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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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2. Heft
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Schubert-Soldern, Fortunat von: Der mittelalterliche Helm und seine Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0053

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Der mittelalterliche Helm und seine Entwicklung
Von Dr. Fortunat v. Schubert-Soldern

Vergleicht man die Entwicklung der Be-
waffnung des Altertums mit der des
Mittelalters, so kann man leicht wahr-
nehmen, dafs dort im ganzen eine gewisse
Stabilität, eine nur wenig schwankendeAuffassung
der Prinzipien der Bewaffnung herrscht, und dafs
trotz vielfacher Formenverschiedenheiten der
leitende Gedanke derselbe bleibt, während das
Mittelalter fast ununterbrochen an der Ausgestal-
tung der Schutz- und Trutzwaffe arbeitet, und je
mehr es sich seinem Ausgang nähert, in immer
rascherer Folge zu neuen Gestaltungen und neuen
Formen gelangt. Die Bewaffnung des römischen
Kriegers vom zweiten Punischen Krieg bis zum
ausgehenden römischen Kaiserreich erleidet nicht
annähernd so grundstürzende Veränderungen wie
die des abendländischen Ritters vom Jahre xioo
bis zum Jahre 1500. Begegnen wir dort einer
allgemeinen Schematisierung der Bewaffnung, die
im engsten Zusammenhang mit dem Heerwesen
der alten Völker steht, so greift hier eine immer
weiter gehende Spezialisierung und Individuali-
sierung Platz, die wiederum in der stark indi-
viduellen Färbung der mittelalterlichen Heeres-
folge und des Ritterwesens ihren Grund hat.
Besonders deutlich ist dies beim Helm zu beob-
achten, der wohl das einzige Stück Platten-
panzerung ist, das sich während des ganzen Mittel-
alters als solches erhielt.
Das frühe Mittelalter versteht unter Helm etwas
ganz anderes als das spätere oder gar das 16. Jahr-
hundert. Die gebräuchlichste Form war bis zum
Ende des 12. Jahrhunderts die des konischen Helms,
die sich, wie ich schon an anderer Stelle nach-
gewiesen habe, aus dem ursprünglich orienta-
lischen Spangenhelm entwickelt. Der germanische
Spangenhelm der Völkerwanderungszeit besteht
aus einem festen Spangengerüst aus Bronze,
zwischen dem die dünnem Helmblätter liegen,
deren Zahl zwischen 4 und 6 schwankt. Die karo-
lingische und nachkarolingische Zeit behält diese
Form des Helms bei, an die Stelle des Spangen-
gerüstes aber scheint besonders in späterer Zeit
mehrfach ein System von zusammengenieteten
Helmblättern getreten zu sein, deren Zahl, wie es

die Handschrift der Herrad von Landsberg be-
weist, oft 10 überschreitet. Diese Art des konischen
Helms war meist mit Nasenschutz versehen, ent-
behrte des Nackenschutzes und wurde auf die
Helmbrünne oder Helmkapuze gestülpt, die den
unteren Teil des Gesichtes vor Verletzungen
schützte und sich ihm fest anschmiegte. Gegen
das Ende dieser Periode wurde der konische Helm
oft mit Visierschutzvorrichtungen versehen, d. h.
mit einer Gesichtsmaske, die bis zum Kinn reichte
und mit dem Stirnband des Helms durch Nieten
fest verbunden war. Auch hierfür liefert der
Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg
einige interessante Beispiele.
Neben diesen Helmformen scheint in der Zeit
der Karolinger und der sächsischen Kaiser auch
eine andere in Aufnahme gekommen zu sein, die,
wie die ganze Bewaffnung der kaiserlichen Leib-
garden, auf römische Vorbilder zurückgeht. Es
ist ein Helm mit runder Glocke, leicht ausladender
Krempe und meist kammartiger Helmzier, der
sich in seiner Form zuweilen dem Morion des
16. Jahrhunderts nähert. Als Vorbilder mögen die
Helme der römischen Legionären, aber auch ge-
wisse Arten der Gladiatorenhelme gedient haben.
Eine weite Verbreitung scheint dieser Typus
unter den fränkischen und germanischen Kriegern
nicht gefunden, sondern sich wohl hauptsächlich
auf die Umgebung des Kaisers und insbesondere
auf seine Leibgarden beschränkt zu haben.
Erwähnt seien hier noch zwei Arten der Kopf-
bedeckung, die sich als besondere vom Helm ver-
schiedene Typen wohl erst mit dem Zeitpunkt
abzweigen, wo der Begriff des Helms eine festere
Umgrenzung erhielt, d. h. wo ganz bestimmte
Typen des Kopfschutzes unter der Bezeichnung
H elm zusammen gefafst w er den. Die einfache Eisen-
haube, stets ohne Nasenschutz, zuweilen mit
Nackenschutz, und der Eisenhut, mit schmaler
mehr oder minder aufgebogener Krempe. Aber
wie gesagt, so lange der Helm als bestimmter
Typus nicht feststeht, so lange er sich seiner
Zweckbestimmung und Form nach nicht wesent-
lich von anderen Kopfbedeckungen unterscheidet
und die anderen Formen nicht nachweisbar ihre

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