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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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9. Heft
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Winckelmann, Otto: Der Glocken- und Büchsengießer Georg Guntheim von Straßburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0306
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286

O. WINCKELMANN, DER GLOCKEN- UND BÜCHSENGIESSER GEORG GUNTHEIM VIII. BAND

In der Tat ging der Gufs am Nachmittag des
13.Dezember 1520 vollkommen ungestört vor sich.
Eine ganze Stunde dauerte es, bis die beiden
Öfen, die das flüssige Metall enthielten, ausge-
laufen waren. .
Für sonstige Einzelheiten verweise ich auf
die Darstellung von Fuchs55), der die Geschichte
der Glocke ausführlich erzählt hat, und beschränke
mich hier auf eine kurze Zusammenfassung der
Hauptdaten. Die Höhe der Glocke betrug 13, der
Umfang 36 Schuh 9 Zoll, das Gewicht 420 Zentner.
Den 17 Zentner schweren „Klipfel“ hatte der
Strafsburger Stadtschmied, Bernhard Zwiffel, ge-
schmiedet56), derselbe, der auf Guntheims Emp-
fehlung 1514 —1515 die Lafetten für die Basler
Geschütze angefertigt hatte57), offenbar ein dem
Giefser besonders nahestehender Meister. Um
die gewaltige Glocke im Münsterturm aufzu-
hängen, mufste erst mit grofser Mühe ein mäch-
tiger Glockenstuhl geschaffen werden, dessen Voll-
endung sich bis 1521 verzögerte. Am 27. August
desselben Jahres folgte dann die kirchliche Weihe
und am 27. September endlich konnte die „Mariana“
zum ersten Male ihre eherne Stimme erschallen
lassen. „Herrlicher und lieblicher ton hat man an
keiner glocken nie gehört“. Leider war aber die
Freude nicht von langer Dauer. Just am Weih-
nachtstage 1521 zersprang die Glocke während
des Läutens, angeblich unter dem Einflufs der
herrschenden grofsen Kälte. Erst am 23. April
1526 entschlofs man sich, sie aus dem Turm
herunterzuholen und zu zerschlagen. Da Gunt-
heim bei Übernahme des Gusses nur für ein
Jahr Währschaft geleistet hatte und diese Frist
schon abgelaufen war, konnte man ihn für den
Schaden nicht haftbar machen. Dafs die Sache
dem Meister gleichwohl sehr zu Herzen gegangen
ist, dafür werden wir später noch einen deutlichen
Beweis zu erbringen haben. Aufserlich blieb
Guntheim, soweit sich erkennen läfst, auch nach
dem Unglücksjahr 1521 bei seinen Mitbürgern
in Ansehen und Würden; immerhin war der Höhe-
punkt seiner Laufbahn jetzt ohne Frage über-
schritten. Aus den Jahren 1519—1520 wäre noch
zu erwähnen, dafs er vom Magistrat wegen seiner
Kenntnis der Artillerie und ihrer Wirkungen als
Sachverständiger zugezogen wurde beiBeratungen,
die eine Verbesserung der städtischen Fortifikation
bezweckten58), und ferner, dafs man ihn mit der
Anfertigung eines prachtvollen Gitters um das
sog. „Traurige Christusbild“ im Münster betraute,
65) Elsässische Monatsschrift 1910 S. 399ff.
66) Nach 'Angabe der genannten Chroniken.
67) Gefsler a. a. O. 60.
68) Vgl. v, Apell, Geschichte der Befestigungen von
Strafsburg 76u. 332ff.

wofür 724 Pfd. Messing Verwendung gefunden
haben sollen50). Dasselbe ist ebenso wie das
„traurige Christusbild“ selbst, dem man Jahrhun-
derte hindurch hohe Verehrung gezollt hatte, den
Stürmen der Reformation zum Opfer gefallen.
Von 1528 —1531 wurde der Meister durch
dasVertrauen seiner Mitbürger zum Armenpfleger
im Kirchspiel St. Thomas berufen00), in dessen
Bezirk er ein Haus besafs (Oberstrafse, heute
Langstrafse01), und während der Jahre 1530, 1531
und 1541 vertrat er die Zunft der Schmiede als
Ratsherr02). Zu Anfang des Jahres 1530 wurde
ihm ferner die Ehre zuteil, mit seinem Schwager
Hans Ulberger von der Stadt nach Hessen ge-
sandt zu werden, um dort bei Strafsburgs Ver-
bündeten, dem Landgrafen Philipp, das Befesti-
gungswesen zu studieren. Heimgekehrt, berich-
tete er am 19. Februar in der Ratssitzung über
die Ergebnisse seiner Reise und „wie gnädig ihn
der Landgraf empfangen“63).
Dafs er auch als Geschützgiefser immer noch
tätig war — seineWerkstatt lag auf dem Wase-
neck61) vor dem Judentor —, zeigt ein Schreiben
des Rats von Speyer an die Strafsburger vom
20. Juni 1531, worin es heifst65):
„Wir haben ewerin ratsverwandten, meister
Jeorgen von Guntheim, etlich geschütz zu machen
bevolen; er unserntwegen zu tun angenommen;
darumb wir ime gegenwertigen gezeng zusenden,
vleissig pittende, disen unsern fuhrman nmb
zinserntwillen zu Vollendung seines bevelchs gunst-
lichen zu für dem.“
Und noch 1546 bemerkt Strafsburgs Nachbar,
Graf Philipp von Hanau - Lichtenberg, in einem
Briefe an den Rat, dafs er durch Meister Jörg
„etlich geschütz“ habe giefsen lassen, und bittet
die „zum Beschiefsen“ nötigen Kugeln zu liefern66).
Sonst wird des bejahrten Meisters in den
Akten immer seltner gedacht. Nur 1542 brachte
er sich bei seinen Mitbürgern noch einmal leb-
haft in Erinnerung durch einen recht bezeichnen-
den Antrag. In vertraulicher Besprechung mit
einigen der angesehensten Herren des Rats, wie
59) Vgl. das seltene Werk von L. Schneegans, Strafs-
burger Geschichten, Sagen etc. 41.
60) Str. Hosp. Arch. Prot. i4sf. 121b und Fasz. 1193 IV.
61) Seyboth, Das alte Strafsburg 88.
62) Str. St. Arch. Rats- u. Bürgerbuch I.
e3) Mitt. d. Ges. f. Erh. d.Denkm. im Elsafs XV nr. 3544.
64) Str. St. Arch. „Erkantnus Bauens halb“ f. 11.
6B) Ebenda AA 2039. Im Ratsprotokoll vom 1. Sept.
1540 (XXI 332) ist von einem weiteren Briefwechsel mit
Speier, Guntheim betreffend, die Rede, ohne nähere An-
gabe, worum es sich handelt.
68) Nach einem Auszug von L. Schneegans (Str.Stadt-
bibliothek). Das Original im Stadtarchiv habe ich nicht mehr
finden können.
 
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