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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Die Dorfkirche auf der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0120
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209

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

210

lernde graublaue Schiefer im Gegensatz zu
der hellen Wandfläche auch einen farbigen
Ton zum Erklingen bringt, sei ebenso betont,
wie die Tatsache, daß die unregelmäßige und
naturwüchsige Art der Bedachung (die so-
genannte altdeutsche Eindeckungsart, eine
Technik, die unsern Schieferdeckern vielfach
fremd geworden ist) in nichts an jene glatte
und geleckte Art erinnert, mit der man bei
den nach städtischen Mustern errichteten
ländlichen Bauten das Dach mit Schiefer
eindeckt. So zeugt denn auch nicht das
geringste an diesem Kirchlein von irgend
etwas Ausgeklügeltem und Kompliziertem.
Kein Anklang an irgendeine historische
Stilart. Kein Hinausspielen auf irgend-
welche feinen Detaildurchbildungen.

Nachdem wir so das Äußere auf uns
haben einwirken lassen, treten wir in das
Kirchlein selbst ein.

Der Vorraum trägt einfachstes Gepräge.
Rechts führt neben einem seitlichen Eingang
die Treppe hinauf zu Orgel und Emporen.
Links bricht durch ein buntes Glasfenster
das Licht des Tages gedämpft herein. Die
„Weisen aus dem Morgenlande" stellt es be-
zeichnenderweise dar. Wie diese Gottsucher
von einst das in unser armes Fleisch und
Blut verkleidete ewige Gut suchten, so soll

sich auch der Gottsucher von heute, im An-
blick dieses Gemäldes, mit seinen Gedanken
vom Alltäglichen zum Ewigen und Höchsten
hin erheben. An den Wänden aufgestellte
Bänke laden zur Ruhe und zum beschau-
lichen Betrachten des Glasgemäldes ein.
Nachdem wir den schlichten Vorraum durch-
schritten haben, nimmt uns der Kirchen-
raum selbst auf (s. Abb. 2). Die roten
Ziegelsteinfliesen, die den Fußbodenbelag
bilden, wie das Gestühl, dem durch einen
grauen Lasuranstrich nur wenig von seinem
natürlichen Charakter genommen worden ist,
führen diesen schlichten Ton weiter, und
zwar ganz bewußt. Denn was im Gegensatz
hierzu dem Auge von Decke und Empore-
wänden in dem Reichtum ungebrochener,
satter Farbtöne herabklingt, das wird durch
die Indifferenz der Farben unten doppelt
sinnfällig.

Wir durchschreiten das Kirchlein bis zum
Altar und lassen, den Blick nach den Em-
poren gewandt, die einzelnen Malereien auf
uns wirken. Im Stile alter, naiver Bauern-
kunst sind die Farbenharmonien durchweg
auf herzhafte, kräftige Kontraste gestellt.
Und das entspricht ja auch dem primitiven
Farbengefühl des Landbewohners viel mehr,
als wenn man fein nuancierte Farben-

Abt». 2. Inneres der Dorfkirche.
 
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