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Zeitschrift für christliche Kunst — 28.1915

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Neuss, Wilhelm: Ikonographische Studien zu den Kölner Werken der altchristlichen Kunst, [1] (mit Tafel 9)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4335#0139

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120

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 7

nur das älteste, das wir kennen, sondern steht offenbar auch am Anfange der
ikonographischen Entwicklung. Da die meisten Gebete Christus nur einfach-
hin als den Erwecker der Toten feierten und dabei an die Erweckungen des
Evangeliums denken ließen, so wurde von selbst auch unsere aus dem Neuen
und Alten Testament gemischte Darstellung diesen allmählich angeglichen, ja
zuletzt mit der Erweckung des Lazarus verschmolzen, während der Orient auf
seinen Gedankenwegen zu ganz anderen Formen gelangte.

Die Jonasszenen in den beiden letzten Feldern mögen neben die ezechiehsche
Vision gerückt worden sein, weil der Auferstehungsgedanke hier wie dort besonders
deutlich zum Ausdruck kommt. Sie weichen in nichts von den üblichen ab, wie
sie uns auch in Rom so häufig begegnen, bis auf die Staude, die über dem ruhenden
Jonas rankt. Hier liebte die römische Kunst es, eine italienische Lattenlaube zu
malen, die von der Kürbispflanze berankt wird. Um diese recht deutlich zu kenn-
zeichnen, zeichnete man meistens lange Flaschenkürbisse, die herabhängen, hinzu"'.
Die Jonasdarstellungen haben infolge ihrer frühen und großen Verbreitung auch
früh einen festen Typus angenommen. Daß die Schiffer den Propheten gerades-
wegs in den Rachen des Ungeheuers warfen, ist eine Zusammenfassung der
Auswerfung und der Verschlingung, die uns schon im Cubiculum IV von S.
Pnscilla am Ende des II. Jahrh. begegnet"". Auch die Taube ist eine uralte Zu-
gabe zu den Jonasbildern"1'.

Es bleibt noch übrig, die allgemeinen Ergebnisse festzustellen. Zunächst
dürfen wir den Bilderzyklus unseres Glases als ein gemaltes Gebet bezeichnen.
Man wird in derselben Weise auch die Bilderreihen einiger anderer Goldgläser
richtig kennzeichnen, so vor allem des Kölner Glases der Sammlung Disch. Noch
deutlicher trägt diesen Charakter die gravierte Schale aus Podgontza, wo die
Beischriften unmittelbar Gebeten entnommen zu sein scheinen, und das eine
der erwähnten Kuppelgemälde in El Kargeh. Hier eröffnet eine weibliche mit
l-Y.XJJ überschnebene Gestalt, die Personifikation des Gebetes, die Reihe, die
von Jakob, Noe, Maria, Paulus und Thekla, Eva und Adam, Sara, Isaak und
Abraham und Daniel zwischen Irene und Dikaiosyne gebildet wird. Dürfen wir
mit Michel annehmen, daß ein exorzistischer Charakter dem Gebete beigelegt
wurde, so dürfte man auch in der Wahl der Schale als Totenbeigabe eine apotro-
päische Absicht vermuten, vielleicht sogar schon für die Herstellung selbst.

Höchst merkwürdig sind die einzelnen Bilder, durch die der Künstler die
Gebetsreihe wiedergegeben hat. Daniel kommt, wie wir sahen, in gleicher Form
nicht mehr, mit vier Löwen vielleicht noch einmal vor, die drei Jünglinge nicht
mehr unbekleidet. Auch das Thekla- und Ezechielbild sind in dieser genauen
Form ohne ihresgleichen, dazu beide die ältesten erhaltenen Darstellungen. Die
Heilung des Blindgeborenen kommt wenigstens auf Goldgläsern nicht mehr wieder
vor. Dabei handelt es sich aber nach vielen Anzeichen nicht um Launen des
Künstlers, sondern um Übernahme von Vorlagen, die ehedem verbreitet waren,
aber sonst keine gleichartigen Nachbildungen hinterlassen haben. Bei den drei

" Das kleine herabhängende Gebilde scheint auch ein Flaschenkürbis zu sein.

68 W i 1 p e r t , Malereien S. 369.

69 Sie verdankt ihre Beifügung der semitischen Wortbedeutung des Namens des Pro-
pheten: Taube.
 
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