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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Escherich, Mela: Studien zur seeschwäbischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0056

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2/3

denken. Die Seeschwaben wanderten nach Basel und die Baseler arbeiteten für
die Bodenseestädte.

In den 1470er Jahren scheinen seeschwäbische Künstler, die sich dem Holz-
schnitt widmeten, nach Augsburg gezogen zu sein und bei Günther Zainer
Arbeit genommen zu haben. Wir finden seeschwäbische Art, an der Entwick-
lungslinie Konrad Witz — Hausbuchmeister stehend in folgenden Holzschnitt-
werken der Zainer-Offizin: Spiegel menschlicher Behältnis,
um 1470; Leben der Heiligen, 1471;Rodericus Zamorensis,
Spiegel des menschlichen Lebens, 1471; Jakob von Terano
B e 1 i a 1, 1472; Plenarium, 1474; Jakob von Cessolis, Schach-
zabel, 1477.

Daß Zainer tatsächlich auswärtige Künstler beschäftigte, bestätigt sich durch
den Streit, in den er damals ihrethalben mit der Konkurrenz geriet. Die einge-
sessenen Formschneider, Briefmaler und Kartenmacher erhoben nämlich ein
groß Geschrei und wußten den Rat zu bestimmen, den Verlegern Zainer und
Schüßler die Ausgabe illustrierter Werke zu verbieten (!), falls sie sich nicht ent-
schließen wollten, künftig nur mehr einheimische Künstler zu beschäftigen. Wir
wissen nicht, wie der Streit endete. Jedenfalls beweist er, daß die Wut auf die
„Hergelaufenen" groß gewesen sein muß. Vielleicht befand sich unter ihnen jener
Jakob Ruß, der um 1490 in Ravensburg arbeitete.

Wir blicken uns in jener Zeit vergeblich nach seeschwäbischen Malern um.
Die große Generation von Witz und Lochner hat im Seegebiet wenig Nachwuchs.
In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sind die großen Künstler alle Illustratoren
und Stecher. Das trifft überhaupt für den ganzen Oberrhein zu. Lag doch auch
Schongauers Hauptkraft in der Kunst des Stichels.

Im XVI. Jahrhundert erlischt das seeschwäbische Kunstleben beinahe ganz. Ein
ganz unbekannter, aber nicht schlechter Künstler, wahrscheinlich Konstanzer, ist
uns jedoch mit Namen erhalten: Andreas Giltlinger. Von ihm sind
zwei Bilder im Rosgartenmuseum. Das eine ist ein 1522 datiertes „Leben Jesu",
wo uns ein tiefempfundener Schmerzensmann auffällt, der weinend neben dem
Kreuz sitzt, in das ein Knecht die Löcher bohrt. Das andere ist eine „Anbetung
des Kindes", signiert und datiert 1527, Maria und Joseph in einem wohnlichen
Zimmer, das zwischen ihnen auf den Fliesen liegende, von Goldstrahlen aus Gott-
vaters Mund überschüttete Kind verehrend. Etwas abseits kniet „St. Bryda"
(Bngitta?) mit einem paar zierlicher Stiefel vor sich, wahrscheinlich eine Lokal-
heilige. Die Bilder sind für ihre Zeit altmodisch, aber nicht untüchtig gemalt.

Konstanz steht unter den rheinischen Kunststädten des Mittelalters an dritter
Stelle. Die beiden größeren, Köln und Basel, haben ein reicheres Kunstleben,
Konstanz ein bodenständigeres. Konrad Witz ist Kind dieser Stadt. Das hat
Konstanz vor den anderen voraus. Weder Köln noch Basel hat je einen Künstler
von diesem Range der Welt geschenkt. Köln und Basel sammelten, Konstanz
befruchtete. Köln und Basel zogen an sich, Konstanz gab. Was für eine glänzende
Kunststadt wäre aus Konstanz geworden, wenn es die seeschwäbischen Meister
fest an sich gezogen hätte, wenn es Konrad Witz nicht nach Basel, Stefan Lochner
nicht nach Köln hätte ziehen lassen! Aber vielleicht war es ein unbesieghcher

J1 Mone, Z. f. G. d. 0. 1887.
 
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