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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

DOI Heft:
7. Heft
DOI Artikel:
Gohlke, Wilhelm: Das Geschützwesen des Altertums und des Mittelalters, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0221

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198

W. GOHLKE, DAS GESCHÜTZWESEN DES ALTERTUMS UND DES MITTELALTERS V. BAND

auch Schleuderarme vor, die gleichzeitig ein Lager
für den Stein und die Schleuder besitzen.


Am hinteren Ende der Schwellen ist eine
Haspel mit Tau angebracht, durch die der Schleuder-
arm nach rückwärts gezogen werden kann. Eine
Sperrvorrichtung, entweder Sperrad mit Zahn an
dem Haspel oder ein Sperrhaken am Hinterriegel
halten den Schleuderarm in der Ladestellung fest.


Fig. 7 a.
Aus Sir Ralph Payne-Gallwey.

Durch das Zurückziehen des Arms- wird das
Spannervenbündel überspannt (Fig. 7 und 7 a), das
Geschütz ist dann schufsfertig. Wird die Sperrvor-
richtung gelöst, so reifst das Spannervenbündel
den Arm nach vorn und oben, er schlägt gegen ein
Widerlager und der Stein saust aus der Schleuder
oder dem Löffel im Bogen auf das Ziel.
Das Widerlager bestand aus einem im Vorder-
riegel verzapften Schrägbalken, der sich nach
hinten neigte. Er wurde durch zwei im Hinter-
riegel lag-ernde Schrägstreben gestützt, zwischen
die der Wurfhebel durchschlug. Oftmals bestand
das Widerlager auch aus zwei starken, senkrechten,
in den Wänden eingezapften Ständern, an deren
Holm der Wurfhebel anschlug. Die Anschlag-
flächen derWiderlager wurden durch ein starkes,mit
Haaren oder Werg gepolstertes Kissen geschützt.
In vielen Fällen war das Geschütz mit Rädern
versehen.
Die Schleuder verstärkt die Wirkung des
Geschützes, indem die Länge des Wurfhebels um
ihr Mafs vergröfsert wird. Die freie Öse der
Schleuder löst sich aus dem Haken, wenn die
Schleuder nahe an der Verlängerung der senk-
rechten Richtung des Wurfhebels angelangt ist5),
5) Nach Versüchen, die Payne-Gallwey angestellt hat,
trennt sich das Geschofs, sobald der Wurf hebel beim Em-
porschwenken die Lage von 45 Grad gegen die Horizontale
erreicht hat.

und der Stein geht mit um so gröfserer Geschwindig-
keit fort, je länger die Scheuder ist. Ein Drittel
der Armlänge soll ein günstiges Mafs für die
Schleuder sein. Das Widerlager kann dadurch
ersetzt werden, dafs der Wurfhebel so durch den
Sehnenstrang gesteckt wird, dafs ein kurzes Stück
derselben darüber hinausragt und gegen ein Seil
schlägt, das zwischen den Wänden, unterhalb des
Nervenbündels gespannt ist (Fig. 8), wie dies in


einer Zeichnung aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
der Hof- und Staatsbibliothek zu München Cod.
germ. Nr. 600 angedeutet wird.
Das Geschofs des Onagers war der Stein,
dessen Gröfse und Gewicht von der Gröfse des
Geschützes, insbesondere von der Stärke der Spann-
nerven abhängig war. Es wird von Geschützen
berichtet, die Steine von 30 kg Gewicht warfen.
Uber die erlangten Reichweiten dieser ein-
armigen Torsionsgeschütze liegen verschiedene
Angaben aus alter Zeit vor.
Die grofsen Onager der Römer mit 3 bis 3,6 m
langem Wurfarm sollen Steine von 18 bis 27 kg auf
Entfernungen von 320 bis 400 m geworfen haben.
Dafs solche Reichweiten nicht übertrieben
sind, geht aus folgender Betrachtung hervor.
Die Bogenschützen waren fähig, ihre Pfeile auf
240 bis 260 m weit zu schiefsen, die Belagerer
mufsten mit ihren Maschinen also mindestens um
diese Entfernung von den Werken entfernt bleiben.
Da sie aber nicht allein den Mauergang, sondern
über diesen hinweg, die Häuser und das Volk im
Innern des Platzes treffen sollten, so mufsten die
Geschütze mindestens jene Wurfweite von 320
bis 400 m besitzen.
Bei den in kleineren Mafsstabe rekonstruierten
Onagers, die im 19. und 20. Jahrhundert versucht
wurden, erreichte man nachstehende Schufsweiten:
Sir Ralph Payne-Gallweys Onager, der einen
Wurfhebel von 2,13 m Länge hatte und keine
Schleuder besafs und dessen Nervenbündel 20,3 cm
(8inches) stark war, warf einen Stein von 3,63 kg
400 bis 450 m weit; der vom Oberst Schramm er-
baute Onager schofs eine Bleikugel von 1/2 kg Ge"
 
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