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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Schnütgen, Alexander: Besticktes Antependium, rheinisch, erste Hälfte XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0083

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129

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr.

130

regelmäfsig, horizontal aneinandergefügt, um
durch lasurartig übergestickte Seidenfäden ihre
Linien und Schatten, also ihre Gliederung zu
erhalten, sondern innerhalb der einzelnen Haupt-
konturen, diesen entsprechend, geordnet, wo-
durch diese Gewandparthien die reizende Wir-
kung einer sanften Modellirung gewinnen. Diese
setzt natürlich sehr bestimmte Konturen voraus,
die in schwarzen kordelartigen Seidenfäden die
erste Anlage bilden. Diese schwarzen inneren
Konturen geben in Verbindung mit den noch
stärkeren ebenfalls schwarzen äufseren Konturen
den Figuren zumeist ihren so bestimmten und
ausgesprochenen Charakter, den sie auch der
Architektur gegenüber, vielmehr mit ihr, be-
haupten. Der farbige Umschlag der Gewänder
dient nun namentlich dazu, die einzelnen Theile
derselben, besonders Unter- und Überkleid, von
einander zu scheiden. Wie der Marmorbild-
hauer und der Elfenbeinschnitzer seinem edlen
Material nur da, wo es im Umschlage das Futter
zeigt, einige matte Farbtöne: röthlich, bläu-
lich, grünlich, zumuthet, so hat der Bildsticker
auch hier die Farben: bläulich-weifs und gelblich-
weifs auf das Futter in spärlicher Anwendung
beschränkt. ImUebrigen sind nur die Karnations-
theile, also Köpfe und Hände, farbig behandelt,
abgesehen von einigen besonderen Details, auf
die wir noch zurückkommen werden. Die Haare
sind bald gelb und braun, wie bei allen Frauen,
bald blau und weifs, wie bei einzelnen Männern,
immer aber sehr flott behandelt, bei den Engeln
im Knötchenstich. Der Nasenrücken ist schwarz,
der Mund röthlich eingetragen und wie bei den
Gewändern, so ist auch bei den Köpfen inner-
halb der so gewonnenen kleineren Nasen-, Stirn-,
Wangen-, Kinn- und Hals-Parthieen die Karnation
mit der Nadel in einer Art von Modellirstich
eingetragen, der auch den Köpfen wie den ähn-
lich behandelten Händen einen aufserordentlich
wirksamen Anflug plastischer Gestaltung ver-
leiht. Die in die Augenwinkel gerückten Pupillen
geben den Gesichtern ein feierliches Gepräge.

Wie der Glasmaler in der Glanzperiode seiner
monumentalen Kunst im XIII. und XIV. Jahr-
hundert in der Hauptsache und durchweg auf
fünf Farben sich beschränkte und nur aus-
nahmsweise für irgend einen mehr untergeord-
neten Gegenstand einen Nebenton, wie ihn zu-
fällig der Schmelztiegel oder die Muffel ihm
gebracht hatte, zuliefs, so kommen auch auf
unserer Bildstickerei aufser den angegebenen

Farben andere nur nebensächlich vor. Zu diesen
zählt das Silber, welches vornehmlich für die
Attribute, wie Buch, Stab, Schwert, Rauchfafs,
Muschel, Spruchband, oder die Darstellung der
Wolken (mit rothen Ueberfangstichen), verwendet
wurde. Die Schuhe sind, wo sie vorkommen,
schwarz behandelt, die Blüthen zu Füfsen der
Figuren und in ihren Händen hellgrün und
weifslich, die beiden Stäbe, das Rad, der Schlüssel,
die Reifen der Kronen im Kordonnetstich, Kleinig-
keiten, die erwähnt zu werden verdienen, weil
sie für die Gesammtwirkung keineswegs gleich-
gültig sind.

Ueberschauen wir noch einmal diesen tech-
nischen Apparat, so läfst sich nicht verkennen,
dafs er auf grofser Ausdauer und auf tüchtiger
Kunstfertigkeit beruht, wie sie heutzutage nur
von ganz Wenigen erreicht wird. Wenn nun
auch nicht zu leugnen ist, dafs gerade diese
sorgsame und kunstreiche Technik zur Wirkung
ihr gutes Theil beiträgt, so darf doch zur Be-
ruhigung nicht verschwiegen werden, dafs auch
mit erheblich geringerem Aufgebot an Zeit und
Kunstfertigkeit eine gute Wirkung erreicht wer-
den kann. Hierzu ist vor Allem eine korrekte
Zeichnung nöthig, freilich eine solche, die
zur Leistungsfähigkeit der ausführenden Person
im Verhältnisse steht. Denn an figurale Auf-
gaben soll sich nicht wagen, wer nur orna-
mentalen gewachsen ist, und Plattstich-Arbeiten
nicht unternehmen, wer höchstens auf appli-
kative sich versteht. Sodann kommt Alles auf
die Farben an, die sehr leicht zu zahlreich,
nicht leicht zu spärlich sein können, und bei denen
die Unbestimmtheit fast niemals eine ordentliche
Wirkung schafft. Ein gutes altes Muster
ist auf diesem Gebiete der sicherste Geleitsbrief.
Ist es rein ornamental, so wird es kaum je
einer Beanstandung bedürfen, vielmehr als Lehr-
mittel geradezu mafsgebend sein. Ist es figural,
so sind Verzeichnungen nicht ausgeschlossen,
die nicht nachahmungswerth sind, obgleich bei
Weitem nicht Alles den Namen einer Verzeich-
nung verdient, was dem uneingeweihten Auge
als solche erscheint, z. B. die schmal abfallende
Schulterbildung, die, zumal bei den frühgothischen
Figuren, zu ihrer Anmuth nicht wenig beiträgt.
Aber dafs auch die allerbesten mittelalterlichen
Schöpfungen nicht ganz davon frei sind, beweist
sogar das vorliegende Antependium, auf dem
z. B. die rechte Handbewegung des Apostels
Paulus gewifs recht ungeschickt und gar nicht
 
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