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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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12. Heft
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Erben, Wilhelm: Die Waffen der Wiener Schatzkammer
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0381

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12. HEFT

WILHELM ERBEN, DIE WAFFEN DER WIENER SCHATZKAMMER

361

Die Waffen der Wiener Schatzkammer
Von Wilhelm Erben

Bei der Neugestaltung der österreichischen
Hofsammlungen, die sich in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzog und durch
Eröffnung der beiden Wiener Hofmuseen ihren
weithin sichtbaren Ausdruck fand, ist ein kleiner
Teil des kaiserlichen Kunstbesitzes unter dem
alten Namen der „Schatzkammer“ in der Hofburg
zurückbehalten worden. Während die sonstige
Masse in die sachlich gegliederten Abteilungen
der Kunstsammlungen verteilt wurde, blieben
hier diejenigen Stücke vereinigt, bei denen der
geschichtliche Wert und die Verbindung mit den
Machtansprüchen des Herrscherhauses besonders
deutlich hervortreten sollten. Dem wissenschaft-
lichen Leben wurde jedoch dieser kostbare Be-
stand trotz seiner Loslösung von der musealen
Einteilung und Verwaltung ebensowenig ent-
zogen, wie der öffentlichen Besichtigung. Schon
die in Wien in den Jahren 1864 und 1870 bis
1873 hergestellten Prachtwerke von Franz Bock
(Die Kleinodien des heiligen römischen Reiches
deutscher Nation) und Quirin von Leitner (Die
hervorragendsten Kunstwerke der Schatzkammer)
hatten für seine wissenschaftliche Wertschätzung
glänzende Zeugnisse abgelegt und selbst unter
den Sorgen des Weltkrieges ist die vornehme
Pflicht, dieses Erbe vergangener Geschlechter
würdig zu verwalten, nicht vergessen worden.
Zur selben Zeit, als in Nord und Süd der letzte
Kampf um Leben und Tod des Habsburgerstaates
tobte, von 1915 bis 1917, entstand in der alten
Kaiserstadt durch das Zusammenwirken bewährter
Kräfte ein neues Prachtwerk über diese Samm-
lung, das für immer einen denkwürdigen Schlufs-
stein habsburgischer Kunstpflege bilden wird1).
Sein Verfasser, Julius v. Schlosser, der vor drei-
zehn Jahren die Kunst- und Wunderkammern der
Spätrenaissance in lehrreicher Übersicht behandelt
hatte, führt nun hier die bedeutendste Schöpfung
der dort geschilderten Sammelrichtung dem Be-
trachter vor, indem er zunächst das Werden des
l) Julius von Schlosser, Die Schatzkammer des aller-
höchsten Kaiserhauses in Wien, dargestellt in ihren vor-
nehmsten Denkmälern. Textheft 101 S. folio mit 44 Figuren
und 64 Tafeln. Kunstverlag Anton Schroll & Co. in Wien
1918. An der technischen Herstellung haben die Kunst-
anstalten Biechinger & Ley kauft, Max Jaffö, C. Anger er &
Göschl sowie die Buchdruckerei Adolf Holzhausen mit-
gewirkt.

ganzen Bestandes und seine Schicksale darlegt,
dann aber ein halbes Hundert seiner hervor-
ragendsten Vertreter einer geschichtlichen und
kunstgeschichtlichen Würdigung unterzieht. Selb-
ständiges feinfühliges Urteil mit dem sorgsam
verwerteten Ertrag fremder Forschungen ver-
einend bietet Schlossers Text, unterstützt von
vorzüglichen Abbildungen, nicht nur einen Ab-
schlufs der bisherigen Forschung, sondern auch
die Grundlagen zur Weiterverfolgung der mannig-
fachen und wie. tigen Fragen, die sich an dieses
Gesamtdenkmal des Kaisertums knüpfen.
Auch die historische Wraffenkunde hat für
Schlossers Werk zu danken und darauf weiter-
zubauen, denn die Wiener Schatzkammer beher-
bergt neben den kostbarsten Erzeugnissen der
Textilkunst und anderer Kunstrichtungen auch
eine kleine, aber auserlesene Zahl von Waffen.
Es sind freilich eigenartige Stücke, die in der
allgemeinen Entwicklung nur wenige irgendwie
entsprechende Gegenbilder finden, aber der Kunst-
wert, der den meisten von ihnen zukommt, und
die geschichtlichen Erinnerungen, die an allen
haften, sichern ihnen die Fortdauer der Beach-
tung, deren sie sich seit langem erfreuen. Das
gilt in vollem Mafse auch von dem ersten hier
anzuführenden Stück, dem sogenannten Säbel
Karls des Grofsen, welcher schon in den An-
fangsheften dieser Zeitschrift der Gegenstand
eindringender Studien gewesen ist2). Damals
hatte Boeheim die Meinung Leitners, dafs es sich
um eine sizilisch-normannische Waffe des 12. Jahr-
hunderts handle, bekämpft und die technischen
Vorzüge der mäfsig gekrümmten Klinge gerühmt,
die der orientalischen Gefechtsweise trefflich an-
gepafst sei; Hampel aber hatte mehrere in
Ungarn gefundene Säbel wegen ihres schräg-
stehenden Griffes und der in stumpfem Winkel
gegen die Klinge gebeugten, am Ende verdick-
ten Arme der Parierstange mit dem Karlsäbel
in Beziehung gebracht und die prachtvoll ge-
zeichneten, teils getriebenen, teils geprefsten
Ranken sowie den gepunzten und vergoldeten
Grund des Silberbeschläges an seinem Griff und
an seiner Scheide mit ungarischen und russischen
Funden des 10. Jahrhunderts verglichen; aus die-
sen Anhaltspunkten und aus der Beschaffenheit
2) Z. f. h. W. 1, 6 ff. u. 45 fr.
 
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