6. HEFT E. EYSSEN, ZUR BESTIMMUNG EINER BRANDENBURGISCHEN STANDARTE 171
Die Handschuhe dieses Harnisches sind ge-
fingert, mit zahlreichen Folgen und mit rundem
Stulp, der Andeutungen von Riffelungen zeigt.
Deutlich ist die Riffelung am Oberbeinzeug zu
erkennen; die Kniebuckel sind geschoben, haben
kleine Muscheln, darunter folgen glatte Beinröhren
und breite Schuhe.
Auch dieser Harnisch zeigt also in allen
Teilen den Charakter der Zeit um 1495.
Derselben Zeit gehören auch die von den
Rittern geführten Schwerter an, mit ihren kurzen,
spitzen Klingen, den kurzen abwärts gebogenen
Parierstangen, den scheibenförmigen Knäufen
und den mit Leder überzogenen Scheiden mit
metallnem Beschläge.
Endlich zeigt auch die Ausrüstung der Pferde
die Formen derselben Zeit: in den Mähnenpanzern
(Kanze) aus geschobenen Platten mit Maschen-
panzergehängen, in den Rofsstirnen mit dem
kleinen Schild als besonderem Schmuck, den
Zäumungen mit Kandare — dem Stangengebifs —
und den vorn breiten, wohl zum Teil mit Samt
überzogenen Zügeln. Besonders reich geschmückt
sind die Turnierdecken, welche die Pferde von der
Brust bis zum Schweif bedecken und gerade hier
auf dem Teppich durch reiche Verwendung ein-
gewirkter Goldfäden besonders hervorgehoben
werden. Diese Renn- und Stechdecken malte
der kurfürstliche Hofmaler, der Meister Jhan,
der seinen Herrn 1494 nach Mecheln und Ant-
werpen begleitete (vgl. C. Gurlitt, Archivalische
Forschungen II, 22).
So finden wir auch durch die Betrachtung
der Waffen und deren Bestimmung der Zeit nach,
auf Grund ihrer Formen und ihrer Zusammen-
stellung, die Datierung des Teppichs vollkommen
bestätigt, die wir durch die genaue Bestimmung
der dargestellten Wappen und Personen ge-
wonnen und für die letzten Jahre des 15. Jahr-
hunderts festgestellt haben.
Zum Schlufs mufs aber noch erwähnt und
betont werden, dafs die Zeichnung des Teppichs
in bezug auf die Waffen ganz hervorragend ja
geradezu verblüffend ist in ihrer Genauigkeit
und vollkommenen Richtigkeit, die im Zeichner
einen genauen Kenner der W affen voraussetzen läfst.
Aber auch die technische Ausführung der
turnierenden Ritter durch den Weber ist vor-
trefflich, so dafs uns die Darstellung auf dem
Teppich ein getreues Abbild der turnierenden
Ritter und ihrer Bekleidung und besonders von
deren Tragart gibt.
Zur Bestimmung einer Brandenburgischen Standarte
Von Dr. Eduard Eyfsen
A us der Auktion der Sammlung- Lipperheide
bei Helbing in München gelangte Ende
j November 1909 eine „Brandenburgische
Reiterfahne“ in das Berliner Zeughaus.
Dieselbe ist im Helbingschen Katalog der Ver-
steigerung am 24. und 25. November 1909 auf
Tafel XXIV Nr.494 wiedergegeben (s. Abb. S. 172).
Schon längere Zeit vor der Auktion, im Sep-
tember, hatte ich auf eine Anfrage von privater
Seite die Zugehörigkeit der Fahne bestimmt.
Meine Feststellung für Markgraf Georg Wilhelm
von Brandenburg-Bayreuth war dann in den
Katalog von Helbing gelangt und wurde daselbst
im Vorwort als Nachtrag zu Nr. 494 berichtigend
vermerkt.
Da es indessen vielleicht in genealogischer
Hinsicht interessieren dürfte, wie die Bestimmung
sich ergab, so sei der damals befolgte Gedanken-
gang mit einigen Bemerkungen hier angeführt.
Das Tuch, ehemals wohl etwa 1,15 m im Ge-
viert, ist nur in defekten Resten erhalten und auf
Tüll aufgelegt. Die braune, kannelierte Standarten-
stange mit Laufbügel und Ring für den Kara-
binerhaken des Bandoliers, sowie messingnem
Schuh, trägt eine mit dem Brandenburgischen
Adler durchbrochene, vergoldete Spitze. Tuch
und Stange gehören ursprünglich zusammen; die
Nagelung mit vergoldeten Spitznägeln auf ehe-
mals roter Borte ist die alte. Das stark zer-
schlissene Tuch, ehemals weifse Seide und mit
Resten von rot-weifser, gedrehter Schnurein-
fassung, zeigt beiderseits in Applikation zwischen
(einst roten) Flammen in den Ecken den ursprüng-
lich roten Brandenburgischen Adler mit Fürsten-
hut, Kleestängeln in den Flügeln und Zollern-
Brustschild. Darüber, mit Seide gestickt, In-
schriftbuchstaben in bogenförmiger Anordnung,
von denen noch „W. M. Z.“ zu sehen sind1). Unter
dem Adler ebenso eine „1“; die übrigen Teile der
*) Die im Original ausgeblafsten, hellen Buchstaben
der Inschrift sind auf der Abbildung dunkel retuschiert.
Die Handschuhe dieses Harnisches sind ge-
fingert, mit zahlreichen Folgen und mit rundem
Stulp, der Andeutungen von Riffelungen zeigt.
Deutlich ist die Riffelung am Oberbeinzeug zu
erkennen; die Kniebuckel sind geschoben, haben
kleine Muscheln, darunter folgen glatte Beinröhren
und breite Schuhe.
Auch dieser Harnisch zeigt also in allen
Teilen den Charakter der Zeit um 1495.
Derselben Zeit gehören auch die von den
Rittern geführten Schwerter an, mit ihren kurzen,
spitzen Klingen, den kurzen abwärts gebogenen
Parierstangen, den scheibenförmigen Knäufen
und den mit Leder überzogenen Scheiden mit
metallnem Beschläge.
Endlich zeigt auch die Ausrüstung der Pferde
die Formen derselben Zeit: in den Mähnenpanzern
(Kanze) aus geschobenen Platten mit Maschen-
panzergehängen, in den Rofsstirnen mit dem
kleinen Schild als besonderem Schmuck, den
Zäumungen mit Kandare — dem Stangengebifs —
und den vorn breiten, wohl zum Teil mit Samt
überzogenen Zügeln. Besonders reich geschmückt
sind die Turnierdecken, welche die Pferde von der
Brust bis zum Schweif bedecken und gerade hier
auf dem Teppich durch reiche Verwendung ein-
gewirkter Goldfäden besonders hervorgehoben
werden. Diese Renn- und Stechdecken malte
der kurfürstliche Hofmaler, der Meister Jhan,
der seinen Herrn 1494 nach Mecheln und Ant-
werpen begleitete (vgl. C. Gurlitt, Archivalische
Forschungen II, 22).
So finden wir auch durch die Betrachtung
der Waffen und deren Bestimmung der Zeit nach,
auf Grund ihrer Formen und ihrer Zusammen-
stellung, die Datierung des Teppichs vollkommen
bestätigt, die wir durch die genaue Bestimmung
der dargestellten Wappen und Personen ge-
wonnen und für die letzten Jahre des 15. Jahr-
hunderts festgestellt haben.
Zum Schlufs mufs aber noch erwähnt und
betont werden, dafs die Zeichnung des Teppichs
in bezug auf die Waffen ganz hervorragend ja
geradezu verblüffend ist in ihrer Genauigkeit
und vollkommenen Richtigkeit, die im Zeichner
einen genauen Kenner der W affen voraussetzen läfst.
Aber auch die technische Ausführung der
turnierenden Ritter durch den Weber ist vor-
trefflich, so dafs uns die Darstellung auf dem
Teppich ein getreues Abbild der turnierenden
Ritter und ihrer Bekleidung und besonders von
deren Tragart gibt.
Zur Bestimmung einer Brandenburgischen Standarte
Von Dr. Eduard Eyfsen
A us der Auktion der Sammlung- Lipperheide
bei Helbing in München gelangte Ende
j November 1909 eine „Brandenburgische
Reiterfahne“ in das Berliner Zeughaus.
Dieselbe ist im Helbingschen Katalog der Ver-
steigerung am 24. und 25. November 1909 auf
Tafel XXIV Nr.494 wiedergegeben (s. Abb. S. 172).
Schon längere Zeit vor der Auktion, im Sep-
tember, hatte ich auf eine Anfrage von privater
Seite die Zugehörigkeit der Fahne bestimmt.
Meine Feststellung für Markgraf Georg Wilhelm
von Brandenburg-Bayreuth war dann in den
Katalog von Helbing gelangt und wurde daselbst
im Vorwort als Nachtrag zu Nr. 494 berichtigend
vermerkt.
Da es indessen vielleicht in genealogischer
Hinsicht interessieren dürfte, wie die Bestimmung
sich ergab, so sei der damals befolgte Gedanken-
gang mit einigen Bemerkungen hier angeführt.
Das Tuch, ehemals wohl etwa 1,15 m im Ge-
viert, ist nur in defekten Resten erhalten und auf
Tüll aufgelegt. Die braune, kannelierte Standarten-
stange mit Laufbügel und Ring für den Kara-
binerhaken des Bandoliers, sowie messingnem
Schuh, trägt eine mit dem Brandenburgischen
Adler durchbrochene, vergoldete Spitze. Tuch
und Stange gehören ursprünglich zusammen; die
Nagelung mit vergoldeten Spitznägeln auf ehe-
mals roter Borte ist die alte. Das stark zer-
schlissene Tuch, ehemals weifse Seide und mit
Resten von rot-weifser, gedrehter Schnurein-
fassung, zeigt beiderseits in Applikation zwischen
(einst roten) Flammen in den Ecken den ursprüng-
lich roten Brandenburgischen Adler mit Fürsten-
hut, Kleestängeln in den Flügeln und Zollern-
Brustschild. Darüber, mit Seide gestickt, In-
schriftbuchstaben in bogenförmiger Anordnung,
von denen noch „W. M. Z.“ zu sehen sind1). Unter
dem Adler ebenso eine „1“; die übrigen Teile der
*) Die im Original ausgeblafsten, hellen Buchstaben
der Inschrift sind auf der Abbildung dunkel retuschiert.