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Zeitschrift für christliche Kunst — 2.1889

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Beissel, Stephan: Ein illustrirtes Gebetbuch des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.3570#0060
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85

188'J. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 3.

„ Tres doulcc dame, pour kelle grant yoie,
lue vons eustes, quant vous alastes a la mon-
taigne visiter madame sainctc elyzabeth voslre
cousme, et eile vous deist, que vous esiiez
benoite sur toutes femmes et le fruit de
vostre venire esloil benoit, doulce dame, priez
'Uy, qu'U nie vueille donner sa benediction.
Ave Maria."

„ Tres doulce dame, pour ycelle grant yoie,
que vous eustes ou jour de vostre assomption,
quant vostre doulcc
fils vous envoya au
ciel et vous assista
a sa dextre et vous
couronna sur toutes
femmes du monde,
doulce dame,priez luy
pour moy et pour tous
Pecheurs et pecher-
esses, dont il veult
estre depriez, quepar
sa digne puisscnce il
l?s vueille absouldre
et donner la vie du-
rablc. Amen."

Jeder, der weifs,
w'e oft heutzutage
die mittelalterlichen
Kunstwerke nur nach
den äufseren Erschei-
"ungsformen beur-
teilt und geschätzt
werden, wird begrei-
'eni warum Inhalt
l'nd Illustrationen des
Buches hier als ein-
heitliches Werk ge-
schildert sind. Man
mufs in den Geist
einer jeden Zeit ein-
dringen und aus ihm heraus die verklärte Form
211 verstehen suchen. Versäumt man dies, so
Wlrd man nie zur vollen Würdigung gelangen,
°'t vielleicht die Hauptsache übersehen. Wenn
"le Wahrheit dieses Satzes bei Erklärung grie-
chischer und römischer Kunstwerke mit Recht
°ethätigt wird, um wie viel mehr ist sie bei
christlichen Kunstwerken festzuhalten.

Den Schlufs des Buches bilden sieben Ge- :
bete zur hochheiligsten Dreifaltigkeit, siebenzehn | 2) Ein ähn]iches System bietel unter anderm ein
zu verschiedenen Heiligen, und ein späterhin Mannscript von Cambrai. Vgl. Durieiix, Les miniavures
beigefügter Anhang von Gebeten zu Maria, die des manuscripts de la bibliotheque de Cambray pl. II.

uns hier nicht interessiren, weil sie nicht zum
eigentlichen Ganzen der Handschrift gehören.
Die siebzehn Heiligen sind jene, deren Bilder
uns in mittelalterlichen Kirchen allerorts be-
gegnen. Die betreffenden Gebete bieten einen
sichern Schlüssel zur Beantwortung der Frage,
welchen Gedanken sie ihre Popularität ver-
danken; doch wollen wir auf diese ikono-
graphisch wichtige Frage jetzt nicht eingehen,
weil das zu weit führen würde und besser einem

späteren Aufsatz vor-
behalten wird.

Hier bleibt noch ein
Wort zu sagen über
die Technik der Aus-
stattung des Kodex.
Die erste Abbil-
dung zeigt das in den

Randverzierungen
aller Seiten in wun-
derbarem Wechsel
durchgeführte Sy-
stem. Der Künstler
hat den breiten, die
Schrift oder die Mi-
niaturen begleitenden
Rand regelmäfsig
durch eingelegte, ver-
goldete Figuren in
viele Abtheilungen
zertheilt. In unserer
Abbildung hater Drei-
ecke verschiedener
Art verwendet, auf
andern Blättern Krei-
se, Vierpässe, Strei-
fen, Kreissegmente
u. s. w.2) Nachdem
er den Rand in Ab-
theilungen geschie-
den hatte, die abwechselnd den weichen Ton
des Pergaments behalten oder durch matte Ver-
goldung gehoben sind, begann er auf dem dop-
pelten Grunde in zweifacher Art weiterzuar-
beiten. Der weifse Grund erhielt durchgängig
blaues, stark stilisirtes Rankenwerk mit goldenem
Umschlag. Das Blau ist mit weifsen Linien
umsäumt und gehöht, der goldene Umschlag
 
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