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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0283

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FACHNOTIZEN

260

V. BAND

bei den Franzosen schwerlich einen besonderen
Eindruck hervorgerufen haben; Napoleon aber
safs um diese Zeit auf Elba und dafs die Rhein-
bundfürsten auch zu dem gestürzten Imperator
ihre Beziehungen aufrecht erhalten hätten, wäre
eine geschichtlich neue Tatsache.
Bei den Grenadiermützen fühlt sich der Herr
Verfasser durch den von mir herangezogenen
Vergleich mit der Volkstracht der Bauernfrauen

in einigen bayerischen Landstrichen anscheinend
gekränkt. Ich wollte hiermit nur darauf hinweisen,
wie vielfach die Soldaten- und bürgerliche Tracht
voneinander abhängen und wie sehr es sich emp-
fiehlt, bei den Entstehungsmomenten einzelner
militärischer Tragstücke nicht sofort nach sublimen
Vorbildern zu suchen, sondern manchmal recht
nüchtern zu Werke zu gehen.
Hans Fahrmbacher.

LITERATUR

Illustrated Guide to the Armouries, Tower of
London. By Viscount Dillon, F. S. A. Curator.
With thirty-two plates. London. 1910. Price
Eight pence.
In dem Lande, das seit dem achtzehnten Jahrhundert
auf die romantische Richtung der Geschichtsforschung einen
so grofsen Einflufs ausgeübt hat, in England, hat auch die
Waffenkunde, ein spätes Kind dieser dem Mittelalter und
seinem Kulturkreis zugewandten Neigungen, einige ihrer
hervorragendsten wissenschaftlichen Pioniere gefunden. Die
Tätigkeit Sir Samuel Meyricks wie John Hewitts ist
eng verknüpft mit der altberühmten Zentralsammlung eng-
lischer Waffen, der Rüstkammer im Tower. Die Neuauf-
stellung dieser Sammlung, nach dem Brande von 1841,
wurde von diesen beiden Männern, neben denen noch
J. Planchd zu nennen ist, geleitet; im Jahre 1859 verfafste
Hewitt den ersten Katalog der Sammlung. Schon damals
wurde mit vielen der unzuverlässigen und phantastischen
Bestimmungen, wie sie in den Zeiten nach der Restauration
von 1660 sich an die Stücke gefesselt hatten, aufgeräumt,
und als seit der letzten Neuordnung in den beiden Ober-
geschossen des Weifsen Tower, die 1883 stattfand, zahl-
reiche Neuerwerbungen die alten Bestände ergänzten,
wurde auch die früher oft vernachlässigte Scheidung von
Echt und Unecht mit gröfserer Strenge durchgeführt. In-
des noch 1890 konnte Böheim den Grundgedanken der Auf-
stellung, ein Bild der Kriegstrachten von der Zeit Eduards I.
(1272) bis auf Jacob II. (1688) vor Augen zu stellen, als wenig
glücklich und seine Durchführung, was die Zuschreibungen
der Waffen an bestimmte Persönlichkeiten anlangt, als
nicht immer einwandfrei bezeichnen.
In Lord Dillon, der seit 1895 der Sammlung vorsteht,
besitzt unsre Disziplin einen Forscher von ausgebreitetem
Wissen und unermüdlichem Eifer, der Tower einen Beamten
von vielfach bewährtem organisatorischem Geschick und
gründlichster Kenntnis der Bestände. Schon in dem kleinen
Pennyführer W. J. Lofties von 1904 (S. 16 — 31) und in einem
zu derselben Zeit erschienenen Souvenir-Album hat er über
die Geschichte und die wichtigsten Stücke der Sammlung
kurz berichtet. Der vorliegende, 2o6Textseiten und 32Tafeln,
zum gröfsten Teil mit mehreren Objekten, enthaltende
Führer will, nach des Verfassers Angabe, weder ein cata-
logue raisonne noch ein vollständiges Verzeichnis alles Vor-
handenen, sondern nur eine Anleitung für den Besucher

sein, der mit etwas geringerer Eile als das grofse Publikum
sonst sich einmal den metallenen Zeugen der Vorzeit zu
widmen wünscht. Er folgt darum in seiner Anordnung
dem lokalen System, führt also von dem im Mittelgeschofs
befindlichen Saal der orientalischen Waffen durch den
Raum mit den Feuerwaffen und historischen Erinnerungs-
stücken aus neuerer Zeit hinauf in den Council Chamber,
die eigentliche Rüstkammer, wie sie sich aus der Ver-
einigung der Waffen in Greenwich und London gebildet
hat, um mit den Handfeuerwaffen des 16.—18. Jahrhunderts
dort zu endigen. Er verzichtet auf den Ballast gelehrter,
mit litterarischen Quellen gestützter wissenschaftlicher Ex-
kurse, sondern wahrt den Ton ruhiger Belehrung, die gleich
das Wichtigste hervorhebt und Wiederholungen vermeidet,
in klarster und zuverlässigster Weise. Wer gleich dem Be-
richterstatter oft das Glück gehabt hat, von dem Verfasser
an Ort und Stelle Führung und Unterweisung zu empfangen,
spürt mit besonderem Behagen auch auf diesen Seiten das
Temperament und die individuelle Gabe des Sammlers und
Gelehrten, die reiche Fülle geschichtlicher Einzeltatsachen
in lebendigster Form gleichsam wie einen Haufen kostbarer
Fäden zu verflechten und dann als glänzendes Gewebe vor
den Augen des Forschers auszubreiten.
Will Lord Dillons Werk seiner ganzen Anlage nach
mit Arbeiten wie des Conde de Valencia Katalog der Real
Armeria in Madrid oder Angeluccis Katalog der Armeria
Reale in Turin nicht in Wettbewerb treten, so unterscheidet
es sich auch in andren Punkten von verwandten Veröffent-
lichungen, wie sie in jüngerer Zeit erschienen sind. Zu-
erst: das gesamte Markenwesen ist über Bord geworfen.
Markierungen sind im Texte nur gelegentlich, bei hervor-
ragenderen Stücken, erwähnt; auf Reproduktionen von
Marken wurde gänzlich verzichtet. Über den Wert der
Meistermarken ist man, trotz Böheims schwerwiegendem
Glaubensbekenntnis zu ihnen, heute in den Kreisen der
Forscher ziemlich geteilter Ansicht. Nicht nur hat die Er-
fahrung gelehrt, dafs gerade bei den wertvollsten Schöp-
fungen der Schmiede- und Plattnerkunst dies Erkennungs-
mittel oft versagt, auch die wachsende Kunst der Fälscher
hat sich gerade diesem Punkte mit besonderem Eifer und
oft erstaunlichen Erfolgen zugewandt. Ehe nicht durch das
langersehnte Markenlexikon der Waffenkunde, zu dessen Ab-
fassung Camillo List vor allen anderen berufen ist, die
Forschung einmal einwandfreies Material in die Hand be-
kommen hat, wird man vor einer Überschätzung der Be-
deutung von Markierungen nicht selten zu warnen haben.
Sicherlich scheint das völlige Fehlen von Markenabdrücken
in einem für das Publikum in erster Linie bestimmten
Führer prinzipiell vorwurfsfrei. Schmerzlicher empfindet
man die Zurückhaltung in der Angabe zeitlicher Be-
stimmungen. Gewifs soll man das Publikum nicht mit über-
 
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