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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Effmann, Wilhelm: Romanische Reste am Mittelbau des Klosters zu Boedingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0169

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1888. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

282

Romanische Reste am Mittelbau des Klosters zu Boedingen.

Mit Abbildung.

Jahrhunderte hindurch haben bekannt-
|[ lieh die römischen Prachtbauten das
jr Material liefern müssen, aus welchem
Sl das Christenthum, nachdem es über
|> das Heidenthum den Sieg errungen,
fl seine Kirchen baute. Durch Schön-
heit und Werth hervorragende Stücke
haben sogar ihren Weg über die
Alpen genommen: noch jetzt stehen
die Marmorsäulen aufrecht, welche
Karl d. Gr. aus Italien herbeischaffen
liefs, um seine Palastkapelle in Aachen
zu zieren.

Auch in späteren Zeiten finden
! sich in neueren Bauten nicht selten
ältere Reste verwendet: der Fall
aber, dafs eine ganze Facade im Or-
nament und in den Gliederungen des Auf-
baus aus solchen Bauresten hergestellt wird,
welche einer längst entschwundenen Bauweise
angehören, und diese im Rahmen der herrschen-
den Kunstrichtung zur planeinheitlichen Ver-
wendung gelangen, dürfte zu den seltenen Aus-
nahmen gehören.

Ein merkwürdiges Beispiel dieser Art ist
uns erhalten in dem Mittelbau des Klosters zu
Boedingen.

Boedingen, auf dem rechten Ufer der Sieg,
gegenüber der mit ihren mächtigen Ruinen
sich malerisch präsentirenden alten Bergfestung
Blankenberg, führt seine Entstehung auf das
XIV. Jahrhundert zurück: im April des Jahres
1397 wurde dort mit dem Bau einer Kirche
begonnen, welche einem hierher übergeführten
Muttergottesbilde eine würdige Stätte und den
von Nah und Fern herbeiströmenden Pilgern
Raum gewähren sollte. Im Jahre 1408 war sie
vollendet1). Die Bedeutung des Wallfahrtsortes
nahm nun bald in einem solchen Mafse zu,
dafs die 4 oder 5 bei der Kirche angestellten
Priester nicht mehr ausreichten, um den Gottes-
dienst zu versehen und die geistlichen Bedürf-

Die Initiale J entstammt dem Seite 175 dieser Zeit-
schrift besprochenen Psalterium. Mafsstab der Ab-
bildung: halbe natürliche Gröfse.

]) Wir gedenken diese interessante Kirche dem-
nächst in dieser Zeitschrift zur Veröffentlichung zu
bringen.

nisse der Pilgerschaaren zu befriedigen. Dies
bewog den Landesherrn, den Herzog Adolf
von Jülich-Berg, bei der Kirche ein Ordenshaus
regulirter Chorherren zu errichten. Der Plan
erhielt die Genehmigung des Papstes Martin V.
und des Erzbischofs von Köln, Dietrich von
Moers, und am 27. Juni 1424 zogen die ersten
vier Klostergeistlichen, vom Prior der Augustiner-
Kongregation zu Windesheim im Stifte Uetrecht
entsandt, in Boedingen ein und gründeten dort
die Kanonie regulirter Chorherren nach der
Regel des hl. Augustinus. Ihre Zahl vermehrte
sich schnell: sie betrug späterhin gewöhnlich 13,
ausnahmsweise auch 15 und mehr; aufserdem
hatte das Kloster auch viele Laienbrüder.8)

Von den ursprünglichen Klostergebäuden ist
nichts auf unsere Zeit gekommen: sie sind den
durchgreifenden Umbauten, welche am Ende des
XVII. und Anfang des XVIII. Jahrhunderts vor-
genommen worden sind, zum Opfer gefallen.3)
Dieser Bauperiode gehört auch die Facade an,
welche wir hier zur Abbildung bringen.

Sto SaLVatorl Matrls patlentls honorl,
HIs perVersa rVant, fLorlDa LVstra fLVant,
so lautet die Inschrift über dem Eingange.
Nach diesem Chronogramm ist somit 1732
das Jahr der Erbauung. Um einen Anhalt für
die Abmessungen zu gewinnen, sei bemerkt,
dafs die Gesammtlänge der Facade 12,45 m be-
trägt. Die Abbildung macht eine eingehende
Beschreibung überflüssig: was aber das besondere
Interesse erregen mufs, ist die Wahrnehmung,
dafs alle Details, welche die Facade aufweist,
die Säulen, die Basen mit ihren Eckblättern,
die Kapitale und Gesimse, die Formgebung
der Blüthezeit der romanischen Kunst zeigen
und unzweifelhaft der Zeit nach der Mitte des
XII. Jahrhunderts ihre Entstehung verdanken,

2) In den geschichtlichen Daten sind wir gefolgt:
C. Cremer „Die Wallfahrt zur schmerzhaften Mutter
in Boedingen nebst kurzer Geschichte des Gnadenortes
Boedingen". In den Händen des vor Kurzem ver-
storbenen Herrn Pfarrers Cremer lag auch die Be-
arbeitung des Dekanates Siegburg für das Dumont'sche
Werk. Seinen persönlichen Mittheilungen verdanken
wir die unten folgenden Angaben über die Kirchen
von Dondorf und Warth.

8) Die Neubauten enthalten die Jahreszahlen 1677,
1092 und 1732.
 
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