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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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7. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0246

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LITERATUR

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LITERATUR

Dr. K. Jacobs, Das Aufkommen der Feuerwaffen
am Niederrheine bis zum Jahre 1400. Verlag
von Peter Hanstein, Bonn 1910. 137 S.
Wer bei seinen Forschungen in Archiven in die alten
Rechnungsbücher — besonders der Städte — Einblick ge-
winnen konnte, der weifs, welch eine Fülle wertvoller Nach-
richten in diesen vergilbten Folianten verborgen ist. Solches
Quellenmaterial, Stadtrechnungen von Aachen, Deventer,
Duisburg, Essen, Köln, Wesel u. a. m. setzen den Verfasser
in die Lage, manche Lücke in der waffengeschichtlichen
Forschung auszufüllen, das Dunkel des ersten Stadiums der
Feuerwaffen in mancher Hinsicht aufzuhellen.
Pro una bussa ferrea ad sagittandum tonitrum 5 Schild e...
Diese Notiz der Aachener Stadtrechnung von 1346 ist die
älteste sichere Kunde über das Aufkommen der Feuer-
waffen in Deutschland, der sich solche von 1348 und 1355,
wo in Deventer und in der Grafschaft Holland Geschütze
angeschafft werden, gleichwertig anschliefst. Diese Daten
u. a. m. geben Jacobs nun Anlafs, Stellung zu den wider-
streitenden Ansichten Köhlers und Jähns’ zu nehmen, von
denen dieser die Priorität der Erfindung der Feuer-
waffen für Deutschland beansprucht, die jener bestreitet.
Gegenüber den italienischen Quellen, die bereits seit dem
Anfang der dreifsiger Jahre des 14. Jahrhunderts von der
praktischen Verwendung der Feuerwaffen südlich der Alpen
berichten, kann nun der Verfasser an Hand seines Quellen-
materials keine derartige Verwertung der Feuerwaffen am
Niederrhein vor der Mitte der vierziger Jahre des 14. Jahr-
hunderts nachweisen, so dafs also jene Ansicht hinfällig
wird, die die Erfindung der Feuerwaffen für den Niederrhein
behauptet, die Deutschland als das Erfindungsland der Feuer-
waffen bezeichnet. Mit dieser Schlufsfolgerung Jacobs’ ist
eng eine andere verknüpft, die in dem rheinischen Pulver-
mönch Berthold Schwarz keine historische Persön-
lichkeit sehen will.
Ob dies Ergebnis der Forschungen des Verfassers
dauernde Gültigkeit bewahren wird, möchten wir nicht als
bestimmt annehmen. Der Nachweis, dafs ums Jahr 1331 keine
Feuerwaffen am Niederrhein in Gebrauch waren, ist zu un-
sicher, da wertvolles Quellenmaterial, wie z. B. die Kölner
Stadtrechnungen, die erst von 1370 an vorhanden sind, ver-
loren gegangen • oder noch unentdeckt sind, und über die
Teilnahme oberdeutscherund österreichischer Gegenden an
der Verfertigung der Feuerwaffen die Forschung wenig oder
garnichts berichtet. Und leider ist der Verfasser bei seinen
Untersuchungen einer wichtigen Spur nicht nachgegangen,
nämlich nach jenen Orten zu forschen, von denen die
einzelnen niederrheinischen Städte und Landesherrn die
Feuerwaffen beziehen. Mehrfach erfahren wir ja aus den
Rechnungsnotizen die Namen der Orte und Meister, die
Feuerwaffen liefern. Hier den Stätten der Waffenindustrie
nachzuspüren, wäre sicherlich eine verdienstliche, wenn auch
schwere Arbeit gewesen.
Jacobs’ Studie enthält dann aber noch viele für den
Waffenforscher interessante Beiträge, die sich eingehender
mit der Beschaffenheit der niederrheinischen Feuerwaffen
des 14. Jahrhunderts — der Herstellung, der Montierung und
der zugehörigen Munition befassen. Der Verfasser zeigt,
wie ursprünglich die L o t b ü c h s e n und zwar k 1 e i n e Wa f f e n,
während die gröfserennur als Ausnahmen vorkamen, am

Niederrhein in Gebrauch waren; wie dann ferner um 1380
vom Westen die Steinbüchsen übernommen werden. In
den alten zu Amsterdam und Venedig befindlichen Bom-
barden sieht Jacobs unzweifelhaft die älteste Gattung aller
bekannten Steinbüchsen verkörpert. Auf Grund der Unter-
suchungen über die Verfertigungsart der alten Büchsen
kommt der Verfasser zu dem Schlufs, dafs jenes Zusammen-
schweifsen spiralförmig gewundener Eisenbänder die ältere
Technik ist, das Verfahren dagegen, einzelne Eisenstäbe
zusammenzuschmieden und mit eisernen Reifen zu um-
spannen, erst in späterer Zeit angewandt wurde. Jacobs’
Forschungen erstrecken sich dann noch auf Berichtigungen
und Einschränkungen mancher Ansichten der Waffen-
historiker, So berichtigt er z. B. Köhlers Ansicht, dafs
man sich in Deutschland vor Einführung der Steinbüchsen
nur der Bleikugeln als Geschosse bediente, dahin, dafs bereits
1373 schmiedeeiserne Kugeln in Gebrauch sind. Bei
einer andern Gelegenheit weist der Verfasser auf die un-
richtige Deutung der „Donnerhaken“ hin, in denen einige
Forscher bereits das Vorkommen der bedeutend späteren
Haken (büchsen) vermuten, die aber nur Gluteisen sind,
die zur Entladung der Büchse ins Zündloch getrieben werden.
Zum Schlufs wendet sich Jacobs den Fortschritten in der
Entwicklung der Feuerwaffen zu, unter denen sich gegen
Ausgang des 14. Jahrhunderts bereits Büchsen mit mehreren
Pulverkammern — Vogeler genannt — finden. Durch diese
Einrichtung sollte die Feuergeschwindigkeit erhöht werden.
Ob nun der Niederrhein für sich die erste Erfindung
solcher Rohre in Anspruch nehmen darf, ist natürlich nicht
eher zu entscheiden, als bis auch das Quellenmaterial
anderer Gegenden gesichtet ist. In dieser Hinsicht liegt
noch ein grofses Brachfeld vor uns, wo es für den Historiker,
für jeden Freund der Waff enkunde, die diese Untersuchungen
Jacobs’ über die Anfänge der Feuerwaffen mit grofsem
Nutzen lesen werden, noch viel zu bestellen gibt.
Dr. Karl Mews, Essen.
Stammregister und Chronik der Kur- und König-
lich Sächsischen Armee von 1670 bis zum Be-
ginn des zwanzigsten Jahrhunderts, bearbeitet
von Heinrich August Verlohren, weil.
Königl. Sachs. Oberst, herausgegeben von Max
Barthold, Königl. Militärbauinspektor und Franz
Verlohren, Sekretär der Universitätsbibliothek
Leipzig. Verlag von Carl Beck, Leipzig. 537 S.
Beim Durchblättern eines so aufserordentlich aus-
führlichen Werkes wie das vorliegende, fragt man sich
unwillkürlich: aus welchen Quellen hat der Verfasser die
enorme Fülle seiner Angaben geschöpft? Und da stöfst
man unter der Überschrift der 2. Abteilung auf eine Bemer-
kung, die stutzig macht: „Für die Stammlisten der Regimenter
von 1668 an hat eine Zusammenstellung von August v. Minck-
witz, in der Leipziger Zeitung veröffentlicht, zugrunde ge-
legen. Abweichungen von den Angaben in der Geschichte
der sächsischen Armee von Schuster und Francke sind an
den betreffenden Stellen hervorgehoben“. A. a. O. wird die
in der Königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden auf be-
wahrte geschriebene Rangliste von Goephardt als Quelle
genannt. Also keine eigenen archivalischen Forschungen!
Minckwitz ist als ein fleifsiger Aktenforscher bekannt,
Schuster und Francke als unvollständig, ungenau und des-
halb unzuverlässig, im „Goephardt“ findet sich auch mancher
Fehler.
 
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