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Zoepfl, Heinrich
Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte: ein Lehrbuch in zwei Bänden (2,1): Geschichte der deutschen Rechtsquellen: compendiarisch dargest. — Stuttgart: Krabbe, 1846

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https://doi.org/10.11588/diglit.47337#0084
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Erster Zeitraum. V. Canonisches Recht.

schon ein Theil der französischen Bischöfe die Aechtheit der einge-
schobenen Stücke bezweifelt halte10). Dass Benedictus Levita, wel-
cher bei seiner Capitularien - Sammlung (a. 845) bereits die falschen
Decretalen benützt hatte, der Urheber der Pseudo-Isidorischen Compi-
lation sei, ist übrigens nicht erweislich n). Als eine dritte Quelle des
kirchlichen Rechtes erscheinen in der merowingischen und karolingischen
Zeit noch die zuerst in England aufgekommenen sog. Libri poeni-
tentiales oder B e i ch t b ii ch e r 12), Hervorgegangen aus der kirch-
lichen Praxis, stellen sie in ähnlicher einfacher Form wie die Volks-
rechte das weltliche Strafrecht, das damalige System der Kirchenstrafen
und Bussen dar 13), welches sich hinsichtlich der eigentlichen Verbrechen
durchgängig an die germanische Auffassungsweise anschliesset 14). Die
Note c, vermuthet, dass für Mercator Peccator zu lesen sei. Doch wird diess durch
keine Handschrift unterstützt. — Eine Zusammenstellung der in der ältesten (V a-
ticanischen) Handschrift schon vorhandenen unächten Stücke s. bei Richter,
1. c. §. 69 Note 1. —
10) Diess sagt Papst Nicolaus I. selbst in seinem Schreiben vom J. 865 in
der Sache des Bischofs Roth ad von Soissons (Harduin. Concilia T. V. p. 591):
„... quanquam quidam vestrum scripserint, haud illa decretalia priscorum pontificum
in toto codicis canonum corpore contineri descripta“ etc. — Der Papst macht übri-
gens bereits den französischen Bischöfen hierbei den Vorwurf: „... cum ipsi, ubi
suae intentioni haec suffragari conspiciunt, illis indifferenter utantur, et solum nunc
ad imminutionem potestatis sedis Apostolicae, et ad suorum augmentum privilegiorum,
minus accepta esse perhibeant.“ — Seit dem X. Jahrhundert zweifelte Niemand mehr
an der Aechtheit der falschen Decretalen; erst im XV. Jahrh. fing man wieder än,
sie zu bestreiten. Vergl. Richter, 1. c. §. 70. —
n) Ein solcher Verdacht ist gegen Benedict bei Knust und Richter (s. Note 9)
ausgesprochen. — Vergl. aber dagegen Eichhorn, R.-G. I. §. 154 Note 1, und
besonders in d. Zeitschr. f. gesch. R.-W. Bd. XI. H. 2 S. 183 flg. —
12) Wasserschieben, Beitr. S. 78 flg. — Richter, 1, c. §.71. —
13) Vergl. z. B. Libr. Pönif. Theodori Tit. III. de diversis homicidiis §. 11,
bei Kunstmann, p. 47: „Si quis pro contentione temporalium rerum, propinquum
vel presbyterum vel compatrem occiderit, oportet illum VII. annis exulem a patria
se ejicere, et per diversas provincias, Sanctorum requirere loca, absque armis et
calceamentis, et absque communione Christianorum, et non diutius quam diei et
noctis unius spatio in una habitatione quiescere.“ — Besonders in’s Einzelne gehend
sind die Bestimmungen der Titel, welche sich auf Fleischesverbrechen beziehen, wie
z. B. ibid. Tit. XVI. de fornicatione Laicorum, Tit. XVII. de observatione conju-
gatorum, Tit. XVIII. de fornicatione Clericorum, etc. —
w) Vergl. Wil da, Straf-R. der Germ. S. 114. — Zu diesen Einflüssen der
germanischen Volksansichten darf wohl auch die den angelsächsischen Beichtbüchern
eigenthümliche Gestattung einer Redemplio der Kirchenbusse gerechnet werden. Vergl.
z. B, die Redemptiones Theodori cap. 7 bei Kunstmann p. 109: „Si quis forte non
 
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