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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

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9. Heft
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Winckelmann, Otto: Der Glocken- und Büchsengießer Georg Guntheim von Straßburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0300

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280

O. WINCKELMANN, DER GLOCKEN- UND BÜCHSENGIESSER GEORG GUNTHEIM VIII. BAND

Der Glocken- und Büchsengießer
Georg Guntheim von Straßburg
Von Otto Winckelmann

Das Historische Museum zu Basel besitzt
einige sehr beachtenswerte alte Geschütze,
die Eduard Gefsler kürzlich eingehend be-
schrieben und auf ihre Entstehung hin untersucht
hat1). Eines dieser Stücke, eine sog. „Notschlange“
vom Jahre 1514, trägt auf dem Rohre die In-
schrift: „Meister Jerg zu Strafsburg gos mich“.
Das Basler Archiv birgt noch den Vertrag, durch
den der Basler Rat am 17. Dezember 1513 den
genannten Meister verpflichtete, dieses sowie fünf
weitere Geschütze — vier Büchsen und eine Not-
schlange — zu giefsen2). Auch über die Her-
stellungskosten hat Gefsler noch genaue Rech-
nungen gefunden und veröffentlicht3). Dagegen
weifs er über die Persönlichkeit und sonstige Be-
tätigung des Meisters Jörg nur wenig zu berich-
ten, weil er die Strafsburger Archive, die näheren
Aufschlufs versprachen, zu benutzen verhindert
war. Einer dankenswerten Anregung des Herrn
Generalleutnant B.Rathgen folgend, will ich des-
halb hier ergänzend mitteilen, was ich in Strafs-
burger Akten und beiläufig auch in sonstigen
gedruckten und ungedruckten Quellen über den
Mann und sein Werk gefunden habe*).
Die Herkunft des Meisters läfst sich bis jetzt
nicht mit voller Sicherheit ermitteln. Gerard4) ist
geneigt, weil Jörg gelegentlich mit dem Zunamen
„von Speyer“ erscheint, ihn als Sohn eines Glocken-
giefsers Hans von Speyer anzusehen, der angeb-
lich 1480 zu Sulz im Oberelsafs gelebt haben

*) Anmerkung: Auf Wunsch der Schriftleitung sei
darüber noch folgendes.Nähere mitgeteilt: Im Jahre 1918,
als ich noch Leiter des Strafsburger Stadtarchivs war, fragte
Herr Generalleutnant Rathgen auf Grund der Veröffent-
lichung Gefslers bei mir an, ob sich überden Meister Jörg
nicht weitere, noch unbekannte Nachrichten im Archiv vor-
fänden. Ich legte darauf das gefundene, ziemlich umfang-
reiche Material zur Einsicht und beliebigen Benutzung
vor. Herr R. machte sich jedoch nur einige kurze, ihm
besonders wichtig erscheinende Notizen und legte mir im
übrigen nahe, den gesamten Stoff gelegentlich selbst zu
verarbeiten und zu veröffentlichen. Wenn ich demnach
in der Lage bin, hier einiges Neue und Beachtenswerte
über den Strafsburger’Meister zu bringen,, so ist dies im
wesentlichen der freundlichen Anregung von Generalleut-
nant Rathgen zu danken. ■
J) Vgl. diese Zeitschrift VI, 3—12 und 50—61.
*) Basler Urkundenbuch IX, 376 und Gefsler a. a.O. 57.
8) Ebenda.
■*) In seinem Buch „Les artistes de l’Alsace“ II, 394.

soll; allein diese Annahme ist sehr schwach be-
gründet. Der eigentliche Familienname Georgs
lautete, wie aus dem Einträge im Strafsburger
Bürgerbuch5) und ausvielenanderenEr wähnungen6)
bestimmt hervorgeht, von Guntheim oder auch
blofs Guntheim oder Guntheimer. Ursprüng-
lich wurde damit offenbar nur der Herkunftsort
bezeichnet — das Dorf Guntheim bei Worms —
bis dann allmählich, wie in so vielen gleich-
artigen Fällen, der Familienname daraus wurde.
Die zuweilen auch vorkommende Benennung
„von Speyer“7) läfst vermuten, dafs einer der un-
mittelbaren Vorfahren Jörgs, etwa der Vater oder
Grofsvater, seinen Wohnsitz von Guntheim nach
Speyer verlegt hatte, und dafs Jörg selbst dort
geboren ist oder wenigstens einen Teil seiner
Jugendzeit verlebt hat8).
In der alten Pfarrkirche von Herrnsheim bei
Worms hängt eine 24 Zentner schwere Glocke,
die laut Inschrift von einem „Meister Jorg zu
Spier“ gegossen wurde9). Leider steht die dabei
angegebene Jahreszahl nicht sicher fest. Der
Herausgeber der Inschrift druckt: mccccvxxii und
deutet dies einmal als 1482, das andere Mal als
147210). Ersteres ist keinesfalls zutreffend, letzteres
nur dann, wenn das sinnlose, wohl auf einen Lese-
oder Druckfehler beruhende v durch ein 1 ersetzt
wird. In diesem Falle könnte die Glocke aber
unmöglich als ein Werk unseres Jörg, wie A.Fuchs
annimmt11), betrachtet werden, weil der Meister,
wie ich weiter unten nachweis.e, erst um 1554
gestorben ist, mithin ein Alter von über ioojahren
erreicht haben müfste, wenn er bereits 1472 als
6) Siehe den Auszug weiter unten.
6) Vgl. Basler Urk. B.. a. a. O., ferner Strafsb. Stadt-
archiv XXI Prot. 1540 f. 332, A A. 2039 (Schreiben des Rats
v. Speyer von 1531), Strafsb. Hosp. Arch.Prot. 145 f. 121b etc.
7) Vgl. Strafsb. St. Arch. Kontr. St. 9 f. 234 (Urk. v. 1509),
ferner das unten abgedruckte Schreiben K. Maximilians v.
3. Dez. 1516.
8j Vgl. den Schlufs dieses Aufsatzes, wonach ein naher
Verwandter, der den Meister beerbte, 1555 noch in Speyer
ansässig war.
9) Kunstdenkmäler im Grofsherzogtum Hessen, Kreis
Worms (1887) S. 71.
10) A. a. O. 71 und 297. .
u) Elsässische Monatsschrift 1910 S. 400. Fuchs druckt
versehentlich Hermersheim statt Herrnsheim. Auch
von Gefsler a. a. O. ist der Ort unrichtig als Herrenheim
bezeichnet.
 
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