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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Schröder, Alfred: Pazaureks Prachtwerk über kirchliche Goldschmiedekunst (mit Tafel 3)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0078

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Nr. 4 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. (55

Ich fasse nur die Augsburger Meisterzeichen ins Auge und beschränke mich
auch da auf das Wichtigste. Von allen Bestimmungen, die Pazaurek nach Rosenberg
mit Sicherheit vorträgt, sind nur zwei wirklich sicher, die Zeichen für Franz
Thadd. Lang und für Georg Ign. Bauer. Dagegen lassen sich auf Grund der oben
gekennzeichneten Methode drei andere Zeichen, die Pazaurek-Rosenberg nur
vermutungsweise deutet, mit Bestimmtheit feststellen, nämlich die Zeichen MVI
in Querovalvertiefung für Michael Mayr, FCM für Franz Christoph Mäderl und
I über IS in Dreipaßvertiefung für Jos. Ign. Saler. Sicher unrichtig gedeutet sind
die zwei verschiedenen Zeichen I über M mit „Jakob Maid", da es einen Goldschmied
dieses Namens in Augsburg nicht gab. Bei den Marken IM und IL ist überhaupt
größte Vorsicht nötig: eine ganze Reihe Namen kann da in Betracht kommen;
für katholische Kirchen hat laut Rechnungen seit 1690 etwa Joachim Lutz und
nach seinem Tode (1727) noch einige Jahre seine Werkstatt viele Stücke geliefert.
Aber nun soll nach diesen trockenen Ausführungen die Kunst selbst zu Worte
kommen.

Den ,,K n o r p e 1 s t l 1" und die darauf folgende erste Entwicklungsstufe
des barocken Pflanzendekors führt Abb. 4a und b vor Augen. Den
prächtigen Festleuchtertypus um 1715 zugleich mit sehr markanten Zierformen
bietet Abb. 5, den der Monstranz im beginnenden Frührokoko Abb. 6. Und was
unter der Herrschaft des Hochrokoko ein tüchtiger Meister in Figurenplastik
leistete, zeigt die überraschend seelenvolle Darstellung des hl. Gregor (Abb. 7).
Fast auf das Jahr kann man den Zeitpunkt angeben, in welchem sich die Augs-
burger Goldschmiedekunst dem Klassizismus zuzuwenden beginnt. Schon
seit etwa 1765 war eine allmählich fortschreitende Ernüchterung eingetreten; sie
äußert sich in der Rückkehr zur Symmetrie und in stärkerem Hervortreten des ge-
schwungenen Rippenwerkes unter Einschränkung der es begleitenden Muschel-
zacken, bringt aber als neue und ansprechende Zierform feine Pflanzengewinde in
Anwendung. Das ist der Stil des Spätrokoko. Und nun erscheinen mit dem
Jahre 1778 als erste Louis XVI. - Motive das dünne Lorbeergewinde, das
man als Zopf zu bezeichnen pflegt, der gebänderte Bündelstab und die Kerbungen
der Hohlkehlen (Abb. 8). Die Rokokorippe, auf unserer Abbildung in eigen-
artiger, scharfkantiger Umbrechung, erhält sich daneben noch bis etwa 1783,
ebenso und noch über diese Zeitgrenze hinaus einiger Blumenschmuck, immer
steifer werdend. Im übrigen ersetzen in steigendem Maße streng klassizistische
Formgebilde die freien Rokokoformen. Das Ergebnis ist eine wenig erfreuliche
Steifheit, für die aber nicht selten erhöhte Sauberkeit der Ausführung entschädigt.
Augsburg bleibt auch jetzt noch die Hauptbezugsstätte, aber die Bestellungen für
kirchliche Zwecke sind im Aufklärungszeitalter und unter den zehrenden Revo-
lutionskriegen stark zurückgegangen. Gleichwohl ist es Pazaurek gelungen, den
Entwicklungsgang auch dieser letzten 25 Jahre des XVIII. Jahrh. durch bezeich-
nende Stücke in seinen Hauptzügen hervortreten zu lassen.

So wird man sein schönes Werk, das uns deutsche Goldschmiedekunst im
Dienste der Kirche während eines Zeitraumes von fast 700 Jahren in vielen er-
lesenen und manchen schlichten Stücken, die auch zur Vollständigkeit des Bildes
gehören, vor Augen führt, mit hoher Befriedigung, mit Genuß und Gewinn zu-
gleich, durchstudieren, um es immer wieder gern zu Rate zu ziehen.
Dillingen a. D. Prof. Dr. A 1 f r e d S c h r ö d e r.
 
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