>2-6 ist eine der erfreulichsten Erscheinungen unserer Zeit,
daß die Verhältnisse der Staatsbürger zu ihren Regierungen
in unserem deutschen Vaterlande als Gegenstände recht-
licher Erörterungen wieder praktisches Interesse zu ge-
winnen anfangen. Sieben drangvolle Jahre lastete die
eiserne Hand des Despotismus mit gleicher Schwere auf
unserem Volke, wie auf unseren Fürsten: Deutschland war
nicht mehr: ein Federzug des allgewaltigen Siegers hatte
es aus der Reihe der europäischen Staaten gestrichen: der
letzte Funke von Gcmcinstnn war erloschen oder unter-
drückt: der Einzelne suchte aus dem allgemeinen Schiff-
bruche nur sich — den Einzelnen — wenn gleich aufKostcn
aller Uebrigen, zu retten. Die deutsche Rcichsverfassung,
dieses alte ehrwürdige Palladium der Rechte der Untertha-
nen gegen unbefugte Eingriffe dcrTerritorial-Regierungcn,
war vernichtet: Gewalt und Willkühr waren an die Stelle
des Gesetzes als das regulirende Princip für die Verhält-
nisse zwischen dem Herrscher und den Beherrschten getreten.
In diesem Zustande allgemeiner Knechtschaft hatte Deutsch-
land den glänzendesten und am meisten ausgebildeten Theil
seines Nationalrechtcs — sein praktisches Staatsrecht
— verloren. Nur in der Theorie fanden die Staats-
wissenschaften noch eine treue Pflegerin: aber je glänzender
sich ihre philosophische Behandlung entwickelte, desto weni-
ger war von ihrer praktischen Anwendung die Rede; wäh-
rend Staatsidcale in Masse geschaffen wurden, vermochte
man in der Wirklichkeit kaum den Schatten eines Staates
aufzufinden.
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daß die Verhältnisse der Staatsbürger zu ihren Regierungen
in unserem deutschen Vaterlande als Gegenstände recht-
licher Erörterungen wieder praktisches Interesse zu ge-
winnen anfangen. Sieben drangvolle Jahre lastete die
eiserne Hand des Despotismus mit gleicher Schwere auf
unserem Volke, wie auf unseren Fürsten: Deutschland war
nicht mehr: ein Federzug des allgewaltigen Siegers hatte
es aus der Reihe der europäischen Staaten gestrichen: der
letzte Funke von Gcmcinstnn war erloschen oder unter-
drückt: der Einzelne suchte aus dem allgemeinen Schiff-
bruche nur sich — den Einzelnen — wenn gleich aufKostcn
aller Uebrigen, zu retten. Die deutsche Rcichsverfassung,
dieses alte ehrwürdige Palladium der Rechte der Untertha-
nen gegen unbefugte Eingriffe dcrTerritorial-Regierungcn,
war vernichtet: Gewalt und Willkühr waren an die Stelle
des Gesetzes als das regulirende Princip für die Verhält-
nisse zwischen dem Herrscher und den Beherrschten getreten.
In diesem Zustande allgemeiner Knechtschaft hatte Deutsch-
land den glänzendesten und am meisten ausgebildeten Theil
seines Nationalrechtcs — sein praktisches Staatsrecht
— verloren. Nur in der Theorie fanden die Staats-
wissenschaften noch eine treue Pflegerin: aber je glänzender
sich ihre philosophische Behandlung entwickelte, desto weni-
ger war von ihrer praktischen Anwendung die Rede; wäh-
rend Staatsidcale in Masse geschaffen wurden, vermochte
man in der Wirklichkeit kaum den Schatten eines Staates
aufzufinden.
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