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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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12. Heft
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Erben, Wilhelm: Die Waffen der Wiener Schatzkammer
DOI Artikel:
Stöcklein, Hans: Münchner Klingenschmiede, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0390

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370

WILHELM ERBEN, DIE WAFFEN DER WIENER SCHATZKAMMER

VIII. BAND

diese Gröfsenverhältnisse würden ungefähr dem
Bild der Krakauer Lanze entsprechen42 43), nur
müfsten bei der Wiener Lanze die beiden ur-
sprünglichen Fenster etwas anders geformt ge-
wesen sein als bei der Krakauer, und man könnte
sie nicht so hoch gegen die Spitze hinaufgerückt
denken wie bei dieser. Was die Wiederverwen-
dung des bei dieser Annahme weggestemmten
Mittelgrates betrifft, so müfste erwogen werden,
ob aus ihm alle Zutaten hergestellt wären oder
etwa blofs der Ring an der Dülle. Die Ränder der
Ausstemmung sind nach Müllner, S. 117, ziemlich
eben und ohne auffallende Meifselhiebe, aber doch
etwas unregelmäfsig; vielleicht gestattet es ihre
genaue Untersuchung, die Frage zu entscheiden,
ob statt der jetzt vorhandenen einzigen Öffnung
einst durch längere Zeit zwei solche vorhanden
waren. Es wird eine neuerliche Untersuchung
durch technisch geschulte Augen wohl verlohnen,
diese Möglichkeit nachzuprüfen, denn sie kann
uns der unangenehmen Folgerungen entheben,
die man seit den Feststellungen Hofmeisters in
bezug auf die Bewahrung und Behandlung dieses
alten Königsabzeichens ziehen zu müssen glaubte;
hätte man sonst die Wahl zwischen Verlust im
Krieg oder leichtfertiger Verschenkung durch
einen unerfahrenen Jüngling48) und die Notwendig-
42) Revue de l’art chrdtien 40 (1897), 302, und Boeheim,
Handbuch S. 308, wo Figur 357 (wiederholt in der Z. f.
h. W. 3, 346, Abb. 3 a) die Krakauer und nicht die Wiener
Lanze darstellt. Der Auszug, den Mhly a. a. O. 301 über
die einschlägigen polnischen Arbeiten gibt, beantwortet die
zahlreichen Fragen, zu denen das Bild der Krakauer Lanze
Anlafs bietet, durchaus nicht. Hier sei nur darauf hin-
gewiesen, dafs die an ihrer Dülle ersichtlichen Kannelüren
auch an den Flügellanzen des Mainzer Museums (Mitt, der
anthropologischen Gesellschaft 29, Taf. I, 1, 3, 8) und an
einer solchen in Dresden (Z. f. h. W. 3, 346, Abb. 3) vor-
kommen. Nähere Untersuchung ist sehr zu wünschen.
43) Während Hofmeister S. 74 ff. die Schenkung der
Lanze durch Otto III. an Boleslaw als unglaubwürdig ab-

keit einem der deutschen Herrscher, etwa gar dem
vielgeprüften Kaiser Heinrich IV., den frommen
Betrug einer Ersatzlanze zuzumuten44 * 41), so würde
die Annahme der Umgestaltung gestatten, von
allen diesen peinlichen Dingen abzusehen und
die jetzt in Wien verwahrte Lanze wieder gleich-
zusetzen mit der seit 926 im Reichsbesitz befind-
lichen. Es wäre auch für die Waffenkunde ein
Gewinn, dieses erhaltene Stück wenigstens bis
an die Grenze des karolingischen Zeitalters zu-
rückleiten zu können. Ob es jemals gelingen
wird, mit Hilfe chronistischer oder urkundlicher
Quellen über diese Grenze hinauszudringen und
zu erkennen, weshalb gerade diese Lanze zum
Gegenstand der Verehrung wurde, das ist sehr
zweifelhaft. Dagegen wird gewifs die Waffen-
kunde zur Aufklärung ihres Wertes noch weiteres
beitragen können, wenn sie den Vergleich mit
anderen Flügellanzen fortführt, die Verbreitung
und Herkunft dieser Waffengattung genauer über-
prüft und innerhalb der ganzen Gruppe die mit
der heiligen Lanze am engsten übereinstimmenden
Stücke hervorsucht. Vielleicht wird sich dabei
ergeben, dafs nicht blofs die Herstellung aus
Stahl, sondern auch die Durchbrechung der Klinge
eine in bestimmtem Umkreis gebräuchliche oder
den obersten Führern vorbehaltene Auszeichnung
war. Auf diese Art von den sonst gleich ge-
stalteten Waffen unterschieden und etwa auch zur
Anheftung eines flatternden Fähnchens dienend,
das man durch die Öffnungen hindurchzog, konnte
die Lanze des Führers im Kampf und auf dem
Marsch Ordnung in die Masse des Volksheeres
bringen.
lehnt, hält Tangl im Neuen Archiv 34, 255, die entgegen-
gesetzte Beantwortung dieser Frage für möglich.
41) Daran denkt Hofmeister S. 51, nachdem er einen
Verlust der Lanze im Jahre 1088 erwähnt hat, dagegen ver-
setzt Schlosser S. 46 die Vertauschung in ältere Zeit.

Münchner Klingenschmiede
Von Hans Stöcklein
(Fortsetzung aus Bd. VIII, S. 205)

Über die in den vorgehenden Artikeln be-
handelten Münchner Klingenschmiede der Familie
Ständler habe ich bei meinen letzten Archivstudien
noch verschiedene neue Nachrichten gefunden, so
dafs ich mir einen Nachtrag vorbehalte. Für die
Passauer Ständler hat W. M. Schmid28) neues
28) Niederbayr. Monatsschrift, 8. Jahrg. 1919, Heft 1/4.
Alt-Passauer Zünfte. I. Schwertschmiede und Messerer.
— Passauer Waffenwesen, Z. f. h. W. 8, 338 f.

wichtiges Material gebracht, das meine Angaben
ergänzt. Ich gehe also zur nächsten Münchner
Klingenschmiedfamilie über, die in der Klingen-
herstellung einen nicht weniger bedeutenden Ruf
hatte.
Die Diefstetter.
Den Ursprung der Familie Diefstetter konnte
ich bisher nicht auffinden. Als Klingenschmiede
treten sie auf im 15. Jahrhundert in München, im
 
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