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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Beissel, Stephan: Die Darstellung der Taufe und der Kreuzigung Christi in einer Handschrift des Trierer Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0085

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133

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

134

Die in den obern Ecken befindlichen Propheten
(1 und 2) reden in ihren Spruchbändern vom
hl. Geist, der auf dem Messias ruht, beziehen
sich also auf jene sieben Tauben, während die
unten, neben der Wurzel des Stammbaumes
angebrachten (3 und 4) das Glück derjenigen
preisen, die im Schatten des Baumes der Er-
lösung ruhen. Die Inschriften der Spruchbänder
lauten also:

1. Spiritus Domini super me. (Is. 61, 1.)

2. Spiritus Domini replevit orbem. (Sap. 1, 7.)

3. Sub umbra illius, quem desiderabam sedi.
(Cant 2. 3.)

4. Christus Dominus, sub cujus umbra vivi-
mus in gentibus. (Türen. 4, 20.)

1. „Der Geist des Herrn (ruht) auf mir."

2. „Der Geist des Herrn erfüllte den Erd-
kreis."

3. „Ich safs unter dem Schatten (d. h. Schutz)
desjenigen, nach dem ich verlangte."

4. „Christus der Herr, unter dessen Schatten
wir in Mitte der Völker leben."

IL Das Evangelium des hl. Markus beginnt
mit der Schilderung der Wirksamkeit des Vor-
läufers und erzählt im ersten Kapitel (9—11),
wie Johannes den Herrn taufte. Der Maler
hat darum die erste der hier abgebildeten
Miniaturen vor dies Evangelium gesetzt. Sie
zerfällt in zwei Abtheilungen, deren untere den
Herrn im Jordan zwischen Johannes und zwei

Engeln zeigt, während die obere ein Vorbild
der Taufe: Noe in der Arche zwischen zwei
Propheten enthält. Dr. Joseph Strzygowski hat
in seiner Ikonographie der Taufe Christi (Mün-
chen, Riedel 1885) unsere Miniatur nicht be-
sprochen. Sie verdient indessen ein eingehendes
Studium, weil sie sich durch eine Reihe be-
merkenswerther Eigenheiten auszeichnet. In
der allgemeinen Anordnung stimmt sie freilich
mit manchen bekannten altern Darstellungen
überein, z. B. mit derjenigen des Kodex Egberti
(in der Ausgabe von Kraus, Tafel 18). Sobald
man indessen genauer zusieht, findet sich hier

nicht wie gewöhnlich die Taufe Christi darge-
stellt, sondern vielmehr das Zeugnifs, welches
der Täufer für den Messias ablegt. Darum
zeigt Johannes mit einem Finger auf den in
Gestalt einer Taube zum Herrn herabsteigenden
hl. Geist, indem er zu sprechen scheint: „Ich
sah den Geist herabsteigen wie eine Taube vom
Himmel." Joh. 1, 32. Der Heiland erhebt
zwei Finger. Er macht somit jenen Gestus,
den man irrthümlich als Ceremonie des Segnens
zu bezeichnen pflegt, der aber hier wie in
vielen andern Fällen (vergl. Beissel, die Bilder
der Handschrift des Kaisers Otto im Münster
zu Aachen. Aachen. Barth. 1886. S. 69 f.)
als der aus der Antike übernommene Rede-
gestus aufgefafst werden mufs. Wie sicher diese
Deutung die einzig zulässige ist, erhellt daraus,
 
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