10. HEFT
R. FORRER, WAFFENSCHMIED UND GOLDSCHMIED
317
Sache aber nicht. Ein Plattner konnte ein vor-
züglicher Plattner, aber ein schlechter Ornamentist
sein — liefs er sich in diesem Fall das Ornament
von einem begabten Gesellen aufätzen oder gab
er zu diesem Zwecke die einzelnen Rüstteile in
ein Ätzmaleratelier? Konnte er das überhaupt
halten wie er wollte oder gaben ihm die Zunft-
gesetze darüber Vorschriften? Existieren solche
Vorschriften und darf man sie verallgemeinern
oder bestanden darüber in den Städten ver-
schiedene Regeln? Man sieht, da ist schon eine
ganze Menge Fragen zur Beantwortung gestellt,
ohne dafs wir schon bei der Prunkrüstung- im
eigentlichen Sinne, d. h. bei der mit Gold und
Silber inkrustierten, angelangt wären!
Ich stelle diese Frage nicht ohne Grund. Ich
bin bei Studien, die auf einem anderen Gebiete
liegen, ganz vor dieselben Rätsel geführt worden,
als ich nämlich vor 14 resp. 10 Jahren den mittel-
alterlichen Zeugdrucken mein Interesse schenkte
und meine Zeugdruckwerke schrieb1). Dabei fiel
mir auf, wie bei Ausübung dieser Kunst fort-
währende Streitigkeiten entstanden über die Zu-
gehörigkeit dieser Künstler zu den Zünften, wie
infolge der verschiedenen im Zeugdruck zur An-
wendung gelangenden Techniken, Materialien und
Künste ein ewiger Kampf zwischen den einzelnen
Gewerben und Zünften herrschte, und wie die
einzelnen Bänder und Städte die obwaltenden
Fragen in ganz verschiedener Weise entschieden.
Meine diesbezüglichen Erfahrungen habe ich in
der Schrift: „Fes imprimeurs de tissus dans leurs
relations historiques et artistiques avec les corpo-
rations“ (Strafsburg 1898) niedergelegt. Sie inter-
essieren uns hier weiter nicht, sie legen aber
nahe, dafs auch die Frage der Ausschmük-
kung der Rüstungen nicht allgemein gül-
tige Schlüsse zuläfst und nur durch archi-
valische Studien an vielen verschiedenen
Orten und von Fall zu Fall gelöst werden
kann.
Was ich also mit diesen Zeilen bezwecke, ist,
anknüpfend an den Fall Geisberg-Schubert, die
Kollegen von der Waffenforschung auf die er-
wähnte klaffende Tücke in unserem Wissen auf-
merksam zu machen und aufzufordern, ein jeder
mög-e das Material bringen, das er in dieser
Richtung findet und ihm geeignet erscheint, die
Frage irgendwie zu beleuchten.
Die Frage gilt, wie ich gezeigt habe, schon
für die geätzten Rüstungen, noch mehr natür-
lich für diejenigen, welche nach Art der Gold-
’) Vgl. dazu Forrer, Die Zeugdrucke der byzantini-
schen, romanischen, gothischen und späteren Kunstepochen
(Strafsburg 1894); derselbe, Die Kunst des Zeugdrucks vom
Mittelalter bis zur Empirezeit (Strafsburg 1898).
und Silbergefäfse feinste Treib- und Ziselierarbeit
tragen, dann für jene, welche mit Gold und Silber
tauschiert und endlich für jene, welche mit Gold-und
Silber en relief inkrustiert sind. Handelt es sich
dann um eine Rüstung, welche auch vom reinen
Plattnerstandpunkt hervorragend ist, so wird die
Frage brennend: ITat ein kunstreicher Plattner
alles dies verfertigt oder war es ein auch in der
Eisentreibarbeit voll bewanderter Goldschmied
oder endlich, haben sich Goldschmied und
Plattner in die Arbeit geteilt?
Mir sind die gleichen Fragen aufgestiegen,
als auf Anregung des Grafen Wilczek mir von
seiten des k. k. Konservators von Schwerzen-
bach der ehrenvolle Auftrag zu teil wurde, zu
der reichen Sammlung alter Schwertknäufe
des letztgenannten Herrn einen Kommentar zu
schreiben. In dem so entstandenen Prachtwerke
„Die Schwerter und Schwertknäufe der Sammlung
Karl v. Schwerzenbach-Bregenz“ (Leipzig, Hierse-
mann, 1905) habe ich die Frage aufgeworfen,
„wer jeweils die Auszierung dieser Knäufe
besorgte; war es ein und dieselbe Werkstätte,
welche den Knauf in seiner Rohgestalt formte
und dann ihn mit Gravierung- oder mit ge-
schnittenen oder g-ar mit Silber und Gold ein-
gelegten Verzierungen ausschmückte?“ Ich darf
hier wohl wiederholen, was ich dort zu dieser
Frage sagte: „Es ist bekannt, wie im Mittelalter
und noch in der aufgeklärten Renaissance strenge
Zunftgesetze die freie Kunstausübung nur zu oft
unterbanden und wie daraus unausgesetzt Streitig-
keiten der verschiedensten Art entstanden. So
ist es auch erklärlich, wenn eine Schwertwaffe
sehr oft zwei, drei oder gar vier Künstler zu
Vätern hatte. Der eine schmiedete die Klinge,
der andere den Eisenkorb; war dieser aus Bronze,
so durfte seine Plerstellung nicht der Waffen-
schmied, sondern mufste sie der Bronzegiefser
besorgen. Und waren Gefäfs und Knauf mit
Silber und Gold auszuzieren, so trat hier der
Goldschmied in seine Rechte. Scharfe Ab-
grenzungen waren schwer und mögen häufig an
verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten
anders geübt worden sein. In Jost Ammanns
„Eigentliche Beschreibung- aller Stände autf
Erden . . . Frankfurt 1568“ wird nicht nur die
Plerstellung der Schwert - und Dolchklingen,
sondern auch der Griffe dem „Messerschmidt“
zugewiesen. Dieser macht dort, je nachdem mans
ihm bezahlt, kostbare und billige Jagdmesser,
die Griffe von Elfenbein, Buchsbaum oder Sandel-
holz, das Holz roh oder schwarz gebeizt, dazu
Schwerter („Langwehr“), Dolche und Degen.
Ebendort empfiehlt sich der Messerschmied aber
auch als Ätzmaler, als Scheidenmacher und als
41
R. FORRER, WAFFENSCHMIED UND GOLDSCHMIED
317
Sache aber nicht. Ein Plattner konnte ein vor-
züglicher Plattner, aber ein schlechter Ornamentist
sein — liefs er sich in diesem Fall das Ornament
von einem begabten Gesellen aufätzen oder gab
er zu diesem Zwecke die einzelnen Rüstteile in
ein Ätzmaleratelier? Konnte er das überhaupt
halten wie er wollte oder gaben ihm die Zunft-
gesetze darüber Vorschriften? Existieren solche
Vorschriften und darf man sie verallgemeinern
oder bestanden darüber in den Städten ver-
schiedene Regeln? Man sieht, da ist schon eine
ganze Menge Fragen zur Beantwortung gestellt,
ohne dafs wir schon bei der Prunkrüstung- im
eigentlichen Sinne, d. h. bei der mit Gold und
Silber inkrustierten, angelangt wären!
Ich stelle diese Frage nicht ohne Grund. Ich
bin bei Studien, die auf einem anderen Gebiete
liegen, ganz vor dieselben Rätsel geführt worden,
als ich nämlich vor 14 resp. 10 Jahren den mittel-
alterlichen Zeugdrucken mein Interesse schenkte
und meine Zeugdruckwerke schrieb1). Dabei fiel
mir auf, wie bei Ausübung dieser Kunst fort-
währende Streitigkeiten entstanden über die Zu-
gehörigkeit dieser Künstler zu den Zünften, wie
infolge der verschiedenen im Zeugdruck zur An-
wendung gelangenden Techniken, Materialien und
Künste ein ewiger Kampf zwischen den einzelnen
Gewerben und Zünften herrschte, und wie die
einzelnen Bänder und Städte die obwaltenden
Fragen in ganz verschiedener Weise entschieden.
Meine diesbezüglichen Erfahrungen habe ich in
der Schrift: „Fes imprimeurs de tissus dans leurs
relations historiques et artistiques avec les corpo-
rations“ (Strafsburg 1898) niedergelegt. Sie inter-
essieren uns hier weiter nicht, sie legen aber
nahe, dafs auch die Frage der Ausschmük-
kung der Rüstungen nicht allgemein gül-
tige Schlüsse zuläfst und nur durch archi-
valische Studien an vielen verschiedenen
Orten und von Fall zu Fall gelöst werden
kann.
Was ich also mit diesen Zeilen bezwecke, ist,
anknüpfend an den Fall Geisberg-Schubert, die
Kollegen von der Waffenforschung auf die er-
wähnte klaffende Tücke in unserem Wissen auf-
merksam zu machen und aufzufordern, ein jeder
mög-e das Material bringen, das er in dieser
Richtung findet und ihm geeignet erscheint, die
Frage irgendwie zu beleuchten.
Die Frage gilt, wie ich gezeigt habe, schon
für die geätzten Rüstungen, noch mehr natür-
lich für diejenigen, welche nach Art der Gold-
’) Vgl. dazu Forrer, Die Zeugdrucke der byzantini-
schen, romanischen, gothischen und späteren Kunstepochen
(Strafsburg 1894); derselbe, Die Kunst des Zeugdrucks vom
Mittelalter bis zur Empirezeit (Strafsburg 1898).
und Silbergefäfse feinste Treib- und Ziselierarbeit
tragen, dann für jene, welche mit Gold und Silber
tauschiert und endlich für jene, welche mit Gold-und
Silber en relief inkrustiert sind. Handelt es sich
dann um eine Rüstung, welche auch vom reinen
Plattnerstandpunkt hervorragend ist, so wird die
Frage brennend: ITat ein kunstreicher Plattner
alles dies verfertigt oder war es ein auch in der
Eisentreibarbeit voll bewanderter Goldschmied
oder endlich, haben sich Goldschmied und
Plattner in die Arbeit geteilt?
Mir sind die gleichen Fragen aufgestiegen,
als auf Anregung des Grafen Wilczek mir von
seiten des k. k. Konservators von Schwerzen-
bach der ehrenvolle Auftrag zu teil wurde, zu
der reichen Sammlung alter Schwertknäufe
des letztgenannten Herrn einen Kommentar zu
schreiben. In dem so entstandenen Prachtwerke
„Die Schwerter und Schwertknäufe der Sammlung
Karl v. Schwerzenbach-Bregenz“ (Leipzig, Hierse-
mann, 1905) habe ich die Frage aufgeworfen,
„wer jeweils die Auszierung dieser Knäufe
besorgte; war es ein und dieselbe Werkstätte,
welche den Knauf in seiner Rohgestalt formte
und dann ihn mit Gravierung- oder mit ge-
schnittenen oder g-ar mit Silber und Gold ein-
gelegten Verzierungen ausschmückte?“ Ich darf
hier wohl wiederholen, was ich dort zu dieser
Frage sagte: „Es ist bekannt, wie im Mittelalter
und noch in der aufgeklärten Renaissance strenge
Zunftgesetze die freie Kunstausübung nur zu oft
unterbanden und wie daraus unausgesetzt Streitig-
keiten der verschiedensten Art entstanden. So
ist es auch erklärlich, wenn eine Schwertwaffe
sehr oft zwei, drei oder gar vier Künstler zu
Vätern hatte. Der eine schmiedete die Klinge,
der andere den Eisenkorb; war dieser aus Bronze,
so durfte seine Plerstellung nicht der Waffen-
schmied, sondern mufste sie der Bronzegiefser
besorgen. Und waren Gefäfs und Knauf mit
Silber und Gold auszuzieren, so trat hier der
Goldschmied in seine Rechte. Scharfe Ab-
grenzungen waren schwer und mögen häufig an
verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten
anders geübt worden sein. In Jost Ammanns
„Eigentliche Beschreibung- aller Stände autf
Erden . . . Frankfurt 1568“ wird nicht nur die
Plerstellung der Schwert - und Dolchklingen,
sondern auch der Griffe dem „Messerschmidt“
zugewiesen. Dieser macht dort, je nachdem mans
ihm bezahlt, kostbare und billige Jagdmesser,
die Griffe von Elfenbein, Buchsbaum oder Sandel-
holz, das Holz roh oder schwarz gebeizt, dazu
Schwerter („Langwehr“), Dolche und Degen.
Ebendort empfiehlt sich der Messerschmied aber
auch als Ätzmaler, als Scheidenmacher und als
41