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Zeitschrift für christliche Kunst — 1.1888

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Prill, Joseph: Wie sollen wir unsere Pfarrkirchen bauen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.3545#0168

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270

1888.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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und unbehaglich fühlen. Auch beim werktäg-
lichen Gottesdienst kann es nicht die Andacht
fördern, wenn sich die ja nicht immer zahl-
reichen Besucher in dem weiten Räume ver-
lieren. Diese Oede entspricht dem Hause Gottes
nicht. Sie wird aber eben durch die Theilung
des Raumes vermieden, und zugleich lenken
die Pfeilerreihen den Blick immer wieder zum
Altare hin, wie sie auch den einzelnen Schiffen
durch das bedeutende Ueberwiegen der Länge
diese Richtung aufprägen. Man denke ferner
an die innerhalb der Kirche stattfindenden Pro-
zessionen u. dgl., und man wird auch hier der
dreischiffigen Anlage weitaus den Vorzug ein-
räumen müssen.

F.inigermafsen sind wir freilich durch Bahn-
hofshallen, Konzertsäle u. dgl. an weite, un-
geteilte Räume gewöhnt, aber wir müssen uns
doch hüten, dasjenige als für die Kirche passend
anzusehen, was für andere Anlagen zweck-
mäfsig ist. Die Rücksicht auf den Zweck der
Kirche, den symbolischen sowohl wie den
praktischen, erheischt eben eine ganz eigene
Behandlung, wie sie ihr auch zu allen Zeiten
zu Theil geworden ist. Ausnahmen wie Alby,1)
Carcassonne, Perpignan u. A. beweisen gerade,

') Ueber die Kathedrale von Alby, welche im Ganzen
mehr als 25 m zwischen den Gevvölbeträgern jedoch nur
17.7 m lichte Weite hat, sagt Viollet le Duc, dictionnaire
I. 225: Man mufs gestehen, dafs für den katholischen
Gottesdienst die grofsen Kirchen ohne Seitenschiffe

nicht angemessen sind..... Dieses Monument

(Alby), ohne Seitenschiffe, ohne Transept ... ist viel
eher ein Saal als eine den Bedürfhissen des Kultus
angepafste Kathedrale. Die Kapellen des oberen
Stockwerks (die Zwischenräume der Strebepfeiler sind
nämlich zu zwei Kapellen über einander benutzt),
welche mit einander durch kleine Thüren verbunden
sind, haben keinen Nutzen, es sind Tribünen, welche
den Uebelstand haben, dafs sie das Tageslicht ab-
halten und folglich das Innere dunkel machen. Dieses
Gebäude ist im XV. und XVI. Jahrhundert mit Ma-
lereien geschmückt worden. Diese Ausschmückung ist
sehr wirksam und verbirgt die Schwerfälligkeit der
Gewölbe, welche wegen der aufserordentlichen Breite
des Schiffes ungefähr in der Mitte der Höhe des
Innenraums beginnen; die in's Innere gezogenen Strebe-
pfeiler verdecken durch ihren Vorsprung die Fenster
und lassen die Gewölbeträger platt und mager er-
scheinen. Dieser Malereien beraubt würde das Innere
kalt, öde und schwerfällig sein und ertrüge keinen !
Vergleich mit unseren nordischen Kathedralen.

dafs man, obschon im Stande, grofse einschiffige
Bauten zu errichten, dennoch der dreischiffigen
Anlage in der Regel vor der einschiffigen den
Vorzug gab.

Es erübrigt noch eine kurze Andeutung
über die Anlage eines Querschiffes. Die Kreuz-
form, welche der Bau dadurch erhält, hat sym-
bolische Bedeutung, und es ist vollkommen
gerechtfertigt, dafs man grofsen Prachtbauten,
besonders Bischofskirchen, wo nur immer mög-
lich, die Kreuzform gibt. Um das Gebäude als
Gotteshaus zu kennzeichnen, bedarf es jedoch
derselben nicht, und daher kann man bei gewöhn-
lichen Pfarrkirchen leicht auf dieselbe verzichten.
Dies umsomehr, als sie ja für den praktischen
Gebrauch wenig Werth hat, ja sogar zuweilen
demselben durch Verschlechterung der akusti-
schen Verhältnisse Eintrag thut. Da nun auch
die innere architektonische Wirkung der Kreuz-
arme nur für einen Theil der Kirchenbesucher
zur Geltung kommt, so beschränkt sich der
Werth der Kreuzanlage schliefslich auf die
Hebung der äufsern architektonischen Wir-
kung. Die meisten Volkskirchen des spätem
Mittelalters besitzen kein Kreuz, ja selbst bei
grofsartigen Anlagen hat man auf dasfelbe
verzichtet. Damit soll die Querschiffanlage
keineswegs getadelt werden, wo aber die
räumlichen Verhältnisse, die Beschränktheit der
finanziellen Mittel oder andere Gründe von
dieser Anlage abrathen, wird man sie leicht
entbehren können.

Die in jedem einzelnen Falle vorliegenden
Umstände werden dem Künstler immerhin
Gelegenheit genug bieten, innerhalb der an-
gedeuteten, bisher als brauchbar erwiesenen
Formen für die Pfarrkirche eine grofse Ab-
wechselung und Mannigfaltigkeit der Gestal-
tungen zu erreichen. Nicht darin zeigt sich
das Können, dafs man etwas ganz Neues er-
finde, sondern dafs man mit Berücksichtigung
des Bedürfnisses und der Mittel ein. Gebäude
schaffe, welches wahrhaft geeignet ist, durch
schöne Verhältnisse und Formen, durch gei-
stige Durchdringung des Stoffes zur Ehre
Gottes und zur Erweckung der Andacht der
Gläubigen beizutragen.

B o n n.

Jos. Prill.


 
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