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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

DOI Artikel:
Neuss, Wilhelm: Ikonographische Studien zu den Kölner Werken der altchristlichen Kunst, [1] (mit Tafel 9)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0138

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Nr. 7 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. \\Q

hat noch unlängst de Waal es deshalb getan, weil Christus und nicht ein Prophet als
Erwecker auftrete'1'. Gerade deshalb sind sie die echte abendländische Darstellung
der Vision.

Im ganzen betrachtet gehört nun unsere Darstellung offenbar in die abend-
ländische Reihe: Wie auf den Sarkophagen nimmt Christus mit der virga
thaumaturga die Erweckung vor. Dadurch unterscheidet sie sich scharf von der
ihr sonst nahestehenden syrischen Miniatur, dem ältesten Zeugen der orienta-
lischen Gruppen. Im einzelnen ist gegenüber den Sarkophagen auch Verschieden-
heit. Daß der Verfertiger des Goldglases malerischer arbeiten und durch Bäume
und grüne Tupfen das freie Feld andeuten konnte, hängt mit seinem leichter
zu handhabenden Material zusammen. Andererseits sind die Begleitfiguren Christi
auf den Sarkophagen einfach aus dem Gebrauch der späteren Sarkophagplastik
hergenommen, die solche Begleitfiguren überall zur Füllung der Szenen liebte.
Wichtiger dürfte sein, daß der Glaskünstler verstreute Glieder malt, während die
Bildhauer ganze menschliche Gestalten vorführen. Vieleicht gibt uns diese Eigen-
tümlichkeit den erwünschten Fingerzeig, wie die Szene in die christliche Kunst
gekommen ist. Die dem IV. Jahrh. angehönge Legende Cyprians von Antiochien,
nach dem auch die pseudocypnamschen Gebete ihren Namen tragen, legt der
Märtynn Justina ein Gebet in den Mund, das älterm Gebetschatz entnommen
zu sein scheint"1. Nach der Berufung auf die alttestamenthchen Gnadentaten
Gottes fährt sie fort: „ . . der du durch deinen eingeborenen Sohn Jesus Christus
den ganzen Heilsratschluß ausgeführt, das ehemals Finstere erleuchtet und die
verstorbenen Glieder lebendig gemacht hast, der du das Arme reich gemacht
und, was vom Tode geknechtet war, befreit hast, übersieh mich nicht, deine
Magd."

Vielleicht haben paulimsche Gedanken auf die Fassung des Gebetes eingewirkt.
Eher aber möchte man annehmen, daß dabei die ezechiehsche Vision vorgeschwebt
hat. Denn auch im griechischen Sprachgebiete war ja die Auffassung nicht unbe-
kannt, daß Christus durch den Propheten die Gebeine lebendig gemacht habe"*.
Zum mindesten mußte ein derartiges Gebet die Gläubigen an die ezechiehsche
Vision erinnern, die ihnen durch die regelmäßige kirchliche Lesung bekannt war"".
So begreift man, daß sie gleich so manchem andern, von dem die Gebete sprachen,
schließlich in den sotenologischen Bilderkreis Eingang fand. Ob zuerst im Orient
oder im Okzident, ist schwer zu sagen. Die Denkmäler — aber eben nur in ihrem
heutigen Bestände! — sprechen für das zweite, das Justinagebet läßt eher an das
erste denken. Doch mochte man im Abendlande das Bild zu schaffen oder nur
umzugestalten haben; in jedem Falle war hier sein Inhalt vorgezeichnet: es konnte
nur Christus als Erwecker sein. Das Kölner Bild, das so nach Inhalt, Form und
Zugehörigkeit zur Reihe der anderen des Glases gleich verständlich wird, ist nicht

li:i Die biblischen Totenerweckungen an den altchristhchen Grabstätten, Rom. Quartal-
schrift 20 (1906), 26 ff.

'" Ich zitiere nach der bei K. M i c h e 1 S. 23 stehenden Wiedergabe der von Th. Z a h n ,
Cyprian von Antiochien und die deutsche Faustsage, 1882, S. 146 gelieferten Übersetzung.

65 Außer dem schon erwähnten Epiphanius von Konstantia ist besonders anzuführen Seve-
rus von Antiochien, dessen Auslegung in die griechischen Katenen überging. Siehe: Das Buch
Ezechiel . . S. 79 u. 184 f.

66 Ausdrücklich bezeugt von Hieronymus, Comment. in Ez. zu XXVII, 1 ff.
 
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