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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Schröder, Alfred: Pazaureks Prachtwerk über kirchliche Goldschmiedekunst (mit Tafel 3)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0066

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Nr. 4 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. ^J

PAZAUREKS PRACHTWERK ÜBER
KIRCHLICHE GOLDSCHMIEDEKUNST.

Mit 1 Tafel und 8 Abbildungen.

Die wissenschaftliche Behandlung der Goldschmiedekunst hat denselben Gang
genommen wie die der Kunst überhaupt: man hat die längste Zeit nur die Er-
zeugnisse des Mittelalters der Beachtung gewürdigt. Auch als infolge der
neuen Grundstimmung, die der herrliche Sieg von 1870 in Deutschland erzeugt hatte,
die selbstbewußte Renaissancekultur unserem Empfinden näher rückte und die
Geister mit wahrer Entdeckerfreude an die Erforschung und Wiederbelebung der
Renaissance gingen, war die Stunde für die Goldschmiedekunst noch nicht
gekommen, fehlten immer noch wichtige Voraussetzungen, um sie gerade in ihren
besten Schöpfungen zu würdigen. Denn man kann recht wohl der Ansicht sein, daß
die Erzeugnisse dieses Kunstgewerbes in gotischer Zeit, so hoch sie als architek-
tonisch empfundene und durchgeführte Leistungen stehen mögen, doch dem Stoff
nicht allseitig gerecht werden, ja daß sie eben wegen der architektonischen Ge-
bundenheit aus dem Stoffe nicht das herausholen, was ihm am nächsten hegt.
Edelmetall ist seiner Natur und seinem überwiegenden Gebrauche nach für Er-
zeugnisse der schmückenden Kunst bestimmt, seine vollen Reize entfaltet es doch
erst in freier, dekorativer Gestaltung. Dieser aber eröffnete — in Deutschland
wenigstens — die Bahn erst wieder die Wendung zum Malerischen, die den Be-
ginn des Barocks kennzeichnet. So lang also den Stilarten dieser neueren Zeit die
gerechte Würdigung vorenthalten blieb, konnte ein künstlerisch sehr hervorragen-
der Teil des Bestandes an Goldschmiedewerken kaum Beachtung finden, und zwar
der der Menge nach weit überwiegende Teil; denn kein anderer Kunststoff ist in
dem Maße gefährdet wie der der Goldschmiedewerke, und mit ihm natürlich auch
der Bestand an Werken: Habgier und Not und die Leichtigkeit, neue Formen aus
den veralteten oder schadhaft gewordenen herzustellen, haben jederzeit, wenn auch
in verschiedenem Maße, am vorhandenen Bestände ganz anders gezehrt als etwa
an dem von Bauwerken. Aber selbst nachdem das „historische Jahrhundert" als
feinste Blüte das Verständnis für alles historisch Gewordene getrieben und damit
auch die Spätkunst aus den Bedingungen der Zeit und in ihren inneren Werten
verstehen gelehrt hatte, dauerte es noch geraume Weile, bis sich auch nur die Auf-
merksamkeit den neueren Schöpfungen der Edelmetallkunst zuwandte. Dafür
zeugen mit besonderem Nachdruck die amtlichen Aufnahmen der Kunstwerke,
die sog. staatlichen Inventare, wie sie in Deutschland seit 40 Jahren etwa in Be-
arbeitung sind: kaum erst 10 Jahre ist es her, daß sie teilweise dazu übergegangen
sind, grundsätzlich den gesamten Bestand an Erzeugnissen der Edelmetallkunst
aufzunehmen, der doch schon rein stofflich zu den wertvollsten Ausstattungs-
stücken der Kirchen gehört.

Der Anteil Süddeutschlands an der Erzeugung von Goldschmiede-
arbeiten übertrifft den Nord- und Mitteldeutschlands sehr bedeutend; man wird
zwar auf ein Sammelwerk wie Rosenbergs Goldschmiede-Merkzeichen keine ge-
naue Berechnung aufbauen wollen, da derlei Zusammenstellungen, so wertvoll an
sich, doch zu abhängig sind von Zufälligkeiten; aber immerhin sind die beider-
seitigen Gebiete, um deren Vergleichung es sich hier handelt, groß genug, um das
 
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