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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Die Dorfkirche auf der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0121

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211

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

212

abstimmungen anwenden würde. Aber nicht
nur mit Hinblick auf den farbigen, sondern
auch auf den linearen Aufbau klingen alle
Malereien an die Weise der alten Meister an.
Auf der linken Seite (nicht sichtbar im
Bilde, das die rechte Seite zeigt) ist das
Gleichnis vom „Viererlei Acker" und vom
„Unkraut unter dem Weizen" dargestellt.
In dem ersten Bilde sind die einzelnen
Bodenarten dem Gleichnis entsprechend
charakterisiert, von dem hartgetretenen
Weg an bis zu dem weichen und tiefen
Ackerboden hin, über den mit weitaus-
holenden Schritten ein Säemann schreitet.
Fern im Hintergrunde schimmern die Häuser
seines Heimatdörfchens. Zwischen dem
Gewölk des Himmels bricht strahlend die
Sonne hervor, ohne deren Wärme der
Same auch in dem besten Boden leblos
bleibt.

Das Bild vom „Unkraut unter dem
Weizen", das gleich dem ersten vierteilig
ist, nimmt gleich an erster Stelle das Motiv
des Säemanns wieder auf. In leuchtend
gelbem Blusengewande durchmißt die kraft-
volle Gestalt den braunen Ackerboden von
einem Ende zum andern. Hinter ihm
schreitet, dem Schatten des Säemanns gleich
und seine Bewegung und Geste bis ins
einzelnste nachahmend, die Gestalt des
bösen Feindes und sät Unkraut zwischen
den guten Samen. Charakteristisch hebt
sich der Schemen des bösen Feindes in seiner
unausgesprochenen dunklen Farbengebung
von der lichten Gestalt des Säemanns ab.
Auf dem nächsten Bildfelde sehen wir beides,
Unkraut und Weizen, nebeneinander wachsen.
Und auf dem letzten ist die Erntezeit dar-
gestellt. Im Hintergrunde sind die Garben
bereits zu Mandeln aufgeschichtet, während
vorn ein Kindlein buntprangende Feldblumen
zu einem Kranze windet. Das leuchtende
Gelb des Säemannsgewandes auf der linken
und der Garben auf der rechten Seite
schließt Anfang und Ende des Gleichnisses
zu einer Einheit zusammen und stellt auf
der Bildfläche das Gleichgewicht her.

Die diesen beiden Bildern gegenüber
liegenden Malereien bringen die Gleichnisse
vom „verlorenen Schaf" und vom „ver-
lorenen Sohn" zur Darstellung. In vier
Stationen führt uns das erste Bild den Inhalt
des Gleichnisses vor. Wir suchen mit dem

Hirten sorgend nach dem einen verlorenen
Schaf, streben mit#ihm, nachdem er es ge-
funden hat, frohgemut über das blumige
Feld heimwärts, freuen uns, wie er das
Schäflein, in seinem Mantel geborgen, dem
Besitzer zurückbringt, und wie es dieser
samt seinem Weibe, ganz erfüllt von stiller
inniger Freude über das Wiedergefundene,
in Empfang nimmt. Das Violett der Ge-
wänder ist der beherrschende Farbton in
diesem Bilde, das wie alle andern blau
grundiert ist. Der hellblaue Bürgeier Topf
auf dem letzten Bildfelde, eines der wenigen
Details, mutet besonders heimisch und
traut an.

Das an letzter Stelle dargestellte Gleichnis
vom verlorenen Sohne zeigt im ersten Felde
den Sohn, wie er, ganz in sich zusammen-
gesunken, die Säue hütet. Ein Schwärm
Vögel fliegt hoch in den Lüften dem Lande
seiner Heimat zu. Im zweiten Felde kehrt
er halbnackt und verlumpt heimwärts. Der
Vater eilt ihm entgegen. Und im letzten
Felde umfängt der Vater liebevoll den Ver-
lorenen, während der in reicher Kleidung
prangende ältere Sohn in pharisäischer Hal-
tung, mit halbabgewandtem Gesicht, die
Wiedersehensszene beobachtet.

Damit nach dem neuen aber auch das
alte Testament zu Worte kommt, ist die
Wand der Orgelempore mit 2 Malereien ge-
schmückt, die das erste Menschenpaar vor
und nach dem Falle zeigen. Das Feld mit
Adam und Eva vor dem Falle zeigt einen
stilisierten Apfelbaum mit Früchten, rot-
bäckig prangend, um das Verlockende in der
Versuchung für das erste Menschenpaar an-
zudeuten. Um den Stamm windet sich die
Paradiesesschlange. Zur Linken und Rechten
des Baumes stehen auf dem blumigen Rasen,
jung und schön wie das Leben selbst, Adam
und Eva, ganz ähnlich wie in Albrecht
Dürers bekanntem, gleichnamigem Kupfer-
stich. Ihre Augen leuchten in seliger Klar-
heit. Blumen sprießen zu ihren Füßen.
Bunte Paradiesesvögel schweben in ruhigem
Fluge über sie dahin. Eitel Glück und
Frieden liegt über Mensch und Tier, über
Baum und Gras. Aber schon hat Eva den
Apfel gepflückt. Und damit erfüllt sich das
Unheil, das die benachbarte Malerei dar-
stellt. Von einer niedrigen grauen Mauer
überschnitten, kniet Adam, aber nicht mehr
 
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