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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Schnütgen, Alexander: Besticktes Antependium, rheinisch, erste Hälfte XIV. Jahrhunderts
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Beissel, Stephan: Die Darstellung der Taufe und der Kreuzigung Christi in einer Handschrift des Trierer Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0084

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131

18S8.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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nachahmungswürdig ist. Uebrigens hat ja auch
alles vorbildliche Material im Allgemeinen nur
den Werth des Lehrmittels und, seltene Fälle
ausgenommen, nicht den der unmittelbaren Vor-
lage. Dasselbe mit unermüdlicher Sorgfalt zu
studiren in seinen grofsen Zügen wie in seinen
kleinen Details, sich mit den Grundsätzen, die
es beherrschen, vertraut zu machen, den Formen-
sinn und die Stilgesetze, die ihm zu Grunde
liegen, in sich aufzunehmen und aus deren
Vollbesitz selbstständig zu schaffen wird das
beständige Streben derjenigen sein müssen, die

auf diesem Gebiete etwas Tüchtiges leisten wollen
von bleibendem Werthe. Gerade die Schöpfungen
der frühgothischen Periode, denen auf dem Ge-
biete der Architektur schon längst auch in der
Nachahmung die Würdigung zu Theil geworden,
empfehlen sich auch für die dekorativen Künste
in allererster Linie wegen ihrer Einfachheit,
Strenge und Erhabenheit. Mögen sie immer
mehr Beachtung finden und möge auch das
vorliegende Antependium ihnen neue Freunde

gewinnen!

Schnütgen.

Die Darstellung der Taufe
und der Kreuzigung Christi in einer Handschrift des Trierer Domes.

Mit zwei Abbildungen.

iele Kunstwerke des Mittelalters
stofsen den an die weichen Linien
der modernen Kunst gewohnten
Geschmack auf den ersten Blick ab.
So mag auch das Auge in den beiden in zinko-
graphischer Nachbildung Spalten 133 u. 134
gebotenen Miniaturen anfangs wenig Anzie-
hendes finden. Der Eindruck würde ein besserer
geworden sein, wenn es möglich gewesen wäre,
die Darstellungen in den Farben des Originals
zu geben. Indessen würde man sie auch so
nicht als Muster haben aufstellen können. Auf
eine farbige Wiedergabe durfte um so eher
verzichtet werden, weil der eigentliche Werth
dieser Malereien weder in der Zeichnung noch
in der Farbengebung, sondern im Inhalt liegt.
Dieser innere Gehalt hat die Veröffentlichung
veranlafst; er wird mittelst der gebotenen Ab-
bildungen in genügender Art klar zu stellen sein.
Anscheinend bieten die Bilder nur zwei
allbekannte Darstellungen und doch liefern sie
einen neuen Beweis für den Ideenreichthum
des XII. und XIII. Jahrhunderts, ja sie sind
Schöpfungen, welche in erneuerter, wenn man
will, in verbesserter Gestalt den Bedürfhissen
der Gegenwart vollständig entsprechen könnten.
Wer hörte unsere Meister nicht klagen,
wenn sie die allbekannten Thatsachen der
biblischen Geschichte in neuer Art darzustellen
versuchten. Der Versuch hat seinen Reiz; denn
es liegt dem wahren Künstler am Herzen, den
alten, lange bekannten Stoffen neue Seiten abzu-
gewinnen, damit die ihnen innewohnende Kraft
nach Aufsen hin bethätigt werde. Gerade dafür

aber ist es nicht nöthig, Neues zu erfinden, was
oft auf gefährliche Abwege führt. In den altern
Miniaturen liegen oft die trefflichsten Wegweiser.

Die beiden jetzt zu besprechenden Bilder
gehören zu dem Werthvollsten, was sich in
dieser Hinsicht auffinden läfst. Sie sind dem
Kodex N. 142, A. 124 des Trierer Domes ent-
nommen. Die genannte Handschrift enthält
die vier Evangelien, stammt wohl aus Paderborn
und kam im Anfange dieses Jahrhunderts durch
den Kanonikus Christoph, Graf von Kesselstatt,
nach Trier. Sie wird um 1200 geschrieben
sein und enthält aufser den Bildern der Evan-
gelisten und figurirten Initialen vier Miniaturen
je eine zu jedem Evangelium.

I. Auf dem ersten Folioblatt hat der Maler
den Stammbaum Christi gesetzt, weil der Text
des ersten Evangeliums mit diesem Stamm-
baume beginnt. Unten steht der Prophet Isaias,
betend erhebt er seine Arme. Sein Spruchband
sagt: Egredietur virga de radice Jesse. „Ein
Reis wird aufsteigen aus Jesse's Wurzel." (Js. 11,1)
Ueber ihm wächst ein Rankenwerk empor, das
sieben Medaillons enthält, drei in der Mitte
und je zwei an den Seiten. Im untern des
mittlem Stammes und in den vier seitlichen
sieht man königliche Ahnen der allerseligsten
Jungfrau mit Kronen und Sceptern, im zweiten
des Stammes die Gottesmutter selbst, im dritten,
höchsten Christum, den verheifsenen Messias.
Um den sein Bild einschliefsenden Rand des
Medaillons schweben sieben Tauben.

In den vier Ecken der Miniatur sind Brust-
bilder von Propheten auf Goldgrund gemalt.


 
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