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FACHNOTIZEN
V. BAND
FACHNOTIZEN
George Washingtons Schwert, ein Geschenk
des Theophilus Alte in Solingen. George Washing-
ton, geb. 22. Februar 1732, der Begründer der Un-
abhängigkeit und erste Präsident der Vereinigten
Staaten von Nordamerika, einer der hehrsten
Männer aller Zeiten, starb am 14. Dezember 1799
auf seinem Landsitz Mount Vernon on thePotomac,
Fairfax Country in Virginia. In der Haupthalle
seines dortigen Wohnhauses, das zum amerika-
nischen National-Heiligtum geworden ist, werden
drei Schwerter aufbewahrt. Eines davon, das
George Washington als Oberbefehlshaber im
Freiheitskampfe gegen die Engländer 1776—1783
getragen haben soll, zeigt, wie man mir mitteilte,
folgende Inschrift: „Vertilger des Despotism., |
Beschützer der Freiheit, | Beharrlicher
Mann. | Nimm aus meines Sohnes Hand |
dies Schwert, ich bitte dich. | — Theophilus
Alte, Solingen (Pr.)“. Nachdem mir von ver-
schiedenen Seiten Fragen nach diesem Theophilus
Alte und nach seiner Familie gestellt worden
sind, möchte ich die allerdings knapp bemessenen
Nachrichten, die ich im Laufe der Zeit, zum Teil
vor Jahren, zu sammeln Gelegenheit fand, hier
wiedergeben.
Angehörige der Familie Alte (Aide) lebten
schon im 17. Jahrhundert in Solingen: 1661 starb
Clemens Aldes Söhnlein Abraham. 1709 nennen
die Solinger Kirchenbücher Margarethe Aide als
Taufzeugin. Ein Clamor Alte gehörte 1750 dem
reformierten Kirchenvorstand an und lebte wahr-
scheinlich noch im Jahre 1776, wo ein Bürger
gleichen Namens kräftig gegen die Art, wie die
städtische Akzise erhoben wurde, agitierte.
Leid tut es mir, mich der vielfach verbreiteten
und auch von Rudolf Cronau]) ausgesprochenen
Ansicht, Theophilus Alte habe das Schwert selbst
angefertigt oder aber in eigener Werkstätte her-
stellen lassen, nicht anschliefsen zu können. Bis
zur Aufhebung der alten Llandwerksprivilegien
im Jahre 1809 waren in Solingen nur die Schwert-
schmiede zum Schmieden von Schwert- und Degen-
klingen berechtigt. In ihren Bruderbüchern und
Zeichenrollen findet sich aber nirgends der Name
') New Yorker Staats-Zeitung vom 17. Dezember 1899:
„Mount Vernon, das amerikanische Mekka“ — „Theophilus
Alte war ein berühmter Klingenschmied meiner Vaterstadt
Solingen, der von den Taten Washingtons begeistert, dies
Schwert schuf und es durch seinen eigens nach Amerika
entsandten Sohn dem Helden der Freiheit überreichen liefs.“
„Geschichte der Solinger Klingenindustrie“, Stuttgart 1885:
„Solinger Klingenschmiede und Klingenkauf leute: Elias Alte,
lebte um 1768.“
Alte (Aide) und ebenso wenig ist er vertreten in
den Protokollen der übrigen geschlossenen und
zum Klingenhandel zugelassenen Handwerke:
der Härter und Schleifer und der Schwertfeger,
sowie in den Rollen der vom Klingengeschäft
überhaupt ausgeschlossenen Messermacher.2)
Nun beschäftigte die Solinger Industrie aufser-
dem viele unprivilegierte Arbeitskräfte und wies
manche unprivilegierte Kaufleute auf. Zu diesen
dürften Glieder der Familie Alte gehört haben.
Da den unprivilegierten Kauf leuten das eigent-
liche Klingengeschäft gänzlich untersagt war und
sie Messer und Gabeln zudem auch nicht selbst
anfertigen, sondern blofs von Privilegierten her-
gestellte Waren weiter vertreiben durften, fühlten
sich viele derselben in den engen, mehr und mehr
veralteten Grenzen, die ihrem Wirken gezogen
waren, nicht zufrieden. Umgehungsversuche aller
Art waren häufig, wurden aber von den Gliedern
der privilegierten Bruderschaften, die stolz und
zäh an ihren ererbten Vorrechten hingen, mög-
lichst unterdrückt, auch durch Anrufung der Be-
hörden . DafsunternehmungslustigeUnprivileg ierte
unter solch schwierigen, überlebten Verhältnissen
sich nach Freiheit sehnten und dem Unabhängig-
keitskampfe des nordamerikanischen Volkes und
seinem mit Leib und Seele der Freiheit ergebenen
Führer die wärmsten Sympathien entgegen-
brachten, ist sehr begreiflich. Aus dieser Stimmung
erklärt sich die Inschrift, die Theophilus Alte für
die Klinge des Schwertes wählte, das er durch
seinen Sohn, der vielleicht auch aus den heimat-
lichen Schranken fortverlangte und sein Glück
geschäftlich in der Neuen Welt versuchen wollte,
dem vielbewunderten George Washington über-
bringen liefs.
Wie ich auf Grund eines Briefes des Super-
intendenten von Mount Vernon, Herrn Harrison
H. Dodge, vom 22. Dezember 1906 in Erfahrung
brachte, trägt die eigentliche Klinge kein Zeichen.
Um festzustellen, wer ihr Verfertiger gewesen ist,
wäre es deshalb von Wichtigkeit zu wissen, ob
und welche Zeichen auf der Angel angebracht
sind. Allerdings müfste die Waffe zu dem Zwecke
auseinandergenommen werden. Vielleicht hat Alte
aber absichtlich das Einschlagen der Schmiede-
marke verhindert.
Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts wohnte
ein Theophilus Alte in Solingen. Das 1799 von
dem herzogl.Sachsen-Weimarischen Kommissions-
rat Johann Christian Gädicke herausgegebene
Fabriken-und Manufakturen-Adrefs-Lexikon führt
2) Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Jahr-
gang 1895 S. 1, 20, 36, 1896 S. 66, 1899 S. 23: meine Abhand-
lungen „Die in den privilegierten Handwerken der Solinger
Industrie vertretenen Familiennamen.“
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George Washingtons Schwert, ein Geschenk
des Theophilus Alte in Solingen. George Washing-
ton, geb. 22. Februar 1732, der Begründer der Un-
abhängigkeit und erste Präsident der Vereinigten
Staaten von Nordamerika, einer der hehrsten
Männer aller Zeiten, starb am 14. Dezember 1799
auf seinem Landsitz Mount Vernon on thePotomac,
Fairfax Country in Virginia. In der Haupthalle
seines dortigen Wohnhauses, das zum amerika-
nischen National-Heiligtum geworden ist, werden
drei Schwerter aufbewahrt. Eines davon, das
George Washington als Oberbefehlshaber im
Freiheitskampfe gegen die Engländer 1776—1783
getragen haben soll, zeigt, wie man mir mitteilte,
folgende Inschrift: „Vertilger des Despotism., |
Beschützer der Freiheit, | Beharrlicher
Mann. | Nimm aus meines Sohnes Hand |
dies Schwert, ich bitte dich. | — Theophilus
Alte, Solingen (Pr.)“. Nachdem mir von ver-
schiedenen Seiten Fragen nach diesem Theophilus
Alte und nach seiner Familie gestellt worden
sind, möchte ich die allerdings knapp bemessenen
Nachrichten, die ich im Laufe der Zeit, zum Teil
vor Jahren, zu sammeln Gelegenheit fand, hier
wiedergeben.
Angehörige der Familie Alte (Aide) lebten
schon im 17. Jahrhundert in Solingen: 1661 starb
Clemens Aldes Söhnlein Abraham. 1709 nennen
die Solinger Kirchenbücher Margarethe Aide als
Taufzeugin. Ein Clamor Alte gehörte 1750 dem
reformierten Kirchenvorstand an und lebte wahr-
scheinlich noch im Jahre 1776, wo ein Bürger
gleichen Namens kräftig gegen die Art, wie die
städtische Akzise erhoben wurde, agitierte.
Leid tut es mir, mich der vielfach verbreiteten
und auch von Rudolf Cronau]) ausgesprochenen
Ansicht, Theophilus Alte habe das Schwert selbst
angefertigt oder aber in eigener Werkstätte her-
stellen lassen, nicht anschliefsen zu können. Bis
zur Aufhebung der alten Llandwerksprivilegien
im Jahre 1809 waren in Solingen nur die Schwert-
schmiede zum Schmieden von Schwert- und Degen-
klingen berechtigt. In ihren Bruderbüchern und
Zeichenrollen findet sich aber nirgends der Name
') New Yorker Staats-Zeitung vom 17. Dezember 1899:
„Mount Vernon, das amerikanische Mekka“ — „Theophilus
Alte war ein berühmter Klingenschmied meiner Vaterstadt
Solingen, der von den Taten Washingtons begeistert, dies
Schwert schuf und es durch seinen eigens nach Amerika
entsandten Sohn dem Helden der Freiheit überreichen liefs.“
„Geschichte der Solinger Klingenindustrie“, Stuttgart 1885:
„Solinger Klingenschmiede und Klingenkauf leute: Elias Alte,
lebte um 1768.“
Alte (Aide) und ebenso wenig ist er vertreten in
den Protokollen der übrigen geschlossenen und
zum Klingenhandel zugelassenen Handwerke:
der Härter und Schleifer und der Schwertfeger,
sowie in den Rollen der vom Klingengeschäft
überhaupt ausgeschlossenen Messermacher.2)
Nun beschäftigte die Solinger Industrie aufser-
dem viele unprivilegierte Arbeitskräfte und wies
manche unprivilegierte Kaufleute auf. Zu diesen
dürften Glieder der Familie Alte gehört haben.
Da den unprivilegierten Kauf leuten das eigent-
liche Klingengeschäft gänzlich untersagt war und
sie Messer und Gabeln zudem auch nicht selbst
anfertigen, sondern blofs von Privilegierten her-
gestellte Waren weiter vertreiben durften, fühlten
sich viele derselben in den engen, mehr und mehr
veralteten Grenzen, die ihrem Wirken gezogen
waren, nicht zufrieden. Umgehungsversuche aller
Art waren häufig, wurden aber von den Gliedern
der privilegierten Bruderschaften, die stolz und
zäh an ihren ererbten Vorrechten hingen, mög-
lichst unterdrückt, auch durch Anrufung der Be-
hörden . DafsunternehmungslustigeUnprivileg ierte
unter solch schwierigen, überlebten Verhältnissen
sich nach Freiheit sehnten und dem Unabhängig-
keitskampfe des nordamerikanischen Volkes und
seinem mit Leib und Seele der Freiheit ergebenen
Führer die wärmsten Sympathien entgegen-
brachten, ist sehr begreiflich. Aus dieser Stimmung
erklärt sich die Inschrift, die Theophilus Alte für
die Klinge des Schwertes wählte, das er durch
seinen Sohn, der vielleicht auch aus den heimat-
lichen Schranken fortverlangte und sein Glück
geschäftlich in der Neuen Welt versuchen wollte,
dem vielbewunderten George Washington über-
bringen liefs.
Wie ich auf Grund eines Briefes des Super-
intendenten von Mount Vernon, Herrn Harrison
H. Dodge, vom 22. Dezember 1906 in Erfahrung
brachte, trägt die eigentliche Klinge kein Zeichen.
Um festzustellen, wer ihr Verfertiger gewesen ist,
wäre es deshalb von Wichtigkeit zu wissen, ob
und welche Zeichen auf der Angel angebracht
sind. Allerdings müfste die Waffe zu dem Zwecke
auseinandergenommen werden. Vielleicht hat Alte
aber absichtlich das Einschlagen der Schmiede-
marke verhindert.
Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts wohnte
ein Theophilus Alte in Solingen. Das 1799 von
dem herzogl.Sachsen-Weimarischen Kommissions-
rat Johann Christian Gädicke herausgegebene
Fabriken-und Manufakturen-Adrefs-Lexikon führt
2) Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Jahr-
gang 1895 S. 1, 20, 36, 1896 S. 66, 1899 S. 23: meine Abhand-
lungen „Die in den privilegierten Handwerken der Solinger
Industrie vertretenen Familiennamen.“