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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 2
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Die Geschichte der Waffe im höheren militärischen Unterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0052
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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

mit Erfolg- anzugreifen; wie ist diese Frage in frühe-
ren Zeiten mit anders gearteter Bewaffnung gelöst
worden; welche Unterschiede bestehen zwischen
früher und jetzt, bei gleichem Zweck und verschie-
denen Mitteln?
Zu erschöpfender Beantwortung dieser Fragen
reicht kein Menschenleben aus: wir sind daher für
unsere Lehrpläne zu einer erheblichen Sichtung des
Materials gezwungen, wollen wir nicht eine Spezial-
wissenschaft schaffen, welche in der meist viel zu
gering veranschlagten Masse des vom angehenden
Truppenfiihrer zu Lernenden viel zu viel Zeit weg-
nehmen würde.
Nun ist es eine unbestreitbare Thatsache, dass
die historische Waffenkunde bis zur Zeit Friedrichs
des Grossen für taktische Verhältnisse im modernen
Sinne keinerlei Anhaltspunkte giebt, welche nicht
an sich selbstverständlich wären. Dass man im
Kriege nur durch den Stoss ins Herz des Feindes
die Entscheidung herbeiführt, d. h. dass man den
Gegner in seinem Lande angreifen soll, dass man
zur Entscheidung nie stark genug sein kann, dass
Flanke und Rücken empfindlicher sind als die Front,
das alles sind Lehren, die stets gegolten haben und
gelten werden, ganz gleichgültig, ob meine Truppen
mit Bogen und Pfeil oder mit Schnellfeuergewehren
bewaffnet sind, ob sie Harnisch oder Lendenschurz
tragen. Ja, das Studium der Wafifenlehre vor der
Zeit Friedrichs, der zuerst mit seiner Feuertaktik
eine grosse Umwälzung vollführte, hat sogar, möchte
ich sagen, nur kulturhistorischen Wert, diesen aller-
dings im höchsten Grade: für die moderne Truppen-
führung ist kein praktischer Nutzen daraus zu ent-
nehmen. Denn auch die kulturgeschichtlichen Fol-
gerungen, welche aus der Wafifenkunde zu ziehen
sind, können aus der Zeit von Friedrich ab für den
Bedarf des modernen Truppenführers ergiebiger ge-
zogen werden, als aus früheren Perioden, weil in
diesen die Feuerwaffe noch nicht die ihr gebührende
Geltung erfahren hatte.
Der Spezialist in historischer Waffenkunde wird,
so glaube ich, leicht in den Fehler verfallen, den
Einfluss, den Art und Wirkung der Waffen auf
Strategie und Taktik haben, zu hoch anzuschlagen.
Die Geschichte zeigt aber, dass grosse Feldherren
und tüchtige Truppen alle Voraussagungen zu
Schanden machten, welche auf Wafifenwirkung ge-
stützt, die Unmöglichkeit irgend einer Kriegshand-
lung behaupteten. Was die Garden vor St. Privat
geleistet haben, hätte vorher jeder für ausgeschlossen
erklärt; es ging aber doch, trotz des furchtbaren
Feuers. Der Wille wird nicht gebeugt, wir dürfen
also nicht von einer Abhängigkeit der Strategie und
Taktik von der Waffe sprechen, sondern eher um-
gekehrt.
Von Friedrich dem Grossen ab datiert nun aber
eine Periode, welche es verdient, bezüglich der in
ihr verwendeten Waffen genauer auch im höheren
militärischen Unterricht betrachtet zu werden. Mit

ihm erst beginnt eine wirkliche Feuertaktik, die es
bisher nur in Anfängen gab. Und in der geschicht-
lichen Entwickelung dieser Feuertaktik stehen wir
noch heute, nicht wissend, wohin sie bei den
gigantischen Fortschritten der Technik führen wird.
Betrachten wir die Entwickelung der Waffen in
dieser Periode und ergründen wir, wie die grossen
Feldherren die Wirkung dieser Waffen unter ihren
Willen zu zwingen wussten, so ist das meiner Mei-
nung nach die historische Waffenkunde, wie
wir sie auf höheren militärischen Bildungs-
anstalten brauchen, und wie sie vielleicht mehr
als bisher gepflegt zu werden verdient. Schon dieses
Thema ist umfangreich genug, um einen nicht ge-
ringen Teil der wenigen verfügbaren Zeit zu füllen,
welche dem höheren militärischen Unterricht zur
Verfügung steht. Ein Studium, nur kultur-
geschichtlicher, technischer oder künstleri-
scher Bildung halber muss dem Interesse
des einzelnen überlassen bleiben; denn die
Zeit ist schon für die unbedingt nötigen rein mili-
tärischen Fächer sehr knapp bemessen! —
Sollte nun für die genannte Periode ein Lehr-
plan aufgestellt oder ein Lehrbuch verfasst werden,
so kann das vielleicht nach der Stoffeinteilung ge-
schehen, welche ich nachstehend vorzuschlagen mir
erlaube, ohne mich als besonders sachverständig
hinstellen zu wollen.
A. Einleitung.
Handfeuerwaffen, blanke Waffen, Artillerie und
Schutzwaffen:
1. Im dreissigjährigen Kriege — Gegensatz
zwischen Gustav Adolph und allen anderen
Feldherren;
2. zur Zeit Ludwigs XIV. und Eugens: nur
letzterer bedeutet gegen Gustav Adolph
keinen Rückschritt;
3. zur Zeit Friedeich Wilhelms I.: höchste Aus-
nutzung und äusserst geschickte Verbesserung
der gegebenen Kampfmittel; geniale Vor-
bereitung für kommende Kämpfe.
B. Die Zeit Friedrichs des Grossen.
Energische Ausnutzung der vom Vater über-
kommenen Kampfmittel. Besonders charakteristisch
die gleich hohe Bedeutung der blanken und der
Feuerwaffen in der Schlacht.
C. Die Zeit der Revolutionsheere und
Napoleons.
Die Waffen, besonders Feuerwaffen — Infan-
terie und Artillerie betreffend — nicht wesentlich
verbessert, Menschenmaterial in Frankreich wesent-
lich verschlechtert. Daher zunächst scheinbar keine
wesentliche Aenderung in der Art der Wafifen-
wirkung. Napoleon jedoch ist die Art der Bewaff-
nung und der Waffenwirkung gleichgültig. Er ver-
steht am entscheidenden Punkt mit Uebermacht zu
 
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