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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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2. Heft
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Schubert-Soldern, Fortunat von: Der mittelalterliche Helm und seine Entwicklung
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Forrer, Robert: Ein gotisches Bronze-Faustrohr im Museum zu Metz
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0062

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42 v. SCHUBERT-SOLDERN, DER MITTELALTERLICHE HELM UND SEINE ENTWICKLUNG V. BAND

ständiges Rüststück, das über den Unterrand des
Helms übergreift, sodafs der Träger den Kopf
drehen kann. Auf diesen Typus geht wohl der
sogenannte Burgunderhelm zurück, bei dem der
Versuch gemacht ist, den Harnischkragen und
den unteren Rand des geschlossenen Helms da-
durch in eine feste lückenlose Verbindung zu
bringen, dafs der wulstartig aufgetriebene Unter-
rand des Helms in einer ihm entsprechenden am
Oberrand des Harnischkragens angebrachten
Führungsrinne umläuft. Die Hals- und Nacken-
streifen des Harnischkragens wurden seit dem
Ende des 15. Jahrhunderts meist geschoben, um
auch das Auf- und Abwärtsbewegen des Kopfes
zu ermöglichen. Fast gleichzeitig entwickelt sich
eine andere Form des geschlossenen Helms, die
vermutlich auf die Beckenhaube mit beweg-
lichem Kinnreff zurückgeht, und deren charak-
teristisches Merkmal es ist, dafs die Hals- und
Nackenstreifen hier nicht mit dem Harnischkragen,
sondern mit dem Helm verbunden sind. Die
frühesten Stadien dieser Form lassen sich nicht
mit Sicherheit nachweisen, doch spricht die Wahr-
scheinlichkeit dafür, dafs sie aus der Becken-
haube mit aufschlächtigem Kinnreff entstanden
sind. An die Stelle des Kinnreffs, das sich um
einen am Nackenschutz der Haube angebrachten
Bolzen dreht, treten beim geschlossenen Helm
die geschobenen Halsstreifen, die mit dem festen
Nackenschutz in gleicher Weise verbunden sind,
bis an dessen Stelle Nackenstreifen treten, die
mit den Halsstreifen durch Riemenwerk verbun-
den werden. Diese Konstruktion gestattete wohl
das Heben und Senken des Kopfes, aber nicht
das Drehen. Darum schliefst sich bei den Formen
des späteren 16. Jahrhunderts an die Nacken- und

Halsstreifen ein Helmkragen, der fest am Harnisch-
kragen anliegt und der Drehung des Kopfes folgt.
Die konische Form des Helms und der
Beckenhaube wird im Laufe des 15. Jahrhunderts
vollständig aufgegeben. Der Grund mag wohl
der gewesen sein, dafs die von Italien her ein-
geführte Fechtkunst auch im Kriege immer aus-
gedehntere Verwendung fand, und dafs dem-
gemäfs die wuchtigen Schwerter des Mittelalters
leichteren und handlicheren Formen allmählich
Platz machten. Dem mit einer schweren Waffe
geführten vertikalen Hiebe bot der konische Helm
die wenigsten Angriffsflächen, um so bessere aber
für gut sitzende Terzen oder Quarten, denen
die konischen Helmwände nur einen verhältnis-
mäfsig geringen Widerstand bieten konnten. Die
sphärische Form mit den eingezogenen Nacken-
und Backenstücken erfüllte ihren Zweck in diesem
Falle viel besser, indem sie den horizontalen Hieben
geringere Angriffsflächen und stärkeren Wider-
stand bot. Aufserdem war der Scheitel der ge-
schlossenen Helme noch gegratet oder mit einem
Kamm versehen, sodafs auch ein entsprechen-
der Schutz gegen vertikale Hiebe geboten war.
Die Entwicklung des Helms ist damit im wesent-
lichen abgeschlossen. Der Plattenharnisch ebenso
wie der Helm haben ihre höchste Vollkommen-
heit erreicht, zu einer Zeit, wo ihr Nutzen durch
die Feuerwaffen bereits in Frage gestellt wird
und die Reiterei dem Fufsvolk gegenüber immer
mehr an Bedeutung verliert. Es handelt sich jetzt
nicht mehr um die Lösung waffentechnischer
Probleme, sondern um mehr oder minder unbe-
deutendeVerbesserungen, bis der Harnisch schliefs-
lich in das Stadium allmählicher Rückbildung
eintritt.

Ein gotisches Bronze-Faustrohr im Museum zu Metz
Von Dr. R. Forrer

Das Historische Museum der Stadt
Metz besitzt ein waffengeschichtliches
Unikum, das bis jetzt wenig Beachtung
gefunden hat, aber es wohl verdient, in
dieser Zeitschrift gewürdigt zu werden. Es ist der
seltsame Bronzegeg-enstand, der hier in Fig. 1
und ia in 5/0 der Naturgröfse abgebildet ist, und
dessen Photographien ich dem verdienstvollen
Direktor des genannten Museums, Prof.Dr. Keune
verdanke.
Das Stück war mir schon vor fast einem
Jahrzehnt aufgefallen, als ich bei Anlafs eines

Besuches jenes Museums dessen Schätze im Verein
mit dem genannten Herrn genauer durchstudierte.
Es ist in oder bei Goin (Landkreis Metz, Kanton
Verny) gefunden und im Museumsinventar bisher
als „Zeremonienhammer“ oder „Zunftab-
zeichen“ bezeichnet worden1); mehr war bis jetzt
darüber nicht bekannt.
Der Gegenstand besteht aus in der Gufs-
form gegossener und dann durch Abfeilen retou-
’) Vgl. das Verzeichnis der Kleinaltertümer im „Jahr-
buch der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Alter-
tumskunde“ 1893, II. Hälfte S. 184/185.
 
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