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Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

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Heft 10-11
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Rademacher, Franz: Die Kanzel in ihrer archäologischen und künstlerischen Entwicklung in Deutschland bis zum Ende der Gotik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0153

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Nr. 10/1

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

141

an der rückwärtigen offenen Seite einige Stufen hinaufführen, über die
Vorderseite der Brüstung, die zuweilen ein Lesepult trägt, hängt bunter Stoff
herab. Die Einzelausführung, vor allem der Brüstungsseiten und Gesimse,
wird mit der fortschreitenden Entwicklung reicher57. Ein Rückschluß von
diesen bildlichen Wiedergaben auf die Entwicklung der Holzkanzel ist nur
bedingt möglich; außerdem spielt hier auch die Entwicklung der Steinkanzel
herein, auf die erst später eingegangen werden soll68.

Wie die gesamte gotische Kirchenausstattung, so hat auch der Bestand
an gotischen Kanzeln im Laufe der Jahrhunderte schwere Verluste erlitten.
Vor allem in der Barockzeit wurden
die vielfach als unpraktisch und nüch-
tern empfundenen gotischen Kanzeln
in großer Zahl aus den Kirchen ent-
fernt, und soweit sie nicht an be-
nachbarte kleinere Kirchen kamen,
wurden sie zerstört. Aber noch bis
in unsere Tage hinein ging manches
Stück aus Gleichgültigkeit zugrunde.
Trotz dieser Verluste ist die Zahl
der erhaltenen gotischen Kanzeln
ziemlich beträchtlich59. Die meisten
stammen aus der Spätzeit des XV.
und dem Beginn des XVI. Jahrh.

Der Standort der Kanzel in der
Kirche ist verschieden. Bestimmte
Vorschriften hierüber scheint es nicht
gegeben zu haben; wir finden sie
eben so oft auf der Evangelien- wie
auf der Epistelseite. Praktische Ge-
sichtspunkte waren für die jeweilige
Auswahl des Platzes maßgebend. In
größeren, mehrschiffigen Kirchen
steht die Kanzel an einem Pfeiler

Abb. 6.

Kanzel in St. Martin in Landshut.

57 Eine Erinnerung an diese frühen
Kanzeln scheint bei der aus Backsteinen

gemauerten Kanzel von Limberg in Oberbayern vorzuliegen (Abb.: Kunstdenkmäler von
Bayern: Oberbayern II, 2015). Sie besteht aus einer einfachen, glatten, von fensterartigen
Öffnungen durchbrochenen Brüstung und wird auf zwei Stufen erstiegen. Unverzierte Gesimse
bilden oben und unten den Abschluß.

58 Die im XV. Jahrh. weit verbreiteten steinernen Außenkanzeln, die nach Zweck, Anlage
und Ausführung sehr stark differenzieren, so daß kaum zwei einander entsprechen, sollen hier
nicht behandelt werden.

59 Infolge der für manche Gebiete noch nicht abgeschlossenen Inventarisation, auf die
ich für die Heranziehung des Materials in der Hauptsache angewiesen war, ist eine vollständige
Übersicht heute noch nicht möglich. Es mögen in Deutschland selbst etwa
200—230 sein, dazu kommen in Tirol, Österreich und Böhmen noch
etwa 60—70. Die einzige bisher gegebene Zusammenstellung hat 0 11 e: a. a. 0. I, 298 ff.
Er zählt etwa 100 Kanzeln auf, jedoch ohne Stellungnahme, nur nach Landschaften gruppiert.
 
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