LITERATUR — VEREINS-NACHRICHTEN
224
V. BAND
Die Akten, die heute im Königl. Sächs. Kriegsarchive
untergebracht sind, die zu Lebzeiten des Oberst Verlohren
im Dresdner Arsenale und anderen Orten auf bewahrt wurden,
und die bei Aufstellung der Regimentsnamen und-geschichten
inFrage gekommen wären — die Musterlisten, die Akten über
Delogierungen, Verpflegung usw. — standen dem Verfasser
nicht zur Verfügung.
So ist es denn nicht zu verwundern, dafs der kritische
Blick bei Stichproben auf dunkle Punkte fällt. Ein
solcher ist das unter Nr. 12, S. 29 der zweiten Abteilung
genannte Dragoner-Regiment. Über seine Geschichte sind
drei Ansichten zur Wahl gestellt. Welche hiervon ist die
richtige? Antwort: keine! Es sind hier drei verschiedene
Regimenter in ein Regiment zusammengeworfen.
Bei Klarlegung dieses Falles kommt zunächst die Rang-
liste von 1715 in Frage, weil sie in der Mitte der erwähnten
Jahre steht. In dieser Rangliste werden trotz Schuster und
Francke genannt:
1. Feldmarschall-1
2. Schmettau- > Dragoner.
3. Anspach-
Die Musterlisten dieser drei Regimenter (im Königl.
Sächs. Kriegsarchiv) von 1713, 1714 und 1715, die von den
Kapitäns unterschrieben und besiegelt an den Musterherrn
eingereicht wurden, die also Urkunden sind, bestätigen
unumstöfslich das Vorhandensein der genannten Regimenter.
Zu 1. Oberst, d. h.-Inhaber des Regiments war Sr.
Exzellenz der Generalfeldmarschall Graf v. Flemming.
Kommandeur: Oberst Graf v. Bielcke.
Zu 2. Oberst, d. h. Inhaber des Regiments war General-
leutnant Gottlieb v. Schmettau.
Kommandeur: Oberst v. Hackeborn.
Zu 3. Oberst, d. h. Inhaber des Regiments war „Ihro
Hochfürstliche Durchlaucht der Herr Markgraf zu
Brandenburg - Anspach“.
Kommandeur: Oberst von Berner (unterschreibt sich
nicht Boerner).
Bekanntlich hatte zu der in Frage kommenden Zeit
jedes Dragoner-Regiment 6 Kompagnien. Die 1. hiefs „Leib-
Kompagnie“, die 2. „Obristen-Kompagnie“, die 3. „Oberst-
leutnants-Kompagnie“, die 4. „Majors-Kompagnie“, die 5.
und 6. „Kapitän N. N. (Name des Kompagnieführers) -Kom-
pagnie“.
Die Obersten-Kompagnie des Regiments „Anspach-
Dragoner“ (die zweite) hatte zum Kapitän d. h. zum Inhaber,
der die Emolumente der Kompagnie genofs, den General-
major v. Feilitzsch — bis zum 9. März 1715 —. Von da ab
erhielt die Kompagnie der Oberst v. Berner. Feilitzsch hat
als Kompagnie-Inhaber dem Regimente offiziell seinen Namen
nicht gegeben.
Ob die genannten drei Regimenter aus Anspach’schen
Diensten übernommen wurden, kommt erst in zweiter Linie
in Frage: Zunächst handelt es sich um deren Namen und
Vorhandensein.
Hierfür noch ein Beweis aus der Kriegsgeschichte.
In dem Guerillakriege Augusts des Starken gegen die
polnische Konföderation fand am 28. Februar 1716 ein mit
starker Übermacht ausgeführter Angriff des Pohlenführers
Gniadowsky auf das Regiment „Anspach-Dragoner“ unter
seinem Obersten v. Berner bei Wirischow statt. Das Regiment
mufs sich auf die Burg der genannten Stadt zurückziehen.
Nach hartem Kampfe wird es gezwungen, sich zu ergeben.
Eine Estandarte fällt in die Hände der Polen. Hiervon durch
einen Cornet benachrichtigt, eilen die „Schmettau-Dragoner“
zu Hilfe, befreien die „Anspach-Dragoner“ und erobern die
Estandarte zurück1).
Die Erwähnung dieses einen Falles möge genügen.
Aber man ist mifstrauisch geworden! Wie steht’s mit den
übrigen 137 Truppenteilen?
Während die erste Abteilung des Werkes die Militär-
einrichtungen im Kurfürstentum Sachsen nur kurz behandelt,
ist die dritte Abteilung die umfangreichste, denn sie gibt
ein Verzeichnis aller der Offiziere, deren Name in der säch-
sischen Armee 1815 schon vorkommt. Ob die gleichnamigen
in verwandschaftlichem Verhältnisse stehen, ist gleichgültig.
Dafs bei einer so aufserordentlich umfangreichen Arbeit
— es werden auch die Wappen adliger Geschlechter blaso-
niert — kleine Irrtümer untergelaufen sind, ist verzeihlich.
Über 800 Familien sind erwähnt. (Von den „v. Gersdorffs“
werden allein 100 Namen genannt.)
Meine kritischen Betrachtungen sollen den Wert des
Werkes auf keinen Fall herabdrücken! „Irren ist mensch-
lich.“ — Es ist im Gegenteil mit Freuden zu begrüfsen»
dafs die Herausgeber die unendlich fleifsige Arbeit des
Oberst Verlohren weitesten Kreisen bekannt zu machen,
die Gelegenheit geboten haben. Dadurch wird hoffentlich
der Sinn für sächsische Heeresgeschichte, im engeren Vater-
lande vor allen Dingen, geweckt und der Sinn für Familien-
geschichte gefördert.
Hottenroth,
Oberstleutnant z. D.
und
Vorstand des Königlich Sächsischen Kriegsarchivs.
') Haupt-Staatsarchiv Dresden. „Aa. Journal über die
Campagne gegen die Konföderation in Polen 1715 und 1716.“
Loc. 3491.
Veränderungen:
Dr. Wegeli, Zürich, ist zum Direktor des Bernischen Histo-
rischen Museums gewählt worden und wohnt: Bern,
Marienstr. 29.
Dem Verein beigetreten ist:
Funck, Hauptmann z. D., zugeteilt dem Grofsen Generalstab,
Berlin W 30, Speyererstr. 27.
VEREINS-NACHRICHTEN
224
V. BAND
Die Akten, die heute im Königl. Sächs. Kriegsarchive
untergebracht sind, die zu Lebzeiten des Oberst Verlohren
im Dresdner Arsenale und anderen Orten auf bewahrt wurden,
und die bei Aufstellung der Regimentsnamen und-geschichten
inFrage gekommen wären — die Musterlisten, die Akten über
Delogierungen, Verpflegung usw. — standen dem Verfasser
nicht zur Verfügung.
So ist es denn nicht zu verwundern, dafs der kritische
Blick bei Stichproben auf dunkle Punkte fällt. Ein
solcher ist das unter Nr. 12, S. 29 der zweiten Abteilung
genannte Dragoner-Regiment. Über seine Geschichte sind
drei Ansichten zur Wahl gestellt. Welche hiervon ist die
richtige? Antwort: keine! Es sind hier drei verschiedene
Regimenter in ein Regiment zusammengeworfen.
Bei Klarlegung dieses Falles kommt zunächst die Rang-
liste von 1715 in Frage, weil sie in der Mitte der erwähnten
Jahre steht. In dieser Rangliste werden trotz Schuster und
Francke genannt:
1. Feldmarschall-1
2. Schmettau- > Dragoner.
3. Anspach-
Die Musterlisten dieser drei Regimenter (im Königl.
Sächs. Kriegsarchiv) von 1713, 1714 und 1715, die von den
Kapitäns unterschrieben und besiegelt an den Musterherrn
eingereicht wurden, die also Urkunden sind, bestätigen
unumstöfslich das Vorhandensein der genannten Regimenter.
Zu 1. Oberst, d. h.-Inhaber des Regiments war Sr.
Exzellenz der Generalfeldmarschall Graf v. Flemming.
Kommandeur: Oberst Graf v. Bielcke.
Zu 2. Oberst, d. h. Inhaber des Regiments war General-
leutnant Gottlieb v. Schmettau.
Kommandeur: Oberst v. Hackeborn.
Zu 3. Oberst, d. h. Inhaber des Regiments war „Ihro
Hochfürstliche Durchlaucht der Herr Markgraf zu
Brandenburg - Anspach“.
Kommandeur: Oberst von Berner (unterschreibt sich
nicht Boerner).
Bekanntlich hatte zu der in Frage kommenden Zeit
jedes Dragoner-Regiment 6 Kompagnien. Die 1. hiefs „Leib-
Kompagnie“, die 2. „Obristen-Kompagnie“, die 3. „Oberst-
leutnants-Kompagnie“, die 4. „Majors-Kompagnie“, die 5.
und 6. „Kapitän N. N. (Name des Kompagnieführers) -Kom-
pagnie“.
Die Obersten-Kompagnie des Regiments „Anspach-
Dragoner“ (die zweite) hatte zum Kapitän d. h. zum Inhaber,
der die Emolumente der Kompagnie genofs, den General-
major v. Feilitzsch — bis zum 9. März 1715 —. Von da ab
erhielt die Kompagnie der Oberst v. Berner. Feilitzsch hat
als Kompagnie-Inhaber dem Regimente offiziell seinen Namen
nicht gegeben.
Ob die genannten drei Regimenter aus Anspach’schen
Diensten übernommen wurden, kommt erst in zweiter Linie
in Frage: Zunächst handelt es sich um deren Namen und
Vorhandensein.
Hierfür noch ein Beweis aus der Kriegsgeschichte.
In dem Guerillakriege Augusts des Starken gegen die
polnische Konföderation fand am 28. Februar 1716 ein mit
starker Übermacht ausgeführter Angriff des Pohlenführers
Gniadowsky auf das Regiment „Anspach-Dragoner“ unter
seinem Obersten v. Berner bei Wirischow statt. Das Regiment
mufs sich auf die Burg der genannten Stadt zurückziehen.
Nach hartem Kampfe wird es gezwungen, sich zu ergeben.
Eine Estandarte fällt in die Hände der Polen. Hiervon durch
einen Cornet benachrichtigt, eilen die „Schmettau-Dragoner“
zu Hilfe, befreien die „Anspach-Dragoner“ und erobern die
Estandarte zurück1).
Die Erwähnung dieses einen Falles möge genügen.
Aber man ist mifstrauisch geworden! Wie steht’s mit den
übrigen 137 Truppenteilen?
Während die erste Abteilung des Werkes die Militär-
einrichtungen im Kurfürstentum Sachsen nur kurz behandelt,
ist die dritte Abteilung die umfangreichste, denn sie gibt
ein Verzeichnis aller der Offiziere, deren Name in der säch-
sischen Armee 1815 schon vorkommt. Ob die gleichnamigen
in verwandschaftlichem Verhältnisse stehen, ist gleichgültig.
Dafs bei einer so aufserordentlich umfangreichen Arbeit
— es werden auch die Wappen adliger Geschlechter blaso-
niert — kleine Irrtümer untergelaufen sind, ist verzeihlich.
Über 800 Familien sind erwähnt. (Von den „v. Gersdorffs“
werden allein 100 Namen genannt.)
Meine kritischen Betrachtungen sollen den Wert des
Werkes auf keinen Fall herabdrücken! „Irren ist mensch-
lich.“ — Es ist im Gegenteil mit Freuden zu begrüfsen»
dafs die Herausgeber die unendlich fleifsige Arbeit des
Oberst Verlohren weitesten Kreisen bekannt zu machen,
die Gelegenheit geboten haben. Dadurch wird hoffentlich
der Sinn für sächsische Heeresgeschichte, im engeren Vater-
lande vor allen Dingen, geweckt und der Sinn für Familien-
geschichte gefördert.
Hottenroth,
Oberstleutnant z. D.
und
Vorstand des Königlich Sächsischen Kriegsarchivs.
') Haupt-Staatsarchiv Dresden. „Aa. Journal über die
Campagne gegen die Konföderation in Polen 1715 und 1716.“
Loc. 3491.
Veränderungen:
Dr. Wegeli, Zürich, ist zum Direktor des Bernischen Histo-
rischen Museums gewählt worden und wohnt: Bern,
Marienstr. 29.
Dem Verein beigetreten ist:
Funck, Hauptmann z. D., zugeteilt dem Grofsen Generalstab,
Berlin W 30, Speyererstr. 27.
VEREINS-NACHRICHTEN