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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Schnütgen, Alexander; Schneider, Franz: St. Josephskirche zu Listerscheid (mit Tafel 4)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0084

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70

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 5

XXVIII, 3—10) derselbe Wohltäter aus der Not geholfen und die gesamten Kosten
für den Bau wie für die innere Ausstattung einer neuen Kirche zu übernehmen
sich bereit erklärt hätte. So konnte in einem der anmutigsten Täler des südwest-
lichen Sauerlandes auf dem von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Grund-
stück ein Kirchlein erbaut werden, welches den vorläufigen Raumbedürfnissen
vollkommen genügt, und dessen einfache ländliche Architektur in den besten
Materialien und Techniken ausgeführt worden ist.

Der kunstsinnige Stifter strebte nicht nur eine gute Lösung der Bauaufgabe an,
sondern war in demselben Maße besorgt um eine gediegene einheitliche Innenaus-
stattung der Kirche. Welche Schwierigkeiten sich der Beschaffung einer solchen
häufig entgegenstellen, weiß jeder, der in dieses Kunstgebiet tieferen Einblick
gewonnen hat. Während in früheren Jahrhunderten einerseits die meisten
Architekten mit den Ausstattungskünsten und deren Techniken wohlvertraut
waren, fehlte es anderseits bei der Blüte auch dieser Kunstzweige nicht an aus-
führenden Künstlern, die die ihnen gestellten Aufgaben beherrschten, und je
nach ihrer Befähigung, nach mehr oder weniger ausführlichen Zeichnungen der
Architekten, öfters auch nach eigenen Entwürfen Kunstwerke schafften, die sich
in das Gesamtbild vorzüglich eingliederten und so das feine künstlerische Gefühl
und die Sicherheit dokumentieren, mit der die Gegenstände ihrer Umgebung
eingeordnet und wo nötig untergeordnet worden sind. Jeder der beteiligten
Meister, wie Bildhauer, Maler, Altarbauer, Goldschmiede, Glasmaler leistete sein
Bestes, und deren Arbeiten vereinigten sich unter der Führung eines tüchtigen
Baumeisters zu wohlklingenden Gesamtakkorden, die von der Einheitlichkeit der
Kunst- und Stilanschauungen aller Mitwirkenden und von derselben Rücksicht-
nahme auf ihre Umgebung zeugten, mit der der Baumeister seine Bauwerke in
die sie umgebende Landschaft hineinkomponierte.

Dieser ideale Zustand des künstlerischen Zusammenwirkens und Ineinander-
schaffens ist mit dem Ausklingen der letzten Kunstepoche anfangs vorigen Jahr-
hunderts zugrunde gegangen: Jahrzehntelanges Darniederhegen namentlich auch
der Ausstattungskünste, gröbste Venrrungen hinsichtlich der Formensprache wie
der materialgerechten Herstellungsart sowie Ausartung in kunstlose Massen-
produktion infolge der Entwicklung der Maschinentechnik veranlaßten in den
60 er und 70 er Jahren die wenigen qualifizierten Kunstgelehrten und Künstler,
diesem verfallenen Kunstgebiete ihr besonderes Interesse zuzuwenden und zu
versuchen, durch Hinweis auf mustergültige Kunstgegenstände, ferner durch
gute Entwürfe und Unterweisungen die Künstler und Kunsthandwerker wieder
auf den rechten Weg zu führen. Am Ende des vorigen Jahrhunderts zeigten sich
schon manche Erfolge dieser verdienstvollen Bestrebungen, die aber eine wenn
auch nur kurze Unterbrechung erlitten durch das Erscheinen des Jugendstiles
— wohl eine Reaktion auf das Überhandnehmen empfindungslosen Nachahmens
alter Kunstformen — aber gerade das ebenso klägliche wie schnelle Ende des
Jugendstiles war eine Folge der mangelnden Grundlagen und Zusammenhänge
mit der Tradition und mahnt uns umso eindringlicher an die Notwendigkeit
des intensivsten Studiums der Ewigkeitswerte alter Kunstweisen. Diese allein
zuverlässige Grundlage hielten sogar die großen alten Meister für ihr Kunst-
schaffen und die Weiterentwicklung jener Kunstepochen für unentbehrlich; wie-
viel nötiger wird es daher sein, daß nach einer langen stil- und kunstlosen Zeit
 
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