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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Effmann, Wilhelm: Romanische Reste am Mittelbau des Klosters zu Boedingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0170

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283

1888. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 8.

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hier aber in einem Aufbau verwendet sind, der
in seinem ganzen Gepräge seine Entstehung
im Beginn des vorigen Jahrhunderts nicht ver-
leugnet.

Die gleiche Eigenthümlichkeit zeigen mehrere
in der Nähe der Kirche aufgestellte, derselben
Zeit angehörige Heiligen-Häuschen; auch hier
bewegt sich der Aufbau in den Formen des
vorigen Jahrhunderts; das Detail aber zeigt nur
gut romanische Formen: aufser den Säulen,
Kapitalen, Basen und Profilen kommt bei dem
einen auch noch ein edel gehaltenes Palmetten-
Ornament vor.

Fragt man nach dem Grunde dieser auf-
fallenden Erscheinung, so gibt es dafür nur die
eine Antwort, dafs die hier ausschliefslich zur
Verwendung ge-
brachten roma-
nischen Zierglie-
der einem zum
Abbruch gekom-
menen kirch-
lichen Bauwerke
angehören. Nicht
mit derselben Si-
cherheit ist die
Frage zu beant-
worten, welches
Bauwerk hierbei

in Betracht
kommt. Dafs jene
Reste von einer

in Boedingen
selbst belegenen und etwa bei Erbauung der
jetzigen Kirche oder später zum Abbruch ge-
kommenen Kirche herstammen, ist nicht an-
zunehmen: wenigstens deutet keine Nachricht
darauf hin, dafs hier vor Erbauung der jetzigen
Kirche bereits eine andere gestanden habe;
jedenfalls hat dieselbe keine solche Bedeutung
gehabt, wie ihr nach Mafsgabe der hier zur Ver-
wendung gebrachten Reste zuerkannt werden
müfste. Unter diesen Umständen hat die Muth-
mafsung des genannten Herrn Pfarrer Cremer,
dafs dieselben von der ehemaligen Kirche zu
Dondorf (in der Pfarre Geistingen) stammen, die
gröfste Wahrscheinlichkeit für sich. Diese Kirche
wurde von dem Landesherrn auf seinem Hofgut
Dondorf (Dorindorp), welches im Jahre 1064 zu-
erst urkundlich erscheint, erbaut.1) Das Jahr der
Erbauung läfst sich zwar nicht genau angeben,

allein verschiedene Urkunden aus dem Ende
des XII. Jahrhunderts (1173, 1181)-bekunden,
dafs um diese Zeit die Kirche bestand. In einer
Urkunde vom Jahre 1398 heifst es „Geistingen
mit der Kapelle zu Dondorf". Im Jahre 1513
wurde sie dem Kloster Boedingen inkorporirt.
Im Jahre 1690 erhob das Kloster Klage gegen
den Schultheifsen von Geistingen, weil derselbe
unbefugter Weise den Abbruch der überaus bau-
fälligen und zum Theil schon zerstörten Kirche
zu Dondorf veranlafst und die aus dem Ab-
bruch gewonnenen Materialien zum Bau der
Kapelle in Warth2) verwendet habe. Der Schul t-
heifs wurde verurtheilt, dem Kloster den Werth
der bereits verwendeten Materialien zu ersetzen
und die noch nicht verwendeten demselben

auszuliefern. Auf
diese Weise kam
Boedingen in
den Besitz roma-
nischer Reste. Es
kann deshalb, da
die beim Kloster-
bau zu Boedin-
gen verwendeten
Stücke in ihrer
Formgebung der
Erbauungszeit
der Dondorfer
Kirche entspre-
chen, und auch
der Abbruch die-
ser Kirche zeit-
lich zusammenfällt mit der Errichtung der noch
jetzt vorhandenen Klostergebäude in Boedingen,
keinem erheblichen Zweifel unterliegen, dafs die
hier zur Verwendung gebrachten romanischen
Zierstücke der Kirche von Dondorf entstammen.
Zu einem Schlüsse auf die Gestaltung dieser
Kirche reichen dieselben nicht aus: sie beweisen
indefs, dafs die Kirche in Dondorf in den besten
Formen des romanischen Stiles und mit nicht
geringem Reichthum ausgeführt war.

Münster. W. Effmann.

') Das Hauptgut zu Dondorf war ein fränkischer
Königshof, das später immer Eigenthum des Landes-
herren blieb. Mit einigen liegenden Ortschaften bildete
Dondorf ein eigenes Kirchspiel (Kirspel „Eigen" d. h.
Hof gut gen.) mit einem Rektor; auch befand sich dort
ein Kirchhof unh hatte es ein eigenes Hofesgericht,

2) Auch diese Kirche zeigt die Verwendung roma-
nischer Formen.
 
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