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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Schnütgen, Alexander: Reliquienschreinchen mit filigran- und steinverzierter Metallumkleidung, französisch um 1200
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0088

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139

1888. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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vorgingen, in den Fabriken von Limoges aber
auf massenhafter Produktion beruhten und daher
ein mehr schablonenhaftes Gepräge gewannen,
sowohl in Bezug auf die Anordnung der Figuren
wie des Ornamentes. Aus diesem fabrikmäfsigen
Betriebe, der auch auf den Export berechnet
war, haben sich überaus zahlreiche Exemplare
erhalten, die aber verhältnifsmäfsig zu wenig Ab-
wechselung bieten, als dafs Alter und Technik
zu entsprechender Geltung kämen.

Um so mehr Beachtung verdienen aber
diejenigen Schreinchen dieser Epoche, die in
der Art ihrer Verzierung eine eigenartige Stel-
lung einnehmen. Eine solche darf das hier
abgebildete Reliquiar beanspruchen, welches
vor Kurzem mit dem im vorigen Hefte dieser
Zeitschrift
behandel-
ten Reli-
quien-
Brustbilde
der Samm-
lung des
Freiherrn
Albert von
Oppen-
heim ein-
verleibt
wurde.
Dasselbe
hat eine
Breite von

21 cm,
eine Höhe

von i5 cm, eine Tiefe von 9 cm., ist aus
Holz gezimmert und mit vergoldeten Silber-
platten umkleidet. Der Schmuck dieser Platten
ist sehr einfach, aber sehr eigenartig und
in ornamentaler wie in technischer Hinsicht
sehr bemerkenswerth. Das Wesen desselben
bilden Filigranranken von aufsergewöhnlich
starken Fäden und grofsen Windungen. Sie
bestehen in nicht minder ungewöhnlicher
Verbindung aus einem gekörnten und aus
einem glatten Silberfaden in engster Ver-
löthung, insoweit es sich um die Haupt-
rankenzüge handelt, die dadurch stärker markirt
werden sollten, und aus einem einfachen ge-
kerbten Faden für die abzweigenden Nebenzüge.
Sie sind sämmtlich mit der Zange aus freier
Hand gewunden und durch Auflöthung auf der
Silbertafel befestigt. Dafs ihnen keine eigent-

liche Zeichnung zu Grunde liegt, sondern nur
der momentan wirksame Erfindungs- und An-
ordnungssinn des höchst geschickten und phan-
tasiereichen Filigranisten, beweisen die zahllosen
kleinen Unregelmäfsigkeiten, vielmehr Freiheiten,
die das Kennzeichen der spontan schaffenden
Handfertigkeit sind. Diese ergibt sich auch
sofort aus der spielenden Mannigfaltigkeit,
welche die sechs einzelnen Tafeln beherrscht,
die beiden breiteren auf der Vorder- und Rück-
seite, die beiden engeren auf den Schmalseiten,
die beiden trapezförmigen auf dem Satteldach.
Nur auf der Vorderseite ist eine gewisse Sym-
metrie in den Ornamenten erkennbar, indem
das Schlofs den Ausgangspunkt von zwei im
Einzelnen wiederum sehr mannigfachen Ranken

bildet. Alle
übrigen

Tafeln sind
in ganz
genialer

Verschie-
denheit

behandelt

und zwar

nicht nur

im Kleinen,

sondern

auch im

Grofsen,
indem hier

mehr die
horizontale,

dort mehr
die vertikale Richtung als Haupteintheilungs-
prinzip beobachtet wurde. Dafs die Wirkung
trotzdem eine so einheitliche und befriedigende
ist, verdient um so mehr Anerkennung, als die
Flächen, die dem Künstler zur Verfügung
standen, den schweren Fäden und grofsen
Windungen gegenüber ungemein begrenzte
waren und die achtunddreifsig in der Gröfse
ganz verschiedenen Steine, die zur Verwendung
gelangen sollten, die Beschränkung noch wesent-
lich erhöhten. Sie bestehen in zwei antiken
römischen Kameen, unter denen die auf der
Vorderseite befindliche von künstlerischem
Werthe, in elf Gemmen, unter denen einige
von mehr wie gewöhnlicher B.edeutung, und
übrigens in mittelalterlichen Cabochons und
in späteren Steinen oder Glasflüssen. Ihre
ursprünglichen Kastenfassungen mit gekörnter
 
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