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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Schneider, Franz: Theresienstift zu Listernohl
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0019

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8

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. I

von dem Herdraum ab, während für das Vieh besondere Plätze mittels einge-
rammter Pfähle oder das Speichergebälk tragender Pfosten abgeteilt wurden,
zwischen denen die Futtertröge (ausgehöhlte Baumstämme) Aufstellung fanden.
Daß dies primitive Prinzip des Wohnens in den niedersächsischen Bauern-
häusern bis in unsere Zeit beibehalten werden konnte, spricht für den derben Sinn
der Bewohner dieser Gegend. Im Einklang hiermit gestaltete sich auch das Äußere
des Hauses: auf einem langgestreckten Rechteck erhob sich das einfache mit einem
stellen Satteldach abgedeckte Haus aus Holzfachwerkwänden. Die Hölzer bildeten
fast nur rechteckige Gefache, nur die Eck- und Bundpfosten erhielten eine kräf-
tige Verstrebung in energischer Linienführung, außer diesen Streben bildete ein
im vorderen Giebel angeordnetes großes Kreuz, eine Kreisform oder dergl. meist
die einzige Unterbrechung in dem rechteckigen Netzwerk von schwarzen Pfosten
auf weißem Grunde. Ähnliche Dekorationsmotive wie die elegant geschwungenen
Zierhölzer im fränkischen Holzbau oder die lustig wirkenden Lauben des ober-
bayerischen (alemannischen) Bauernhauses kennt der sächsische Baumeister nicht,
er verwendet nur Hölzer, die zur Konstruktion erforderlich sind, und bereichert
diese wohl durch Inschriften auf den Schwellen wie durch Kantenverzierungen
der Eck- und Dehlentorpfosten und durch ein frommes Symbol im oberen Teil
des Giebels oder am Sturz des Dehlentores in flacher Schnitzerei. Indessen be-
einträchtigen diese übrigens sehr schönen Verzierungen die ernste Einfachheit des
Hauses nicht, sie stehen vielmehr im schönsten Einklang mit der Gesamt-
erscheinung, welche im Innern wie Äußern die verkörperte Sachlichkeit ist.
Erst das Bürgerhaus des XVI. und XVII. Jahrh. erhält meist in der Fenster-
brüstung eine Bereicherung durch rhythmisch angeordnete Zierhölzer in einfach-
ster meist gradliniger Form oder mit Reliefschnitzereien verzierte Bohlenfüllungen.
Die Auskragung der oberen Geschosse über die unteren ist ebenfalls eine Bauart
des Stadtbürgerhauses; sie entstand aus der Notwendigkeit, den infolge der Ein-
schnürung der Städte durch den
Festungsgürtel knapp bemesse-
nen Flächenraum des Hauses
durch Auskragung der oberen
Geschosse zu erweitern. Diese
Auskragkonstruktion wurde for-
mal schön ausgebildet und später
wegen ihrer dekorativen Eigen-
schaft auch an den Bauernhäu-
sern angewendet, obwohl sie hier
aus praktischen Gründen nicht
notwendig war (vgl. Abb. 11).
Für unser Theresien-
stiftshaus konnte weder der
Grundriß noch die äußere Form
des altsächsischen Bauernhauses
vorbildlich sein, hier schrieb
vielmehr der Zweck des Hauses
andere Grundriß- und Außen-
Abb. 9. Theresienstift, Nordostansidit. gestaltung vor, nur die Detail-
 
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