzüg-
lich, dafs diese Technik: Verbindung von
kräftigen Filigran- und Steinverzierungen, aufs
angelegentlichste empfohlen zu werden verdient
für ähnliche Ausstattungszwecke, also für Re-
liquienkästchen, für feierliche liturgische Buch-
einbände, für Reliquientafeln, Tabernakelthür-
chen u. s. w., aber auch für gröfsere kirchliche
Gegenstände als Schreine, Antependien u. dergl.
Die Steine bezw. Glasflüsse sind ja ein sehr
wohlfeiler Schmuck und die Filigrantechnik
setzt nur ein gewisses Gefühl für selbstständige
Linienführung und eine durch Uebung leicht zu
gewinnende technische Fertigkeit voraus, also
zwei Eigenschaften, die auch von minder begabten
Goldschmieden durch Fleifs zu erwerben sind.

Kehren wir zu unserem Schreinchen zurück,
um auch dessen übrige Ausstattung noch kurz
zu beschreiben. Sie besteht in einer gestanzten
romanischen Palmetten-Borte, die den Sockel
wie den Abschlufs desselben bildet, hier mit
der Spitze nach unten, dort nach oben gerichtet.
Ganz abgesehen von den Verletzungen und
Verdrückungen, welche das dünne geprefste
Silberband im Laufe der Zeit erfahren hat, war
dasselbe schon ursprünglich nicht gerade ge-
eignet, in korrekter Gliederung diese Archi-

tekturtheile zu schmücken, zu deren Ausstattung
das Mittelalter solche auf mechanischer Verviel-
fältigung beruhenden Bänder im Interesse der
Einfachheit und Billigkeit mit Vorliebe gebrauchte.
Einen Beleg dafür bildet auch die gestanzte spät-
romanische Borte aus vergoldetem Kupfer, die den
Dachfirst unseres Schreinchens bedeckt, und noch
mehr die geprefste vergoldete Silberplatte, welche
je die seitliche Dachschräge schmückt. Sie
besteht in dem Brustbilde eines Engels, welcher
von einem Halbkreise in Blattornament einge-
fafst ist als Theil eines fortlaufenden Arkatur-
Bandes. Der Engel trägt in der Linken ein
Jagdhorn, in der Rechten eine Art von Scepter;
der Kopf ist edel geformt, das Lockenhaar gut
modellirt, die Flügel haben einen sehr ge-
schickten Schwung, die antikisirenden Gewand-
stücke eine flotte Behandlung, lauter Eigen-
thümlichkeiten, die auf französischen Ursprung
um die Wende vom XII. zum XIII. Jahrhundert
hinweisen. Diese Art, abgeschnittene, daher
unorganisch gestaltete Bortenfragmente, sogar
solche mit figuralen Verzierungen, als Beklei-
dungsstücke zu verwenden, entspricht gewifs
den höchsten Anforderungen nicht, die man an
die Ausstattung stellen mufs, aber Angesichts
ihrer Wohlfeilheit und guten Wirkung werden
sie nicht nur nicht /.u beanstanden sein, sondern
sogar Nachahmung verdienen.

Erwähnen wir zum Schlüsse noch, da's der
Deckel sich in drei Charnieren öffnet und dafs
in einem Deckelcharnier der Vorderseite ein in
einen Drachenkopf auslaufender Bügel sich mit
dem Schlofse verbindet, welches ursprünglich
seiner Umgebung sich befriedigender als jetzt
eingegliedert haben wird. Der Umstand, dafs
das Schreinchen jetzt dauernd an Köln gebun-
den ist, wird den Goldschmieden wohl noch
öfters Gelegenheit geben, es eingehender zu
prüfen und die dankbaren Winke, die es bietet,
zu benutzen. Sehn tilgen.

Kleinere Beiträge.

Ein Schnitzwerk von Veit Stofs.

Mit Abbildung.
In den ehemaligen Klosterräumlichkeiten von
Ensdorf im Vilsthale fand man vor nicht langer
Zeit ein Schnitzwerk, das den Kenner mittel-
alterlicher Kunst sofort an Veit Stofs denken
liefs. Die Meinung, dafs der Nürnberger Künstler

der Meister des Hochreliefs sei, wird durch ein
altes Inventar des Klosters bestätigt.

Das Bildwerk hatte durch nachlässige Auf-
bewahrung und durch Wurmfrafs sehr gelitten;
doch konnte es gut restaurirt und nach den
ursprünglichen Farben neu polychromirt werden.
Es wurde dann an der inneren Südseite der
 
Annotationen