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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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12. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0414

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394

LITERATUR

VIII. BAND

LITERATUR

E. Daniels, Geschichte des Kriegswesens, I. Das
antike Kriegswesen. Sammlung Goeschen
Nr. 488. Zweite Auflage 1920.
Auch in der zweiten Auflage des als handliche Er-
gänzung zu Delbrücks monumentalem Werke über die Ge-
schichte der Kriegskunst hochwillkommenen Bändchens
von Daniels ist die Verteilung des Stoffes und Raumes auf
die grofsen kriegführenden Mächte des Altertums sehr un-
gleich. Die Darstellung beginnt mit den Perserkriegen.
Der Verfasser sucht in der Einleitung diese Beschränkung
mit dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft zu recht-
fertigen. Sicherlich mit Unrecht. Die Fülle des kriegs-
geschichtlichen Materials bei den Assyrern, Ägyptern, Juden
erlaubt tatsächlich bereits eine wenn auch erst skizzen-
hafte Darstellung ihres Militärwesens und sollte um so
weniger fehlen, als die Perser und Parther ausgiebig be-
handelt werden.
Die Kriegsgeschichte des Altertums erhält ihren be-
sonderen Reiz durch die starken nationalen Verschieden-
heiten der Kampfesweise wie der gesamten Organisation.
Sehr anschaulich wird die athenische Truppe geschildert
als Bürgermiliz, die ihre mangelnde Ausbildung durch die
Massentaktik der Phalanx ersetzt. Dagegen besafs Sparta
in der Kriegerkaste der Spartiaten ein Elitekorps von Be-
rufssoldaten, das dem Staat seine militärische Überlegen-
heit gab. Ihnen gegenüber stand das Perserheer, ganz aus
Berufskriegern gebildet, Rittern, die zu Fufs und zu Rofs
kämpften. Der überlegen geführten griechischen Phalanx
war die in der Hauptsache auf ritterlichem Einzelkampf,
also einer sehr losen Taktik beruhende Kampfart der Perser
nicht gewachsen. Die Zeiten nach den Perserkriegen
bringen eine völlige Umwandlung des athenischen Heeres
aus einer Bürgermiliz zu einem Söldnerheer aus Berufs-
soldaten. Wichtig sind infolge der militärischen Reform
des Iphikrates die Peltasten. Die besonders im 4. Jahr-
hundert stärker entwickelte Artillerie hat ihren Ausgangs-
punkt in der orientalischen Kriegskunst.
Die macedonische Taktik baut sich besonders auf der
Reform des Epaminondas auf, ihre Hauptstärke ist die Aus-
bildung der Kavallerie zu einer wirklichen Waffe und die Ver-
bindung der verschiedenen Waffengattungen zu einer Einheit.
Dem eigentlichen Kriegsvolke des Altertums, den
Römern, ist fast die volle Hälfte des ganzen Buches ge-
widmet. Die militärische Stärke Roms gründet sich auf
der anfangs rücksichtslos durchgeführten allgemeinenDienst-
pflicht. Die Legion ist wie unser Regiment lediglich ein
administrativer, kein taktischer Körper; die Truppenteile
der Bundesgenossen gliedern sich in Kohorten. Wichtig
ist der Hinweis, daß im römischen Heere die eine Hälfte
aus römischen Legionen, die andere aus den Kohorten der
Bundesgenossen bestand, dafs also bei der Ermittelung der
numerischen Stärke eines römischen Heeres die Zahl der
Legionäre zu verdoppeln ist, wenn die Autoren die Er-
wähnung der Bundesgenossen unterlassen. Es - ist über-
haupt ein Verdienst des Buches, ständig auf die Wichtig-
keit des Zahlenstandes hinzuweisen. Eine eiserne Disziplin
vom Höchsten bis zum Niedersten, der Grundsatz, unter
allen Umständen das Lager zu befestigen, eine gleichmäfsige
und zweckmäfsige Ausrüstung (Pilum!) und nicht zuletzt
die Manipeltaktik an Stelle der alten schwerfälligen Linear-
taktik der Phalanx sind die grundlegenden Vorzüge des
römischen Heeres der älteren Zeit.

Die Manipeltaktik brach in der Schlacht von Cannae
zusammen, die in ihrem strategischen Aufbau eine bis in
Einzelheiten gehende Parallele in der Schlacht von Tannen-
berg und der Winterschlacht in Masuren hat. Der leichten
Beweglichkeit des trotz seiner nationalen Buntscheckigkeit
doch durchaus einheitlichen hannibalischen Heeres war der
starre Körper der eintrefiigen Aufstellung der Römer nicht
gewachsen. Das römische Heer wird umorganisiert, zum
Teil neu bewaffnet (gladius!) und der Staat macht be-
wundernswerte Anstrengungen zur nationalen Verteidigung.
Aus dem Bürgerheer wird nach und nach ein Söldnerheer
aus Berufssoldaten, also eine völlig analoge Entwicklung
wie rund zwei Jahrhunderte vorher in Griechenland. Den
Ausschlag gab dieTaktik Hannibals, das Heer in zweiTreffen
aufzustellen, die Scipio vom Gegner übernahm und mit
Erfolg bereits in der Entscheidungsschlacht von Zama an-
wendete. Die Kriege mit den Diadochen gaben den Römern
scheinbar keinen Anlals zu einschneidenden Veränderungen
im Aufbau ihres Heeres, dagegen führte der Kimbernkrieg
zur vollständigen Vereinheitlichung des Heeres, das nun-
mehr nur noch aus schwerbewaffneten Legionären bestellt,
während die verschiedenen leichten Waffen von Nichtrömern
gestellt werden. An Stelle des Manipels wird die Kohorte
die taktische Einheit. Das Heer wird nun gänzlich ein
Söldnerheer und bleibt es dauernd.
Mit berechtigter Ausführlichkeit wird Cäsars geniale
Persönlichkeit und die des kongenialen Germanenherzogs
Ariovist geschildert. Nur dank der aufs höchste gesteigerten
Gesamtorganisation des Heerwesens und der in allen Fällen
vorhandenen zahlenmäfsigen Überlegenheit konnte selbst
ein Cäsar der gefährlichen germanischen und gallischen
Gegner in teilweise sehr schweren Kämpfen Herr werden.
Seine Stärke ist die Auswertung der vorhandenen Mittel,
nicht umwälzende Neuordnung wie bei Marius. Das Heer-
wesen der Römer hat in der Kaiserzeit keine gröfseren Ver-
änderungen und Umbildungen mehr erfahren, abgesehen von
mehrfachen Reformen der Bewaffnung, die sich in der Haupt-
sache in der Richtung der Gewichtserleichterung bewegen.
Die Hauptgegner des kaiserlichen Rom sind im Osten
die Parther und im Norden die Germanen, die in Jahr-
hunderte dauernden Kämpfen zwar vielfach geschlagen,
aber niemals gänzlich besiegt, schliel'slich dem morschen
Kolofs des Römerreiches den Todesstofs gaben. Im Schlufs-
kapitel wird kurz die militärische Verfassung der früh-
kaiserzeitlichen Germanen sowie der Limes behandelt, der
als bedeutendstes Denkmal der antiken Kriegsgeschichte
Deutschlands eine etwas eingehendere Darstellung wohl
verdient hätte, die dem Wandel in der römischen Taktik
an der Reichsgrenze besser gerecht geworden wäre. Die
Skizzierung der altgermanischen Bewaffnung beweist Un-
bekanntschaft mit Jahns ausführlicher und tiefschürfender
Monographie über die Bewaffnung der Germanen, die in
dieser Zeitschrift seinerzeit gewürdigt wurde. Aliso mit
aller Sicherheit dahin zu verlegen, wo heute der Dom von
Paderborn steht, ist aufserordentlich kühn und nach dem
heutigen Stande unseres Wissens sogar sehr unwahrschein-
lich. Auch die skrupellose Identifizierung von Siegfried
mit Armin, Chriemhild mit Thusnelda und des Hildes-
heimer Silberfundes, „der zweifellos von der Tafel desVarus
stammt“ (einzelne Teile gehören nachweislich der zweiten
Hälfte des 2. Jahrhunderts n.Chr. an!) mit dem Nibelungen-
hort ist leider ein dunkler Punkt in der im ganzen sym-
pathischen Darstellung. Die Heeresreformen des Diokletian
und Konstantin zieht der Verfasser vor, am Eingänge der
Schilderung des mittelalterlichen Kriegswesens zu behandeln.
Gut und richtig spannt Daniels das Militärwesen des
Altertums in den weiteren Rahmen der politischen Gesamt-
 
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