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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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8. Heft
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Forrer, Robert: Ein Kalender für König Matthias Corvinus mit Darstellungen gotischer Büchsenschützen: Ein Beitrag zur Kenntnis der ältesten ungarischen Handfeuerwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0241

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Ein Kalender für König Matthias Corvinus mit Darstellungen
gotischer Büchsenschützen
Ein Beitrag zur Kenntnis der ältesten ungarischen Handfeuerwaffen
von Robert Forrer

Was wir über die ältesten Handfeuerwaffen
Osteuropas wissen, ist noch ungemein
kärglich. Zwischen den kugellosen Hand-
feuerbüchsen der Byzantiner in. der Art der Cod.
byz. Vat. 1605 *) und den durch die Türken auf
ihren Zügen gegen Ungarn und Wien in den
ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts verwen-
deten Feuerwaffen klafft noch eine grofse Lücke.
Diese beginnt in Ungarn und erweitert sich, je
mehr wir nach Osten vordringen. Aber ich zweifle
nicht, dafs auch sie sich einigermafsen scbliefsen
wird, wenn einmal Osteuropa nicht nur auf reich-
verzierte Feuerrohre abgesucht, wenn auch dort
mehr als bisher nach primitiven Rohren geforscht
wird. So ausgiebig wie Mittel- und Westeuropa
wird allerdings die osteuropäische Quelle niemals
fliefsen — sie wird immer spärlich bleiben, weil die
beiden herrschenden Völker, Türken und Ungarn,
lange noch im Zustande der Reitervölker beharr-
ten, als in Österreich, in Böhmen, in Deutsch-
land, in der Schweiz und weiter westwärts schon
seit Jahrzehnten Fufsvolk mit Feuerwaffen im
Kriegsleben eine bedeutende Rolle spielte.
In Ungarn vollzog sich dieser Umschwung
erst unter Matthias Corvinus Hunyades, dem
Grofsen, wie ihn die Ungarn mit Stolz und Recht
nennen (geboren 1443 zu Klausenburg, König
von Ungarn 1458, gestorben in Wien 1490).
Walter Rose sagt darüber in seiner Ab-
handlung über „Die deutschen und italienischen
schwarzen (grofsen) Garden“ (Z. f. h.W. Bd. 6,S.75),
dafs, als König Matthias Corvinus im Jahre 1468
dem König Podiebrad von Böhmen, „dessen Haupt-
stärke noch von Ziskas Zeit her in dem trefflichen
ff Vgl. dazu Rud. Schneider, „Eine byzantinische Feuer- '
waffe“, Z.f.h.W. Bd.5, S.83ff, R. Forrer, „Archaeologisches
und Technisches zu der byzantinischen Feuerwaffe des cod.
Vat. 1605 vom 11. Jahrhundert“, ebd. S. iisff., R. Forrer,
„Eine Handkanone in der Art des Cod. byz. Vat. 1605 und
der Büchse von Orsola-Arco“, ebd. Bd. 6, S. 172 ff.

Fufsvolk bestand, den Krieg erklärte, auch er auf
die Erschaffung und Ausbildung eines kriegs-
tüchtigen Fufsvolks bedacht sein mufste, zumal das
ungarische Heer bis dahin sich fast nur aus unge-
ordneten Reiterscharen zusammengesetzt hatte.
Er verstärkte daher das eigentliche aus National-
Ungarn bestehende Heer noch durch eine aus-
erlesene Fufstruppe von 6000 Mann, in welche
er aufser den Überbleibseln der im Jahre 1467
bei Kostolan vernichteten Zebraken des weitern
noch Böhmen, Deutsche, Polen, Serbier und
Raizen aufnahm. Wie Zeitgenossen berichten,
erhielt diese Schar von der dunklen Farbe ihrer
Rüstungen und von den durch Wetter und Sonne
gebräunten Gesichtern den Namen des schwarzen
Heeres oder der schwarzen Rotte (legio nigra)“;
Es darf ohne weiteres als sicher angenommen
werden, dafs in dieser während der ganzen Re-
gierungsdauer des Königs stets erfolgreichen
Elitetruppe auch die Feuerwaffen vertreten
waren. Ist doch die Zeit von 1468 bis 1490 die Ara,
wo die Handfeuerwaffe in den mittel- und west-
europäischen Heeren schon eine sehr wesentliche
Rolle spielt. Und da des Königs Gegner Podie-
brad nach Ausweis der . böhmischen Waffen-
bestände den Handfeuerwaffen einen wesentlichen
Anteil eingeräumt hatte, so wird Corvinus bei
der Bildung seiner neuen Truppe auch darin mit
der Zeit gegangen sein. Unter diesem Gesichts-
punkt ist nun das Dokument von Interesse, das
ich hier besprechen möchte: insofern nämlich,
als es sich um eine für Matthias Corvinus an-
gefertigte Prachthandschrift zu täglichem Ge-
brauch handelt, in welcher allerlei Büchsen-,
schützen als Randzierat wiedergegeben sind —
und ganz zweifellos diese verhältnismäfsig zahl-
reichen 'Schützenbilder nicht eingeflochten wor-
den wären, wenn sie nicht dem König eine ver-,
traute, ja ich möchte fast sagen eine bevorzugte
.Erscheinung dargestellt hätten. Wenn aber dem
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