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HAMPE, ARCHIVALISCHE FORSCHUNGEN
V. BAND
Archivalische Forschungen zur Waffenkunde
Von Dr. Theodor Hampe
(Fortsetzung aus Bd. IV S. 285)
In diesen Schlufspassagen der Supplikation
berührt uns manches seltsam, ist manches wiederum
schwer verständlich. Zunächst Avird uns doch
nicht ohne weiteres recht begreiflich, wie sich
Meister Widerstein über die an ihn von Rats
wegen ergangene Aufforderung, nun endlich —
er hauste mit Unterbrechungen schon 30 Jahre
oder mehr in Nürnberg — Bürger zu werden,
so sehr erbosen, sich dadurch so tief beleidigt
fühlen konnte. Der Gedanke, der Aufforderung
Folge zu leisten, scheint ihm überhaupt nicht ge-
kommen zu sein. Allerdings waren die Kosten,
die das Bürger werden mit sich brachte und nach
sich zog, selbst wenn einem das Bürgerrecht ge-
schenkt d. h. die Aufnahmegebühr erlassen wurde,
nicht ganz unbeträchtlich, und nur ganz hervor-
ragenden Kapazitäten, die der Rat gewissermafsen
um jeden Preis zu Bürgern gewinnen wollte,
wurde ein dann allerdings zuweilen merkwürdig
weitgehendes Entgegenkommen bewiesen. So
wurde beispielsweise dem bekannten Münzmeister
Marquard Rosenberger, als er 1512 Nürnberger
Bürger wurde, Befreiung von der Losung und
Steuer, auch der Nachsteuer oder des Zehnten
sein Leben lang, wenn er bis zu seinem Tode in
Nürnberg bleiben werde, und für seine Kinder in
diesem Falle noch bis ein Jahr nach seinem Tode zu-
gesagt15). — Gleichwohl ist kaum anzunehmen, dafs
unser Meister an den Kosten allein, auch wenn er
weniger glimpflich davongekommen wäre, als es
nachmals Marquard Rosenberger sich ausbedang,
oder an der ihm durch das Bürgerrecht und die
Bürgerpflichten auferlegten Beschränkung der
Freizügigkeit so grofsen Anstofs sollte genommen
haben. Verlangte man doch schwerlich etwas von
ihm, was schlechterdings über seine Mittel ging, und
mufste ihn doch das herannahende Alter allmählich
zu gröfserer Ruhe und Sefshaftigkeit mahnen.
Das Schwergewicht seiner vollkommenen Ab-
lehnung und unumwundenen Weigerung lag ver-
mutlich in seiner von der des Rats abweichenden
Rechtsauffassung und in gekränktem Ehrgefühl.
Er hielt sich an das Wort, das ihm, wie er be-
45) Meister- und Bürgerbuch von 1496 bis 1533 im K. Kreis-
archiv Nürnberg Bl. 207 a.
■hauptete, der engere, geheime, die eigentliche
Regierungsgewalt innehabende Rat der Sieben,
wie man das Kollegium der Älteren Herren auch
nennen könnte, seinerzeit gegeben habe, ihn „un-
vertrieben und unbeschwert“ in Nürnberg wohnen
zu lassen, wenn freilich auch in seinen Bestallungs-
briefen — der vom Jahre 1474 ist uns allerdings
nicht im Wortlaut erhalten — kein derartiger
Passus enthalten Avar. Die seiner Meinung nach
ungerechte Bevorzugung des Lorenz Beheim, und
dafs er nun, in seinem Alter, der Ehre des steuer-
und abgabenfreien Sitzens verlustig gehen sollte,
avo man ihn doch früher immer aufs neue und
mit allen Mitteln an die Stadt zu fesseln bestrebt
gervesen war, kamen noch als verbitternde und
aufreizende Momente hinzu.
Ehe Avir uns demgegenüber zu der Haltung
des Rates seinerseits Avenden, haben wir zuvor
noch eine weitere crux aufzuzeigen, die uns in
diesen letzten Abschnitten der Supplikation Her-
mann Widersteins zu schaffen macht. Der Brief-
schreiber redet da ganz deutlich von seiner letzten
Anstellung, die, wie das auch annähernd zutrifft, vor
14 Jahren erfolgt sei. Der Ratsverlafs vom
23. Juli 1474 spricht indessen, wie bereits erwähnt,
von einer weiteren Anstellung auf nur drei Jahre46)
und ein weiteres Bestallungsbuch, als das mehrfach
zitierte, das im wesentlichen bis zum Beginn der
70er Jahre reicht, hat sich leider nicht erhalten.
Sollen wir daher nun annehmen, dafs schon nach
Ablauf jener drei Jahre, also in der zweiten Hälfte
des Jahres 1477, Aufforderung, Bürger zu
werden, mit der Aufsagung des Soldes in ihrem
Gefolge vom Rat an Hermann Widerstein er-
gangen sei, der Meister seit 1477 keinen Sold
mehr erhalten habe, aber erst 1489 dazu gekommen
sei, sich deswegen mit seiner Supplikation an den
Rat zu wenden? Es scheint das doch kaum
glaublich, wenn auch die Fassung seines Gesuchs
(„der jar aller . . . . , so vil der von der zeit an
solcher aufsagung des dienstes unerschienen dan-
noch pyfs zu irem ausgang da fornen sein gewest“)
auf einen längeren Zeitraum, in dem er keinen
Gehalt mehr bezogen, zu gehen scheint. Völlige
•*«) Vergl. Anhang III, 7.
HAMPE, ARCHIVALISCHE FORSCHUNGEN
V. BAND
Archivalische Forschungen zur Waffenkunde
Von Dr. Theodor Hampe
(Fortsetzung aus Bd. IV S. 285)
In diesen Schlufspassagen der Supplikation
berührt uns manches seltsam, ist manches wiederum
schwer verständlich. Zunächst Avird uns doch
nicht ohne weiteres recht begreiflich, wie sich
Meister Widerstein über die an ihn von Rats
wegen ergangene Aufforderung, nun endlich —
er hauste mit Unterbrechungen schon 30 Jahre
oder mehr in Nürnberg — Bürger zu werden,
so sehr erbosen, sich dadurch so tief beleidigt
fühlen konnte. Der Gedanke, der Aufforderung
Folge zu leisten, scheint ihm überhaupt nicht ge-
kommen zu sein. Allerdings waren die Kosten,
die das Bürger werden mit sich brachte und nach
sich zog, selbst wenn einem das Bürgerrecht ge-
schenkt d. h. die Aufnahmegebühr erlassen wurde,
nicht ganz unbeträchtlich, und nur ganz hervor-
ragenden Kapazitäten, die der Rat gewissermafsen
um jeden Preis zu Bürgern gewinnen wollte,
wurde ein dann allerdings zuweilen merkwürdig
weitgehendes Entgegenkommen bewiesen. So
wurde beispielsweise dem bekannten Münzmeister
Marquard Rosenberger, als er 1512 Nürnberger
Bürger wurde, Befreiung von der Losung und
Steuer, auch der Nachsteuer oder des Zehnten
sein Leben lang, wenn er bis zu seinem Tode in
Nürnberg bleiben werde, und für seine Kinder in
diesem Falle noch bis ein Jahr nach seinem Tode zu-
gesagt15). — Gleichwohl ist kaum anzunehmen, dafs
unser Meister an den Kosten allein, auch wenn er
weniger glimpflich davongekommen wäre, als es
nachmals Marquard Rosenberger sich ausbedang,
oder an der ihm durch das Bürgerrecht und die
Bürgerpflichten auferlegten Beschränkung der
Freizügigkeit so grofsen Anstofs sollte genommen
haben. Verlangte man doch schwerlich etwas von
ihm, was schlechterdings über seine Mittel ging, und
mufste ihn doch das herannahende Alter allmählich
zu gröfserer Ruhe und Sefshaftigkeit mahnen.
Das Schwergewicht seiner vollkommenen Ab-
lehnung und unumwundenen Weigerung lag ver-
mutlich in seiner von der des Rats abweichenden
Rechtsauffassung und in gekränktem Ehrgefühl.
Er hielt sich an das Wort, das ihm, wie er be-
45) Meister- und Bürgerbuch von 1496 bis 1533 im K. Kreis-
archiv Nürnberg Bl. 207 a.
■hauptete, der engere, geheime, die eigentliche
Regierungsgewalt innehabende Rat der Sieben,
wie man das Kollegium der Älteren Herren auch
nennen könnte, seinerzeit gegeben habe, ihn „un-
vertrieben und unbeschwert“ in Nürnberg wohnen
zu lassen, wenn freilich auch in seinen Bestallungs-
briefen — der vom Jahre 1474 ist uns allerdings
nicht im Wortlaut erhalten — kein derartiger
Passus enthalten Avar. Die seiner Meinung nach
ungerechte Bevorzugung des Lorenz Beheim, und
dafs er nun, in seinem Alter, der Ehre des steuer-
und abgabenfreien Sitzens verlustig gehen sollte,
avo man ihn doch früher immer aufs neue und
mit allen Mitteln an die Stadt zu fesseln bestrebt
gervesen war, kamen noch als verbitternde und
aufreizende Momente hinzu.
Ehe Avir uns demgegenüber zu der Haltung
des Rates seinerseits Avenden, haben wir zuvor
noch eine weitere crux aufzuzeigen, die uns in
diesen letzten Abschnitten der Supplikation Her-
mann Widersteins zu schaffen macht. Der Brief-
schreiber redet da ganz deutlich von seiner letzten
Anstellung, die, wie das auch annähernd zutrifft, vor
14 Jahren erfolgt sei. Der Ratsverlafs vom
23. Juli 1474 spricht indessen, wie bereits erwähnt,
von einer weiteren Anstellung auf nur drei Jahre46)
und ein weiteres Bestallungsbuch, als das mehrfach
zitierte, das im wesentlichen bis zum Beginn der
70er Jahre reicht, hat sich leider nicht erhalten.
Sollen wir daher nun annehmen, dafs schon nach
Ablauf jener drei Jahre, also in der zweiten Hälfte
des Jahres 1477, Aufforderung, Bürger zu
werden, mit der Aufsagung des Soldes in ihrem
Gefolge vom Rat an Hermann Widerstein er-
gangen sei, der Meister seit 1477 keinen Sold
mehr erhalten habe, aber erst 1489 dazu gekommen
sei, sich deswegen mit seiner Supplikation an den
Rat zu wenden? Es scheint das doch kaum
glaublich, wenn auch die Fassung seines Gesuchs
(„der jar aller . . . . , so vil der von der zeit an
solcher aufsagung des dienstes unerschienen dan-
noch pyfs zu irem ausgang da fornen sein gewest“)
auf einen längeren Zeitraum, in dem er keinen
Gehalt mehr bezogen, zu gehen scheint. Völlige
•*«) Vergl. Anhang III, 7.