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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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9. Heft
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Winckelmann, Otto: Der Glocken- und Büchsengießer Georg Guntheim von Straßburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0305

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9. HEFT O. WINCKELMANN, DER GLOCKEN- UND BÜCHSENGIESSER GEORG GUNTHEIM * 285

auch unsern obbenanten zeugmaister und ander
ime beschehen, und unangesehen, das er sollich
giefsen von uns und mit zmserm zezig und dar-
legen gelernt, und vil gnedigs erpieten ttnd fur-
derung, so wir ime gethan haben, etwo vil puchsen
gegossen hat, so wellen wir ine furter ztt giefsen
nit mer prauchen. demnach begern und emphelen
wir euch ernstlich, das ir'die obgemelten 113 centen
hup fers tmd g centen zins, die er uns, wie obsteet,
in rechnung schuldig pliben ist, zu gelt rechnet
in dem släg und kauf, wie es jetzo gilt, und da-
von auf hebet die 396 guldin 42 kreuzer, so zvir
benantem giefser, als vorsteet, schuldig zvorden
sein, und darauf mit demselben giefser ernstlichn
darob seit und verschaffet, das er zins von
stund an on verziehen das, so er uns hierüber
schuldig wirdet, auch bezale zu handelt unserer
diener“ etc.
Inwieweit die hier gegen Guntheim erhobenen
Vorwürfe begründet waren, läfst sich ohne weitere
Beweisstücke natürlich nicht feststellen. Zweifellos
aber ist nach alledem, was uns die oben mitge-
teilten Akten und Briefe erkennen lassen, dafs
wir es in Jörg'Guntheim mit einem der gesuch-
testen und geschicktesten Büchsengiefser seiner
Zeit zu tun haben. Hoffentlich tragen diese Zeilen
mit dazu bei, aufser dem schönen Stück im Basler
Museum noch weitere, der Zerstörung entgangene
Erzeugnisse seiner Kunst aufzuspüren.
Was wir von sicher beglaubigten Leistungen
des Meisters auf dem Gebiete des Glockengusses
nachweisen können, dient zur deutlichen Bestäti-
gung seines hervorragenden Unternehmungs-
geistes und seiner Tüchtigkeit, wenn auch leider
sein grofsartigstes Werk, wie wir sehen werden,
nur von kurzem Bestände gewesen ist. Dafs die
unter dem Namen Jörgs von Speyer erhalte-
nen Glocken aus dem Ende des 15. Jahrhunderts
wahrscheinlich nicht von unserm Meister, sondern
von einem älteren Mitgliede seiner Familie her-
rühren, wurde schon erwähnt. Sicher hat er da-
gegen die herrliche Hosannaglocke des St. Mar-
garethenstifts zu Waldkirch gefertigt, „an deren
Klang sich heute noch die Bewohner des Elztales
erfreuen“47). Er gofs sie 1514 im Auftrage des
Propstes Balthasar Mercklin v. Waldkirch, der
sich später unter Kaiser Karl V. als Staatsmann
einen Namen gemacht hat und 153° Bischof von
Konstanz wurde. Die Glocke „hat die alte
gotische Fornr mit verhältnismäfsig engem, aber
sehr dickem Schlagring, daher der volle Ton“48).
Die Aufschrift lautet: „Osana heis ich, in unser
lieben frawen und sant margareten er lit man

47) Max Wetzel, Waldkirch im Elztal I (19-12), S. 207.
48) Wetzel a. a. O.

mich, das ungewidter verdreib ich. meister jerg
zu Strafsburg gos mich im MCCCCCXIIII jor“49).
Während Jörg dann in Basel die sechs vom
dortigen Magistrat bestellten Geschütze ver-
fertigte50), betätigte er sich nebenbei auch im
Glockenbau51). Bestimmt nachweisbar ist von ihm
aus dieser . Zeit der Neugufs einer Glocke für das
Zisterzienserkloster St. Urban bei Luzern. Schon
zweimal hatte vorher Hans Rudolf Gowenstein
in Basel den Gufs versucht, aber beide Male war
ihm die fast 11 Zentner schwere Glocke nach
kurzer Zeit zersprungen. Erst Guntheims Werk
war von Dauer52). Indessen sollte Georg das-
selbe Mifsgeschick, das hier seinem Basler Kol-
legen widerfuhr, später ebenfalls erleben, und
zwar gerade bei seinem Hauptwerk, das ihm sonst
ohne Zweifel den Ruhm eines der bedeutendsten
Glockengiefser aller Zeiten eingetragen hätte.
Wir kommen damit auf die in Strafsburger
Chroniken53) ausführlich behandelte Geschichte
der gewaltigen Marienglocke, die alle bis dahin
in Europa vorhandenen Glocken an Gröfse und
Wohlklang weit überragte. Ob Guntheim selbst
im Gefühl seines hohen Könnens, die Anregung
zu dem Werke gegeben hat, oder ob der Plan
im Schofse des Magistrats gereift ist, der den
Ruhm des Strafsburger Münsters noch mehr zu
erhöhen trachtete, mufs dahingestellt bleiben;
jedenfalls verfolgte die gesamte Bürgerschaft das
Entstehen des Riesenwerkes mit der lebhaftesten
Spannung und wetteiferte, es durch Spenden aller
Art zu unterstützen. Eine bisher unbekannt ge-
bliebene Polizeiverordnung des Rats für den Tag
des Glockengusses54) zeigt deutlich, welche Wich-
tigkeit die Stadt dem Unternehmen beimafs, und
mit wie warmer Fürsorge sie um das gute Ge-
lingen bemüht war. Man hielt einen besonderen
Gottesdienst im Münster ab, um den Segen des
Allmächtigen für das Werk zu erflehen, und er-
mahnte die Bürger bei Strafe, selbst in der wei-
teren Umgebung der Giefshütte die gröfste Ruhe
zu beobachten; ja man verbot sogar das Reiten
und Fahren über die benachbarten Brücken, um
jede, auch die kleinste Erschütterung zu verhüten.
«) So der Wortlaut nach „Kunstdenkmäler des Grofs-
herzogtums Baden“ VI 512, offenbar genauer als bei Wetzel
a. a, O. •
60) Gefsler a. a. O.
' 81) Vgl. seine Bemerkung oben in der Rechtfertigungs-
schrift an den Kaiser vom Juni 1514.
52) Anzeiger f. Schweiz. Altertumskunde VI, 325.
53) Vgl. besonders Bühelers Chronik (Mitteil. d. Gesellsch.
f.’Erh. d. Denkmäler imElsafs, Seriell Bd. 13) nr. 196, Speck-
lins Kollektaneen (ebenda Bd. 14) nr. 2218, 2224; 2227, O.
Schadaeus, Summum Argent. templum 23—25. .
54) Str. St. Arch. MO. 92, von der Hand des Stadt-
schreibers Seb. Brant.
 
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