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Verkündigung (Verkündigung von Cestello),
Ausschnitt, 1489/90 (Kat. 58]

A , ie Botticelliforschung hat sich bislang eher für die Gemälde mit profanen
Sujets (Kapitel IV und VII) und für die von Girolamo Savonarola beeinflußten religi-
ösen Werke (Kap. IX) interessiert. Botticellis herausragende Bedeutung als Maler
von Altarbildern ist hingegen bis in jüngste Zeit kaum beachtet worden. Als Maler
dieser Gattung trat Botticelli bereits in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts in
Erscheinung, doch sind aus jener Zeit nur drei Gemälde erhalten, die sicher als Bei-
spiele dieses Bildtyps gelten können (Kat. 18, 19, 23). Darunter befindet sich mit der
1470-1472 geschaffenen Pala di Sant' Ambrogio (Kat. 18) nur ein einziges größeres
Bild. Erst in dem Jahrzehnt zwischen etwa 1485 und 1495 wirkte Sandro Botticelli
auch als Maler großformatiger Altarbilder. Dazu zählen der 1485 entstandene Bardi-
Altar (Kat. 51), der Barnabas-Altar von circa 1487-1489 (Kat. 55), die 1489/90 ent-
standene Cestello-Verkündigung (Kat. 58), der für die Kirche von San Marco
bestimmte Eligius-Altar von etwa 1490-1492 (Kat. 61), die um 1495 zu datierenden
Darstellungen der Beweinung Christi in München (Kat. 68) und Mailand (Kat. 69)
sowie die 1491-1494 unter Beteiligung seiner Werkstatt geschaffene Trinität (Kat.
65). Weitere bedeutende Beispiele entstanden ab Mitte der 90er Jahre in Gestalt einer
Sacra conversazione für die Medici-Villa in Trebbio (Kat. 70) und mit dem großfor-
matigen Pfingstwunder (Kat. 71) von etwa 1495-1500.
Die allein schon quantitativ beeindruckende Zusammenstellung der in etwas
mehr als einem Jahrzehnt von Botticelli und seiner Werkstatt geschaffenen, größten-
teils großformatigen Altarbilder läßt mehrere Schlußfolgerungen zu. So scheint Bot-
ticellis Produktion der mythologischen Gemälde mit dem Ende der 80er Jahre merk-
lich nachzulassen, während im gleichen Zeitraum Altargemälde in immer größerer
Zahl entstanden. Hierbei nahmen auch die Dimensionen dieser Altarbilder bis zum
Beginn der 90er Jahre fast kontinuierlich zu, um in der Eligius-Tafel für San Marco
zu kulminieren. Noch vor der Mitte des Jahrzehnts und zeitgleich mit diesem Höhe-
punkt der Produktion scheint Botticelli schließlich die Ausführung der großformati-
gen Tafeln mehr und mehr seinen Gehilfen überlassen zu haben. Ein Beleg für diese
Tendenz sind die unter Beteiligung der Werkstatt vollendete Trinität sowie das von
Gehilfen ausgeführte Pfingstwunder und die ebenfalls nicht eigenhändige Altartafel
für die Medici-Villa in Trebbio. Botticelli hatte sich also zunächst persönlich des
großformatigen Altarbildes angenommen, die Möglichkeiten der Gattung ausgelotet
und dann deren Ausführung weitgehend seiner Werkstatt überlassen.
Instruktiv ist auch ein Vergleich mit der Altarbildproduktion anderer Flo-
rentiner Künstler in der Zeit zwischen 1485 und 1495. Hier bietet sich vor allem ein
Blick auf das entsprechende (Euvre des 1494 verstorbenen Domenico Ghirlandaio
an, der zusammen mit seiner Werkstatt ab etwa 1485 bis zu seinem Tod einige der
größten und bedeutendsten Beispiele dieser Gattung in Florenz schuf. Hierzu zählen
in Florenz vor allem die qualitativ hochwertigen und von prominenten Stiftern
bestellten Altarbilder für Francesco Sassetti, für das Florentiner Findelhaus und für
die Tornabuoni-Kapelle in Santa Maria Novella, aber auch weniger bekannte Gemälde
wie eine Sacra conversazione für den Lettner von San Marco und die Heimsuchung

144 [Die späten Altarbilder]
 
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