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Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

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Heft 10-11
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Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis zum Ende der Gotik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0152

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140 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 10/11

die überwiegende Mehrzahl aus dem XV. Jahrh.53. Für die Domkirchen
dürfen wir feste Predigerstellen beim Ausgange des Mittelalters wohl allge-
mein annehmen, aber auch bei zahlreichen Pfarrkirchen sind sie nachweisbar.

Der Umstand, daß gerade in den bedeutendsten Kirchen die gotischen
Prachtkanzeln erst sehr spät errichtet wurden — so in Straßburg, Basel,
Freiburg, Ulm, Regensburg und Wien —, spricht dafür, daß es hier schon
vorher Kanzeln gegeben haben muß, zumal da wir an diesen Kirchen viel-
fach schon früh die Tätigkeit berühmter Prediger nachweisen können. Manche
Kirche wird noch während der Gotik eine zweite, neue Kanzel erhalten
haben. In den Kirchenmeisterrechnungen von St. Stephan zu Wien heißt
es zum Jahre 1417: „dem tischer von einem predigstuel ze machen. Summa
6 sh. dn."; weiter zum Jahre 1430: „Maister Niclasen, slosser, dem Scherrubel,
das er der kirchen gemacht hat: den chrancz auf den predigstuel 2 tl. dn. —
zwo klampffen ze machen zum predigstuel 14 dn."54 Da die jetzige pracht-
volle Steinkanzel aus dem Anfang des XVI. Jahrh. stammt, gab es also vor
dieser an St. Stephan mindestens schon eine Holzkanzel. Auch im Dom
zu Basel wurde 1486 eine hölzerne Kanzel durch die jetzige reiche Stein-
kanzel ersetzt. Bezeichnend ist, daß in beiden Fällen den Steinkanzeln
solche von Holz vorausgingen. Demnach scheinen die Holzkanzeln das Pri-
märe zu sein, wenn auch die älteste erhaltene, sicher datierte Holzkanzel
— im Dom zu Naumburg, jetzt außer Gebrauch65 — erst aus dem Jahre 1 466
stammt.

Vermutlich waren die ersten Holzkanzeln ziemlich einfach, so daß sie
deshalb schon bald durch neue ersetzt wurden. Sie werdefi von den Bettel-
mönchskanzeln zunächst wohl nur wenig verschieden gewesen sein, lag es
doch nahe, hier am Vorhandenen anzuknüpfen. Belegen läßt sich die frühe
Entwicklung der Holzkanzeln nicht, da eben aus den beiden ersten Dritteln
des XV. Jahrh. keine erhalten sind. Daß aber die kastenförmigen Kanzeln
der Bettelmönche in dieser Zeit noch in Gebrauch waren, dafür sprechen
die im XV. Jahrh. häufig sich findenden Wiedergaben auf Gemälden, Minia-
turen, Holzschnitten, Glasfenstern und Schnitzaltären56. Diese Darstellungen
zeigen bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hinein meist den seit dem
XIII. Jahrh. üblichen kastenförmigen Typ. Auf einem besonderen Fußgestell
erhebt sich die drei Seiten eines Vierecks bildende Holzbrüstung, zu der

X 63 Janßen: a. a. 0., I, 43. Linsenmayer: a. a. 0., S. 112. J. Falk: Dom-
und Hofpredigerstellen in Deutschland im Ausgange des Mittelalters. Historisch-politische
| Blätter 1881. Bd. 88.

64 K. U h 1 i r z : Die Rechnungen des Kirchmeisteramtes von St. Stephan zu Wien.
Wien 1901. S. 339 u. 458. Von der bei Otte: a. a. O. I, 297 Anm. 2 zum J. 1417
angegebenen Notiz: „Item den Tischler vor ain predig stuel new ze machn und den altn
abzeprechn" ist bei Uhhrz nichts zu finden.
"/- 55 Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, XXIV. Naumburg. S. 170.

56 Als Beispiele aus der großen Zahl seien genannt die Abb. bei Kraus: Geschichte der
christlichen Kunst, II, 1, S. 399 u.412. Steinhausen: Geschichte der deutschen Kultur
— 1913 — I, 422. Rosenthal: Illustrierte Bücher des XV.—XIX. Jahrh., S. 149, Nr. 469.
B e r g n e r: Handbuch der kirchl. Kunstaltertümer in Deutschland, S. 587. Huppertz:
Die altkölnische Malerschule, S. 7. P. L a c r o i x: Sciences et lettres aa moyen age, Paris 1877,
S. 577. Viollet le Duc: Dictionnaire raisonne de l'arch. franc., II, 407.
 
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