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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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3./4. Heft
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Schramm, Erwin: Die Geschütze des Altertums
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0061

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Die Geschütze des Altertums
Von Erwin Schramm

Vorwort. •
In Ampurias nördlich von Barcelona ist 1912
der Spannrahmen einer römischen Catapulta ge-
funden worden.
Die Abmessungen dieses Rahmens stimmen
mit denen der nach Vitruvs Vorschriften rekon-
struierten Saalburgcatapulta wie 4:5 auf den
Millimeter genau überein.
Aus dieser so augenfälligen Übereinstimmung
läfst sich zunächst der Schlufs ziehen, dafs Vitruvs
Vorschriften richtig sind. Da aber Vitruv seine
Angaben über den Geschützbau von den griechi-
schen Kriegsschriftstellern, teilweise wörtlich,
übernommen hat, so ist wiederum zu folgern, dafs
auch die Angaben dieser Schriftsteller und be-
sonders Herons und Philons richtig sind.
Hauptsächlich nach den Angaben der vor-
erwähnten drei Schriftsteller, die sich gegenseitig
ergänzen, sind seit 1903 alle bekannten Geschütz-
arten des Altertums für die Saalburg rekonstruiert
worden.
Die bei dem Bau der Geschütze gemachten
praktischen Erfahrungen ergänzten in der denk-
bar günstigsten Weise die Angaben der Schrift-
steller und machten einige derselben überhaupt
erst verständlich. Die Schufsleistupgen des Alter-
tums wurden wenigstens annähernd erreicht.
Die Geschützdarstellungen auf dem Eumenes-
relief von Pergamon, dem Vedenniusgrabstein,
der Cadesgemme, den Marmorreliefs der Uffizien
und der Trajanssäule beweisen, dafs auch das
Aussehen der Geschütze den geschichtlichen Tat-
sachen entspricht.
Die Saalbürggeschütze können somit dem
Lehrer wie dem Schüler, dem Fachmanne wie
dem Laien ein ungefähres Bild von der Artillerie
des Altertums -geben.
Allgemeines.
Es ist ungewifs, in welche Zeit die früheste
Verwendung von Geschützen zu legen ist. König
Salmanassar II. (860—825) scheint noch keine ge-
habt zu haben. Auf den Bronzetüren des Palastes

von Balawat, die sich jetzt im British Museum
zu London befinden, sind keine Geschütze zu er-
blicken, während zwei Widder, ein vierräderiger
und ein sechsräderiger, sehr sorgfältig und deut-
lich dargestellt sind.
Die Angabe der Bibel 2. Chron. 26, 15 betr.
den König Usia (809—757): „Und machte zu Je-
rusalem Künste, die auf den Türmen und Ecken
sein sollten zu schiefsen mit Pfeilen und grofsen
Steinen,“ hat keinen Quellenwert, da sie erst aus
dem 3. Jahre v. Chr. stammt.
Nach Diodor fällt die früheste Verwendung von
Torsionsgeschützen um das Jahr 400 v. Chr. Nach
ihm soll sich bei Gelegenheit des grofsen Zuges,
den der ältere Dionysios gegen Karthago rüstete,
unter den aus aller Welt herbeigeholten Künstlern
ein Genie befunden haben, das die Erfindung der
Tormenta machte. Von dieser Zeit ab werden
Geschütze immer häufiger erwähnt, wenn auch
erst Philipp und Alexander von Makedonien, die
ihren wahren Wert erkannten, ihre Entwicklung
energisch förderten.
In der Diadochenzeit erreichten sie die höchste
Vollendung.
Die Römer haben wiederum die Geschütze
fast ohne Änderung von den Griechen entlehnt.-
Wann sie übernommen wurden, ist schwer zu
sagen, da Geschütze erst in den punischen Kriegen,
dann aber sehr häufig, u. a. von Plautus, und so
erwähnt werden, als seien sie etwas ganz Be-
kanntes.
Die gröfsten Fortschritte im Geschützbau
beziehen sich auf die Herstellung der Spannsehnen,
wozu sich eine Spezialtechnik mit fabrikmäfsigem
Betrieb entwickelte.
Als die Römer die Geschütze von den Griechen
übernahmen, fehlte ihnen die Technik zur Her-
stellung der Spannsehnen. Sie mufsten diese
solange aus den griechischen Fabriken beziehen,
bis sich eine inländische Industrie für dieses
Fabrikat entwickelte, das zweifellos die Güte
des griechischen nicht erreichte. Jedenfalls sind
so die Leistungen der Geschütze zurückgegangen
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