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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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8. Heft
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Schneider, Rudolf: Die Geschütze des Mittelalters
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Rathgen, Bernhard von: Die Punischen Geschosse des Arsenals von Karthago und die Geschosse von Lambaesis
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0259

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236

R. SCHNEIDER, DIE GESCHÜTZE DES MITTELALTERS

V. BAND

den beiden Autoren besteht blofs darin, dafs Sa-
nutus die bei Aegidius genannten Namen (tra-
bucium, biffa, tripantum) nicht anvvendet,
sondern die beiden Geschütze, deren Konstruktion
er erläutert, machina communis und machina
lontanaria benennt. Diese Beschreibungen füllen
die erste Hälfte seines Kapitels aus, und in der
zweiten Hälfte steht die Beschreibung jener Waffe,
womit man Pfeile auf weite Entfernung schiefst.
Diese Waffe ist aber kein Geschütz (machina),
sondern die Armbrust (ballista), die nur von
einem Schützen bedient wird. Neben der Arm-
brust, die nur mit einem Fufse gespannt wird,
steht die stärkere, die man mit beiden Füfsen
spannte, und als dritte Art, die ballista a pec-
toribus. Dieser Ausdruck ist noch nicht be-
stimmt erklärt, vermutlich aber handelt es sich
um die arbalete ä tour6).
Das Zeugnis des Marinus Sanutus gibt somit
den Ausschlag. Denn da die Denkschrift des
kriegsbereiten Venetianers alles Waffen- und
PI an dg e rät auf das genaueste verzeichnet, so
ist hier jeder Zweifel ausgeschlossen, ob die An-
gaben auch wirklich vollständig seien. Und somit
bestätigt dieses zweite Zeugnis klipp und klar,
dafs Aegidius mit Fug und Recht ausgesagt hat:
6) Im Jahre 1307 forderte König Eduard II. von der
Stadt London: „centum ballistas unius pedis, qua-
draginta ballistas duorum pedum, viginti ballistas
de turno.

„Nam omne genus machinae vel est ali-
quod praedictorum, vel potest originem
sumere ex praedictis.“
Um das Jahr 1300 hat es also nur Iiebel-
geschütze gegeben. Diese unvollkommenste
Gattung von Geschützen hat aber nicht etwa die
Torsionsgeschütze verdrängt, wie Köhler
meint, sondern überhaupt nur darum Aufnahme
gefunden, weil die antike Art der Konstruktion,
die ebenso hoch über den Hebelgeschützen steht,
wie die Technik der Alexandriner über der des
XIII. Jahrhunderts, mit der Völkerwanderung
zugrunde gegangen war. Die folgende Zeit befafs
überhaupt keine Artillerie, und erst im IX.
Jahrhundert tritt die neue Geschützgattung auf
bei den N ormannen, die wohl auch als die Erfinder
der Hebelgeschütze anzusehen sind. Und mit
diesen Hebelgeschützen sind die Kämpfe der
Hohenstaufen in Italien und die Belagerungskriege
der Kreuzfahrer geführt worden. Ob die Byzan-
tiner um 1100 noch Torsionsgeschütze gebraucht
haben, bleibt ungewifs: das letzte sichere Zeug-
nis für deren Verwendung liefert Prokopios. Die
Beweise der hier aufgestellten Thesen habe ich
an anderer Stelle in aller Ausführlichkeit bei-
gebracht7).
rj Die Artillerie des Mittelalters. Nach den Angaben
der Zeitgenossen dargestellt von Rudolf Schneider. Mit 6
Textbeilagen und 8 Bildertafeln. Berlin 1910. Weid-
mannsche Buchhandlung.

Die Punischen Geschosse des Arsenals von Karthago
und die Geschosse von Lambaesis
Von Bernhard Rathgen

Durch die mustergültigen Arbeiten des Oberst
Schramm sind die griechisch-römischen
Schiefsmaschinen in allen ihren Einzel-
heiten mit voller Sicherheit neu erstanden.
Die Aufstellung peinlich genau gearbeiteter Mo-
delle derselben in der Saalburg, wie auch in
dem Zeughause zu Berlin, hat weite Kreise mit
diesen Kriegsgeräten bekannt gemacht, sie für
die Schiefstechnik der Alten zu interessieren ge-
wufst. — Originalgeschütze sind nicht auf uns
überkommen, in geringen Mengen nur deren
Munition. Eine Ausnahme macht das in Haltern
aufgefundene grofse Depot von vierkantigen
Bolzenspitzen. Diese können bei ihren geringen
Abmessungen nur für Pfeile bezw. Bolzen ganz

leichter Feld- (Flanken-) Geschütze bestimmt ge-
wesen sein. In Frankreich findet man zwar in
den Provinzialmuseen öfter: „Römische Bailisten-
pfeile“, doch das sind Gefühlsbenennungen meist
ohne jeden beweisenden Grund. Die Stätten
grofser und berühmter Belagerungen, wie be-
sonders Syracus, Numantia, Alesia, haben bisher
von der dort verwendeten Artilleriemunition wenig
oder nichts wieder an den Tag kommen lassen.
Bronzepfeilspitzen finden sich in den Trümmern
der ehedem blühenden griechischen Kolonial-
städte Siziliens zu vielen Tausenden, oft stecken
dieselben noch in den Steinen der Maueraufsen-
seiten. Meist sind sie von minimaler Gröfse bei
dreieckigem Querschnitt. Aber Artilleriege-
 
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