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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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7. Heft
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Gohlke, Wilhelm: Das Geschützwesen des Altertums und des Mittelalters, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0220
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7. HEFT W. GOHLKE, DAS GESCHÜTZWESEN DES ALTERTUMS UND DES MITTELALTERS

197

schofsgewicht zugrunde, um den Durchmesser
der Spannervenlöcher zu bestimmen und benannte
die Geschütze nach Minen und Talenten des Ge-
schofsgewichts. Man hatte solche von 9, 1 31/2,
18, 27, 45, 54, 135 und 162 Pfund8), (zehnminige bis
dreitalentige) zu Kalibern von 21 bis 55,6 cm.


Die Steine dieser Geschütze waren oft in ge-
branntem Ton eingeschlossen; es hatte dies den
Zweck, dafs diese Geschosse, die beim Aufschlagen
zerschellten, nicht von den Geschützen des Feindes
benutzt werden konnten.
Die höchste Wurfweite kann auf etwa 750 m
angenommenwerden; die gewöhnlichen, namentlich
die schwereren Geschütze, warfen viel kürzer. Mit
dem eintalentigen Palintonon3 4), dessen Geschosse
die Mauerzinnen, also ein oft sehr hochliegendes
Ziel zerstören sollten, stellte man sich 130 bis 210 m
vom Ziel entfernt auf.
Nachrichten über die Wirkung der Palintona
im Altertum sind nur einige wenig zuverlässige
erhalten.
Josephus: Kriege der Juden, berichtet von
den besonders wirksamen talentigen Palintona
der X. römischen Legion. Sie trafen aus einer
Entfernung von 360 m die Juden auf dem Wehr-
gang der Mauer. Plutarchs Angaben über die
Wirkung der Geschütze des Archimedes in Syra-
kus (214 — 212 v. Chr.), ebenso die Angaben von
Cäsar, Prokop und Mönch Abbo lassen nicht er-
kennen, welcher Art die bei ihnen benutzten Ma-
schinen waren.
Ein vom Oberst Schramm in M etz im Jahre 1904
rekonstruiertes Palintonon schofs eine einpfündige
Bleikugel von 4,4 cm Durchmesser 300 m, eine
zweipfündige Steinkugel von 9,6 cm Durchmesser
184 m weit. Sein Geschütz war 2,6 m lang und
1,3 m hoch, der Durchmesser der Spannerven be-
trug 13 cm.
Bei Versuchen von Payne-Gallwey (The pro-
jectile throwingengines of the ancients,i907)wurden
Steine von 0,45 kg 270 bis 360 m weit geworfen.
Die Armlängen seines rekonstruierten Geschützes
betrugen 61 cm, der Durchmesser der Spannerven
10 cm.

3) Zu 0,5 kg
4) 26,5 kg = Geschofs.

Das talentige Palintonon der Alten war 10 m
lang, 5 m hoch und 4 m breit. Das darin bearbeitete
Material und ebenso die Spannerven waren 25 mal
schwerer als das zugehörige Geschofs.
Der Preis eines zehnminigen (4,5 kg) Palinto-
nons stellte sich nach Philon auf 4000 Drachmen
(etwa 3200 Mark). Die Aufgabe der Palintona
bestand beim Angriff darin, die hinter Deckungen
stehenden Feinde und Geschütze zu treffen. Man
stellte sie, ihrer Schwere wegen, selten in den Be-
lagerungstürmen auf, während der Belagerte sie
in Geschützstände der Vorwerke und hinter die
Ringmauer stellte. Im Felde dienten sie haupt-
sächlich zur Lagerverteidigung; gegen Schiffe ver-
wandt, sollten sie das Gefüge derselben lockern;
um die Schiffswände zu durchschlagen, reichte
die lebendige Kraft der Steine ebensowenig aus,
als Bresche in Mauern zu legen. Das Verhältnis
zwischen Palintona und Euthytona im Park war
etwa 1:6.
III. Die einarmigen Steilbahngeschütze.
(Fig. 6 bis 8.)
Der Einarm, im Soldatenwitz, der ihn mit dem
Waldesel verglich, welcher von Hunden ver-
folgt mit seinen Hinterhufen Steine auf sie wirft,
Onager genannt, ist eine Riesenschleuder.
Er besteht aus einem Untergestell (Fig. 6),
das aus zwei starken durch Riegel auseinander-
gehaltenen Schwellen besteht. In der Mitte oder


Fig. 6.
Zeughaus Berlin — nach Schramm.
im vorderen Drittel derselben befindet sich je eine
Durchlochung zur Aufnahme der metallenen Spann-
buchsen und der Nervenbündel, die hier also hori-
zontal gelagert sind. Durch die Mitte derselben
ist ein starker Arm von Holz — Wurfhebel,
Schwengel — gesteckt, der nach vorn und hinten
bewegt werden kann. Der Arm trägt an seinem
oberen Ende einen Beschlag mit Haken, in den
eine Schleuder gehängt (Fig. 7) werden kann,
oder er ist hier löffelartig zur unmittelbaren Auf-
nahme eines Steins gestaltet (Fig. 7 a) Es kommen
 
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